Chropfleerete (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Justiz-Schau mit Beruhigungseffekt

Mindestens etwas muss man dem Bundesverwaltungsgericht zugute halten: Mit seiner öffentlichen Anhörung der Flughafen-Konfliktparteien hat es aktive Wirtschaftsförderung betrieben. Den Berner Hoteliers bescherte man einige Dutzend Übernachtungen und einigen Dutzend Anwälten ein paar hundert Stundenhonorare.

Nun wäre es aber unfair, die positiven Effekte auf diesen Aspekt zu beschränken. Die grossangelegte Chropfleerete für Anwohner, Behörden und Institutionen hat denjenigen den Wind wenigstens teilweise aus den Segeln genommen, die jetzt sechs Jahre lang von Rechtsverweigerung und Zuständen wie in einer Bananenrepublik gesprochen haben. Das Gericht hat sich ernsthaft mit der Materie auseinandergesetzt und ausgesprochen viel Zeit investiert, um sich auch die letzten Details des komplexen Gesamtsystems Flughafen Zürich erklären zu lassen.

Wenn man das Verhalten der Konfliktparteien in Bern richtig interpretiert, war der wohl beabsichtigte Beruhigungseffekt nach dem Ende der Anhörung durchaus spürbar. Hier profitieren die Berner Richter aber auch von einer gewissen Ermattung, die den Fluglärmgegnern nach dem langjährigen Kampf zuletzt anzumerken war.

Trotzdem bleibt nach den fünftägigen öffentlichen Verhandlungen ein ungutes Gefühl zurück. Zu sehr machte die Anhörung den Eindruck eines Schauprozesses. Untermauert wurde dieser Eindruck dadurch, dass trotz der Anwesenheit von zwei Gerichtsschreibern kein Protokoll geführt wurde. Man kann deshalb davon ausgehen, dass mindestens die wichtigsten Bausteine des Urteils bereits geschrieben sind und kaum neue Erkenntnisse aus den letzten Tagen in dieses einfliessen werden.

Störend bleibt trotz der Komplexität des Sachverhalts auch, dass es sechs Jahre dauerte, bis das Gericht sichtbar handelte. Natürlich dürfte der Umbau der Rekurskommissionen zum Bundesverwaltungsgericht zu Verzögerungen geführt haben, aber sechs Jahre sind bei allem Verständnis für den administrativen Aufwand zu viel des Guten. Daraus hat man offensichtlich gelernt und will das Urteil nun schnell präsentieren. Das ist löblich. Gleichzeitig weckt die plötzliche Eile bei gewissen Anwohnern schon wieder den Verdacht der Willkürjustiz. Damit wird das Gericht leben können. Allen Schneisern recht getan, ist ein Ding, das niemand kann.

NZZ, 02.12.2009


siehe auch:
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