Zumikon hofft auf neues Fluglärm-Rezept (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Dank Anflügen per GPS sollen die fluglärmgeplagten Zumiker ab 2012 wieder ausschlafen können. Für das neue Verfahren macht sich auch Ex-Botschafter Thomas Borer stark.

Von Michel Wenzler

Ein satellitengestütztes Anflugverfahren macht Fluglärmgeplagten in der Region Hoffnungen. Es ist bereits erprobt und eines der Kernstücke des Projekts Single European Sky (SES), mit dem die Europäische Union den Luftraum bis 2020 neu ordnen will. Am Dienstagabend machten Aviatik-Experten und Politiker knapp 500 Zuhörern in Zumikon die Anflugvariante schmackhaft. Lars Lindberg von der schwedischen Firma Avtech, die sich auf Anflugverfahren spezialisiert hat, zeigte an einer Veranstaltung der Stiftung gegen Fluglärm eine Animation. Das Verfahren habe Vorteile bei der horizontalen und der vertikalen Navigation, sagte Lindberg. Der satellitengestützte Anflug erlaube es, grössere Siedlungsgebiete zu umkurven. Und der Computer berechne die Sinkrate so genau, dass die Flugzeuge die Landebahn im Gleitflug erreichen können. Die Triebwerkleistung wird somit bis zum Endanflug – etwa fünf Kilometer vor dem Flughafen – gedrosselt. Dadurch entstehe nicht nur weniger Lärm, es würde auch weniger Kerosin verbrannt und der CO2 verringert. Beim Flughafen Stockholm habe man diese Anflugvariante innerhalb von sechs Monaten eingeführt, sagte Lindberg.

Politiker wollen neue Verhandlungen

Auch in der Schweiz könnte das Verfahren das Fluglärmproblem lösen, gab sich Lindbergs Kollege Olaf Dlugi überzeugt. Der Küsnachter war bis vor kurzem Chef der Projektgruppe Sesar, die das neue Anflugregime erarbeitet hat. Die Umsetzung sei bis spätestens 2020 verbindlich – nicht nur für die EU, sondern auch für die Schweiz, sagte Dlugi, der unter anderem auch Jumbopilot bei der Swissair war.

Die Schweiz könne sogar vorangehen und den satellitengestützten Anflug bereits ab 2012 einführen. Der Vorteil: Der gekröpfte Nordanflug wäre möglich. Manche sehen im neuen Anflugverfahren, das die Lärmbelastung halbieren würde, sogar einen Trumpf in den Verhandlungen mit den Deutschen.

Wohl aus diesem Grund hatte die Stiftung Fluglärm zwei weitere Redner eingeladen, die ein hartes Vorgehen gegen Deutschland befürworten: Nationalrat Hans Kaufmann, der mit einer Motion den Erwerb deutscher Kampfflugzeuge von der Aufhebung der deutschen Anflugsperre abhängig machen will, sowie Thomas Borer, der sich als früherer Schweizer Botschafter in Berlin mit dem Dossier beschäftigt hatte. Verhandeln sei Pflicht, fanden beide. Das Problem seien aber weniger die Deutschen, sondern der Bundesrat. «Die technischen Möglichkeiten sind das eine, der politische Alltag das andere», sagte etwa Kaufmann. Der SVP-Mann hielt mit Kritik an Bundesrat Moritz Leuenberger nicht zurück. «Solange er das Dossier betreut, wird nichts gehen», sagte er. Am liebsten habe der Verkehrsminister nämlich gar keinen Verkehr – weder auf der Strasse noch in der Luft. Offenbar konnte es sich Kaufmann nicht anders erklären, weshalb Dlugi mit seinem Anliegen, bis 2012 den satellitengestützten Anflug einzuführen, beim Bundesamt für Zivilluftfahrt nicht auf offene Ohren gestossen ist.

Kein Mandat für Thomas Borer

Häme für Leuenberger gab es auch von Ex-Botschafter Borer, der heute Wirtschaftsberater ist. Der Bundesrat kenne die Fakten nicht, sagte er. Und mit den Deutschen müsse man anders – härter – verhandeln. Borer schwebt vor, deutsche Firmen, die von einem florierenden Flughafen Zürich profitieren, für die Schweiz zu gewinnen und so Druck auf die Berliner Regierung zu machen. Mit weiteren Massnahmen könne man diesen noch erhöhen: Druckmittel seien auch der Transitverkehr und das atomare Endlager in Benken. Das Publikum war sichtlich angetan von den Äusserungen der Referenten. Doch dürften diese bei manchen Hoffnungen geweckt haben, die sie so schnell nicht erfüllen können. Eine Frau aus dem Publikum schlug sogar vor, anstelle der Regierung solle Thomas Borer die Verhandlungen führen. Er glaube nicht, dass ihn der Bundesrat damit beauftragen würde, entgegnete dieser schalkhaft.

Tages-Anzeiger, 18.06.2009