«Vom Südanflug steht nichts drin» (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Fluglärmstreit. Die in Davos unterzeichnete Absichtserklärung im Fluglärmstreit zwischen der Schweiz und Deutschland lässt mehr Fragen offen, als sie Antworten gibt. Die Gegner des Südanflugs sind skeptisch, dass die Erklärung ihr Problem lösen könnte.

Christian Dietz-Saluz

«3015 Tage unzulässige Südanflüge» heisst es auf der Website des Vereins Flugschneise Süd Nein (VFSN). Und dann kommt die Meldung wie aus heiterem Himmel: Bundesrätin Doris Leuthard und der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer haben eine Absichtserklärung zum Fluglärmstreit unterzeichnet. Sie soll im Sommer in einen Staatsvertrag münden, der die Anflüge zum Flughafen Zürich-Kloten über Süddeutschland nach Anzahl und Tageszeit regelt. «Ich habe erst durch einen Anruf von einem Radiosender davon erfahren», sagt Thomas Morf. Der Präsident des VFSN gibt zu: «Ich bin völlig überrascht gewesen.» Er habe zwar immer wieder gehört, dass etwas «im Busch» sei. So habe man in Deutschland von Geheimverhandlungen des Verkehrsministers mit der Schweiz gemunkelt. Worum es dabei konkret ging, sei jedoch nicht zu erfahren gewesen.

Kaum hatte sich der VFSN-Präsident am Samstagnachmittag von der unerwarteten Nachricht erholt, begann er die bilaterale Absichtserklärung genauer anzuschauen und zu deuten. Sein Urteil fällt ernüchternd aus: «Ein Diktat an die Schweiz, ein Kniefall vor Deutschland.» Morf zählt Passagen aus der Erklärung auf, die seine Aussage unterstreichen sollen: «Die Schweiz reduziert...», «die Schweiz gewährleistet...», «die Schweiz räumt ein...».

Die Rollen sind einseitig verteilt

Ihn erinnere die Erklärung an das Protokoll, das Bundesrat Moritz Leuenberger und der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe vor zehn Jahren ausgearbeitet hatten. Darin habe es geheissen: «Die Schweizerische Eidgenossenschaft verpflichtet sich...» Und jetzt sei die Bring-Rolle wieder einseitig verteilt. Tatsächlich steht in der Absichtserklärung in keinem einzigen der acht Punkte das Wort «Deutschland».

Es lasse ihn nichts Gutes ahnen, wenn in dem Papier von einer Reduktion der Anflüge über Deutschland die Rede sei. Skeptisch stimmt Thomas Morf auch, dass der vom VFSN bekämpfte Südanflug, wenn die Jets am Morgen und am Abend vom Zürichsee her den Flughafen Zürich-Kloten anfliegen, unerwähnt bleibt. «Wenn ich mir die Absichtserklärung anschaue, steht darin nichts vom Südanflug», sagt Morf.

Bewegung tut prinzipiell gut

Die Erklärung sei für ihn zu nichtssagend, um Hoffnungen schüren zu können. Morf zitiert Goethes Faust: «Die Botschaft hör? ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.» Schöne Worte habe er in den letzten zehn Jahren zur Genüge gehört. «Für mich zählt, was ich zwei Minuten nach sechs Uhr morgens über mir höre», sagt der zwischen Zumikon und Dübendorf in Pfaffhausen lebende VFSN-Präsident. «Erst wenn ich um diese Zeit keine Flugzeuge mehr höre, glaube ich an die Lösung unseres Problems.»

Morf bleibt skeptisch. Am Horizont sei nichts in Sicht, was ihn zum Thema Südanflug positiv stimme. Einzig, dass mit der Absicht, bald zu einem Staatsvertrag über den Fluglärmstreit zu gelangen, wenigstens Bewegung in die Sache gekommen sei, hält er für «prinzipiell gut».

«Vernünftige Nägel mit Köpfen»

Der Küsnachter Gemeindepräsident Max Baumgartner (FDP) zeigte sich am Samstag von der Nachricht aus Davos «sehr überrascht». Er sei vom Steuerungsausschuss des Fluglärmforums Süd, in dem alle Gemeinden im Bezirk Meilen mit Ausnahme von Zollikon vertreten sind, per Mail informiert worden. «Was ist jetzt los?», habe er sich gedacht. Die Bedeutung der Absichtserklärung von Leuthard und Ramsauer kann Baumgartner noch nicht ermessen. «Ich muss mich erst darin vertiefen», sagte er.

Der Küsnachter Gemeindepräsident hofft, dass «jetzt vernünftige Nägel mit Köpfen gemacht werden». Baumgartner hofft auch, dass der Südanflug durch den Staatsvertrag abgeschafft oder zumindest reduziert werden könne. Denn für ihn ist das Prinzip der Betroffenheit ausschlaggebend: «In der Schweiz werden viel mehr Menschen vom Fluglärm belästigt als in Süddeutschland.»

ZSZ, 30.01.2012