Fluglärm soll nicht verteilt werden (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Die Zürcher Regierung und der Flughafen haben zur Umsetzung des Staatsvertrags Stellung genommen: Beide sprechen sich für die Kanalisierung und gegen die Verteilung des Lärms aus. Der Flughafen tut es klar, die Regierung schwammig.

Andreas Schürer

Für die Umsetzung des Staatsvertrags mit Deutschland liegen seit Anfang Oktober sechs Varianten auf dem Tisch. Allen Vorschlägen des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl) ist gemeinsam, dass sie ab dem Jahr 2020 während der abendlichen deutschen Sperrzeiten auf das Ostkonzept setzen, das Anflüge aus Osten und Starts nach Norden vorsieht. Unterschiedlich sind die Entlastungsangebote für den Osten am Morgen: Sie enthalten Elemente wie den Südstart straight über die Pfannenstielregion, den gekröpften Nordanflug und Südanflüge kombiniert mit Starts nach Westen und Norden.

Defensive Regierung
Am Donnerstag, dem letzten Tag der Konsultationsfrist, haben nun die Zürcher Regierung und der Flughafen ihre Stellungnahme veröffentlicht. Die Regierung bleibt ihrer Haltung in diesem Dossier treu: Sie will möglichst wenig Angriffsfläche bieten. Auf eine Variante habe sie sich noch nicht festgelegt, da die betrieblichen und lärmmässigen Auswirkungen der vom Bund vorgeschlagenen Varianten noch nicht abschliessend bekannt seien. Die Auslegeordnung des Bazl hält allerdings zwei Punkte unmissverständlich fest. Erstens: Aus Kapazitätsgründen gibt es am Abend keine Alternative zum Ostkonzept, sofern das vorhandene Verkehrsaufkommen abgewickelt werden soll. Zweitens: Bezüglich der Anzahl Lärmbetroffener schneidet das Ostkonzept mit Abstand am besten ab, es belastet am wenigsten Menschen.

Osten am Morgen entlasten
Diesen Aussagen widerspricht die Regierung nicht. Ihre Stellungnahme läuft denn auch darauf hinaus, dass sie am Abend ab 18 Uhr das Ostkonzept favorisiert, das witterungsbedingt allerdings auch rund 15 Prozent Südanflüge bedingt. Das deckt sich mit ihrer Haltung, die sie bereits 2004 festlegte und die sie nun zitiert: «Die Bündelung der Flugbewegungen über den am wenigsten dicht besiedelten Gebieten wird dem Schutz der Bevölkerung am besten gerecht und entspricht auch den Vorgaben der Umweltschutzgesetzgebung des Bundes sowie der Rechtsprechung des Bundesgerichts.» Weitere wichtige Grundsätze der Flughafenpolitik des Kantons seien die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Zürich durch einen wettbewerbsfähigen Flughafen mit Drehkreuzfunktion sowie die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Flugbetriebs.

Kein Wort zum Ausbau
Auf naiv stellt sich die Regierung bezüglich Pistenausbau. Sie weist einzig darauf hin, dass das Volk im Kanton Zürich das letzte Wort habe, «sollten zur Umsetzung des Staatsvertrags Verlängerungen der Pisten 28 und 32 ins Auge gefasst werden». Dass das Bazl diese nicht nur ins Auge fasst, sondern für zwingend nötig erachtet, wird verschwiegen, entsprechend fehlt auch eine Meinung dazu. Die Regierung verweist in einer allgemein gehaltenen Formulierung darauf, dass die zur Diskussion gestellten Vorschläge aufgrund der heutigen Faktenlage und der kurzen Fristen noch nicht abschliessend beurteilt werden könnten. Der Bund müsse zwingend ermöglichen, dass eine fundierte kantonsinterne politische Meinungsbildung stattfinden könne, wenn die Anpassungen schriftlich dokumentiert, die lärmmässigen Auswirkungen ermittelt und der Entwurf zum Objektblatt Flughafen Zürich im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) offiziell in die Anhörung gegeben worden sei.

Flughafen will Pistenausbau
Kein Blatt vor den Mund nimmt der Flughafen Zürich. Er bekräftigt in seiner Stellungnahme, dass die Verlängerungen der Pisten 28 und 32 zwingend seien, um die heutige Kapazität zu erhalten. Bezüglich der Varianten hält er an seinen bereits im Juli erhobenen Prioritäten fest: Auch er setzt am Abend auf das Ostkonzept und am Morgen unter der Woche auf den gekröpften Nordanflug. Am Wochenende sollen weiterhin von 6 bis 9 Uhr Südanflüge erfolgen – auch sie sollen aber durch den «Gekröpften» ersetzt werden, falls die technische Entwicklung einen leistungsfähigen Anflug auch für diese längere Zeitspanne zulasse.

Diese Varianten, in der Bazl-Auslegeordnung die Nummern 2 und 3, entsprächen in ihren Grundzügen der Variante J opt im SIL-Prozess, schreibt der Flughafen. Diese sei zu bevorzugen, weil «sie in der Summe am wenigsten Menschen mit Lärm belastet und gleichzeitig nicht nur eine Region zusätzlich überflogen wird».

NZZ, 15.11.2012