Gekröpfter Anflug über den Osten ist neu im Spiel (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Der Flughafen lanciert eine neue Anflugroute – einen gekröpften Anflug der Thur entlang über den Osten, der bei Bülach auf die Piste 14 einschwenkt. Der Aargau wäre bereit, den Osten dafür von Starts zu entlasten.

Andreas Schürer, Erich Aschwanden

In der Fluglärmdiskussion ist ein neuer Begriff im Spiel: der GNA Ost, der gekröpfte Nordanflug über den Osten. Der Flughafen Zürich prüft laut Informationen der NZZ, ob dieses Verfahren am Morgen zwischen 6 und 6 Uhr 30 zum Einsatz kommen könnte – anstelle des Südanflugs beziehungsweise des bisher als Alternative vorgeschlagenen gekröpften Nordanflugs über den Aargau (GNA West).

Kurve bei Bülach

Die genaue Routenführung des GNA Ost ist noch unklar. Im Prinzip ist die neue Variante eine Spiegelung des gekröpften Anflugs, der schon jahrelang zur Diskussion steht: Statt von Westen dem Rhein entlang über den Aargau (GNA West) soll die Piste 14 von Osten her der Thur entlang angepeilt werden (GNA Ost). Die Kurve auf die Landebahn in Kloten wird nach diesem Modell bei Bülach geflogen, wie aus einer groben Darstellung des Flughafens hervorgeht, die der NZZ vorliegt. Beschlossen ist das neue Betriebssystem noch nicht. Letzte Woche eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum Flugverkehr-Staatsvertrag. Parallel dazu prüft der Bund in den kommenden Wochen mit den betroffenen Kantonen, mit welchem Betriebskonzept am Flughafen Zürich der Vertrag umgesetzt werden soll.

Die betrieblichen Vorteile des GNA Ost gegenüber dem GNA West liegen auf der Hand: Die rund 15 Maschinen, die zwischen 6 und 6 Uhr 30 in Kloten landen, kommen grossmehrheitlich aus Osten – der Umweg über den Westen, der gleichzeitige Starts verunmöglicht, würde unnötig. Der Knackpunkt: Die technische Umsetzbarkeit ist nicht gesichert. Offen ist insbesondere, ob die Kurve auf die Piste 14 zu fliegen ist – oder ob sie zu steil ausfällt.

Machbarkeit wird geprüft

Der Flughafen gibt sich auf Nachfrage zurückhaltend. Die Sprecherin Sonja Zöchling sagt, dass sie lediglich zusammengestellt hätten, welche gekröpften Nordanflüge mit moderner Technologie möglich wären. Im Staatsvertrag mit Deutschland, den die Parlamente beider Länder noch ratifizieren müssen, sind solche Anflugverfahren erlaubt. Gegenwärtig prüfe der Flughafen die Machbarkeit eines gekröpften Anflugs aus Osten, sagt Zöchling. Sie verweist auf die Einschränkung, dass beim gekröpften Nordanflug über Westen während des Anflugs keine gleichzeitigen Starts möglich seien, und sie fügt hinzu: «Allenfalls würde sich dieses Problem bei einem Anflug aus Osten entschärfen.» Da der Flughafen in der Ausarbeitung dieses Verfahrens noch im Anfangsstadium sei, könne sie aber nichts über konkrete Routen sagen.

Nicht kommentieren will Zöchling weitere Vorschläge, die in der Diskussion mit den Betroffenen aufs Tapet kamen. So steht seit der konsultativen Konferenz der Zürcher Volkswirtschaftsdirektion, die kürzlich stattgefunden hat, im Raum, am Abend ab 18 Uhr zuerst eine Stunde von Süden anzufliegen, bevor auf das Ostkonzept umgestellt wird.

Keine Stellung dazu nimmt auch das Bundesamt für Zivilluftfahrt. Sprecher Daniel Göring sagt, dass während des Konsultationsverfahrens keine Auskunft erteilt werde. Zum gekröpften Nordanflug aus Osten sagt er: «Es handelt sich um eine Idee des Flughafens. Ob dieser Anflug aviatisch umsetzbar ist, muss sich erst noch weisen.» Auf den Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) habe es keinen Einfluss, ob die neue Route weiterverfolgt werde oder nicht, sagt Göring: «In der Umsetzung des Staatsvertrags wird der SIL ohnehin angepasst werden müssen.»

Nicht gut kommt der neue Anflug-Vorschlag bei Hanspeter Lienhart (sp.), Stadtrat in Bülach und Präsident der IG-Nord, an. Für ihn sei ein gekröpfter Anflug weder von Westen noch von Osten akzeptabel, wobei die Betroffenen ohnehin nichts mehr zu sagen hätten, klagt Lienhart. Stossend sei, dass mit dem Staatsvertrag die Ostausrichtung des Flughafens akzentuiert werde.

Keinen Kommentar gibt die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion ab. Ihr Sprecher Erich Wenzinger verweist aber darauf, dass der Staatsvertrag Anflüge entlang der Grenze zu Deutschland sowohl im Westen als auch im Osten nicht ausschliesse. Den GNA Ost habe nun der Flughafen eingebracht; für eine Bewertung ihrerseits sei es noch zu früh: «Wir müssen zuerst die Erkenntnisse aus der nun folgenden Prüfung abwarten», sagt Wenzinger.

Kompromissbereiter Aargau

Im Kanton Aargau, der vom gekröpften Nordanflug aus Richtung Westen am stärksten betroffen wäre, ist man froh, dass mit dem gekröpften Nordanflug Ost eine neue Anflugroute ins Spiel gebracht wird. «Es ist wichtig, dass nun im Rahmen des Koordinationsverfahrens alle möglichen Varianten auf den Tisch kommen und nach objektiven Gesichtspunkten geprüft werden», sagt Hans-Martin Plüss, Projektleiter Fluglärm im Aargauer Departement Bau, Verkehr und Umwelt. Wäre es tatsächlich möglich, den Flughafen Zürich am Morgen zwischen 6 Uhr und 6 Uhr 30 via gekröpften Nordanflug Ost anzufliegen, könnte dies ein Ausweg sein, um im Kanton Aargau eine drohende Doppelbelastung zu verhindern. Sollte nämlich, wie im Aargau befürchtet, der gekröpfte Nordanflug West eingeführt und die bestehende Abflugroute Surbtal beibehalten werden, würden abends die letzten und morgens die ersten Überflüge über Aargauer Gebiet führen. Plüss lässt durchblicken, dass der Kanton Aargau bereit wäre, Hand zu bieten, wenn mit der Einführung des gekröpften Nordanflugs Ost eine ähnliche Situation im Osten auftreten würde. So könnten abends mehr Abflüge Richtung Westen übernommen werden.

NZZ, 26.09.2012