WHO führt Leitlinien zum Schutz der Bevölkerung vor nächtlicher Lärmbelastung ein (WHO)

Publiziert von VFSNinfo am
Jeder fünfte Europäer ist nachts regelmäßig einem Geräuschpegel ausgesetzt, der erhebliche gesundheitliche Auswirkungen haben könnte.

Kommentar VFSN:
Auch diese Kosten werden mit einem JA zur Spezialfinanzierung Luftverkehr nicht gedeckt. Wir subventionieren den Luftverkehr nicht nur nach wie vor mit unseren Steuergeldern, sondern auch noch mit unseren Krankenkassenbeiträgen.


Kopenhagen und Bonn, 8. Oktober 2009

Heute veröffentlicht das WHO-Regionalbüro für Europa seine Leitlinien für die nächtliche Lärmbelastung in der Europäischen Region. In der Publikation werden bahnbrechende neue Erkenntnisse über mögliche Gesundheitsschäden infolge nächtlicher Lärmbelastung erläutert und Richtwerte für den Schutz der Gesundheit empfohlen.

Der neue Grenzwert ist ein jährlicher durchschnittlicher nächtlicher Geräuschpegel von max. 40 Dezibel (dB), was etwa dem Pegel einer ruhigen Straße in einem Wohngebiet entspricht. Wer beim Schlafen während des Jahres einer höheren Lärmbelastung ausgesetzt ist, kann leichte gesundheitliche Folgen wie Schlafstörungen oder Schlaflosigkeit erleben. Eine langfristige Lärmbelastung über 55 dB, was etwa dem Geräuschpegel einer belebten Straße entspricht, kann eine Ursache für Bluthochdruck und Herzinfarkte sein. Jeder fünfte Bürger der Europäischen Region ist regelmäßig einem solchen Lärmpegel ausgesetzt.

„Lärm ist zur häufigsten umweltbedingten Belastung in der Europäischen Region geworden; immer mehr Bürger beklagen sich über Lärmbelästigung. Die neuen Leitlinien sollen den Ländern dabei helfen, die zentralen Sachfragen in Verbindung mit den Gesundheitsfolgen von Lärmbelastung zu erkennen und in Angriff zu nehmen“, sagt Dr. Srdan Matic, Leiter der Sektion „Nicht-übertragbare Krankheiten und Umwelt“ beim WHO-Regionalbüro für Europa. „Nach einer über sechs Jahre laufenden fachlichen Evaluation der wissenschaftlichen Evidenz in der Europäischen Region verfügen die Regierungen der Mitgliedstaaten nun über eine bessere Rechtfertigung für die Regulierung der nächtlichen Lärmbelastung und über klare Empfehlungen darüber, wo die Grenzwerte liegen sollten.“ An der Ausarbeitung der Leitlinien waren 35 Wissenschaftler aus den Bereichen Medizin und Akustik sowie eine Reihe maßgeblicher Partner wie die EU-Kommission beteiligt.

Auswirkungen auf die Gesundheit
In neueren Forschungsarbeiten wird nächtliche Lärmbelastung eindeutig mit gesundheitlichen Schäden in Verbindung gebracht. Lärm kann nicht nur Gehörschäden verursachen, sondern auch schwerwiegende Gesundheitsprobleme verschärfen, insbesondere durch seine Auswirkungen auf Schlaf wie auch aufgrund der Zusammenhänge zwischen Schlaf und Gesundheit. Auch wenn Menschen schlafen, reagieren ihre Ohren, ihr Gehirn und ihr Körper trotzdem weiter auf Geräusche. Schlafstörungen und Ärger sind die ersten Auswirkungen nächtlicher Lärmbelästigung und können zu psychischen Störungen führen.

Lärmbelastung kann sogar vorzeitige Morbidität und Mortalität zur Folge haben. Nächtliche Lärmbelästigung durch Flugverkehr kann auch dann Bluthochdruck verursachen, wenn die Betroffenen davon nicht aufwachen. Besonders schädlich sind die Auswirkungen von Lärm meist dann, wenn Menschen während des Einschlafens wieder aufwachen. Jüngste Untersuchungen belegen, dass Fluglärm am frühen Morgen sich durch Beschleunigung der Herzfrequenz besonders schädlich auswirkt.

Besonders gefährdete Gruppen
Bestimmte Gruppen sind für Lärm besonders anfällig. Da Kinder mehr Zeit im Bett verbringen als Erwachsene, sind sie nächtlichem Lärm in verstärktem Maße ausgesetzt. Chronisch Kranke und ältere Menschen sind allgemein anfälliger für Ruhestörung. Schichtarbeiter tragen ein besonders hohes Risiko, da ihre Schlafstruktur gestört ist. Generell sind einkommensschwache Bevölkerungsschichten überproportional betroffen, da sie sich ein Leben in ruhigen Wohngebieten oder ausreichend schallisolierte Wohnungen nicht leisten können. Nächtliche Lärmbelästigung kann eine Erhöhung der Zahl von Arztbesuchen wie auch der Ausgaben für Schlaftabletten zur Folge haben, was sich sowohl auf die Finanzen der Familien als auch auf die Gesundheitsausgaben der Länder auswirkt. Wenn der Staat nichts gegen Lärmbelastung unternimmt, muss mit einer Ausweitung der Kluft zwischen Arm und Reich gerechnet werden.

Grenzwerte für Lärm und Maßnahmen der Länder
Die neue Publikation der WHO enthält sowohl neue Erkenntnisse als auch Empfehlungen, die sich die Länder bei der Einführung konkreter Grenzwerte für Lärm leicht zunutze machen können. Die Leitlinien ergänzen die vor einigen Jahren von der Europäischen Union angenommene Richtlinie über Umgebungslärm; darin werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, Lärmkarten zu erstellen und die Lärmbelastung der Bevölkerung zu reduzieren, wobei jedoch auf die Festlegung von Grenzwerten verzichtet wird.

Interventionen, die auf eine Reduzierung der Zahl von Lärmereignissen wie auch des allgemeinen Geräuschpegels abzielen, sind das wirksamste Mittel zum Schutz vor erhöhter Lärmbelastung. Die Festlegung von Lärmschutzzonen kann den Planungsbehörden dabei helfen, bestimmte empfindliche Gebiete vor Lärm zu schützen, in dem etwa Verkehr von Krankenhäusern und Schulen ferngehalten wird und Lärmschutzwände errichtet werden. Gebäude in belasteten Gebieten wären u. U. gut für Büros geeignet, weil sich dort bei Nacht keine Menschen aufhalten. Die Verlegung von Schlafzimmern auf die ruhigere Seite eines Gebäudes ist eine einfache Maßnahme. Eine andere Möglichkeit ist die Schallisolierung von Schlafzimmerfenstern, doch ist darauf zu achten, dass sich dabei die Innenraumluft nicht verschlechtert.

„Wie Luftverschmutzung und toxische Chemikalien stellt auch Lärmbelastung eine umweltbedingte Gesundheitsgefahr dar. Zwar ist fast jeder von Lärmbelastung betroffen, doch wurde diese bisher immer als unvermeidbare Folge des Stadtlebens angesehen und nicht in demselben Maße ins Visier genommen und bekämpft wie andere Risiken“, lautet das Fazit von Dr. Rokho Kim, der beim WHO-Regionalbüro für Europa für das Projekt zur Erstellung der Leitlinien federführend verantwortlich war. „Wir hoffen, dass die neuen Leitlinien zu einer Kultur des Lärmbewusstseins beitragen und Regierungen und Kommunalbehörden dazu veranlassen, Zeit und Geld in den Schutz der Gesundheit vor dieser besonders in den Städten wachsenden Bedrohung zu investieren.“

WHO, 08.10.2009