Billigere Flugtickets dank Wirtschaftsflaute (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Trotz des nach wie vor hohen Ölpreises werden Tiefstpreis-Tickets jetzt günstiger. Grund: Überkapazitäten der Airlines.

Die Airline-Manager sind besorgt. In den vergangenen zwei Jahren haben sie die Sitzkapazitäten stark ausbaut. Im Zuge der wirtschaftlichen Abkühlung bleiben nun aber die Kunden aus. Der Weltflugverband Iata meldete Anfang August ein Angebotswachstum von 5,5 Prozent. Ihm steht ein Nachfragewachstum von nur 3,8 Prozent gegenüber. Mit anderen Worten: Sitze bleiben unbesetzt, die Flieger sind nur halb gefüllt. Der sogenannte Sitzladefaktor sinkt weltweit. Einzige Ausnahme ist Lateinamerika, wo die Wirtschaft noch brummt.

Tiefstpreise selbst in der Hochsaison

Wie reagieren die Fluglinien auf die neue Entwicklung? Sie streichen Flüge, um Sitze aus den Markt zu nehmen, und verbilligen Flugtickets, um ihre Flugzeuge zu füllen. «Wir sind mit einem Preiszerfall bei den Tickets konfrontiert», schrieb der operative Leiter einer europäischen Fluggesellschaft in einer internen Mitarbeiter-info vor neun Tagen.

Wie stark die Preise sinken, zeigt die Internetsite Sidestep.com. Sie sucht die günstigsten Flugpreise einer Grosszahl von Airlines heraus und stellt sie im Zeitverlauf dar. Eine Auswertung für den August zeigt, dass die so genannten Best-Fares von Zürich nach New York und retour derzeit sinken. Lag der Wert Anfang Monat bei umgerechnet 1300 Franken, so sind die billigsten Flüge Ende Monat für 800 Franken zu haben - Treibstoffzuschläge und Flughafentaxen inklusive. Viel billiger geworden sind auch Flüge nach Rio de Janeiro. Günstiger geworden sind auch die Best-Fare-Tickets nach Hong Kong und Johannesburg. «Grössere freie Sitzkapazitäten führen zu tieferen Preisen», erklärt Kellie Pelletier diese Entwicklung.

Für gewisse Strecken gibt Sidestep auch an, wie sich der Preis in den vergangenen 90 Tagen entwickelt hat. Das Beispiel Zürich-New York retour zeigt: Von Mitte Mai bis Mitte August bewegte sich der Tiefstpreis in einem weiten Band zwischen 780 und 1400 Franken. Selbst mitten in der Hochsaison waren Flüge für unter 800 Franken zu haben.

Die Möglichkeit, Flugtarife innerhalb eines gewissen Zeitfensters zu beobachten, ist der Hauptnutzen dieser in den USA entstanden Internetsite. Sie ermöglicht die Beobachtung saisonaler Schwankungen und zeigt, an welchen Tagen man am günstigsten fliegt. Der Nachteil: Die Vergleiche beschränken sich fast ausschliesslich auf Flüge in die USA. «Die Grosszahl unserer jährlich 40 Millionen Nutzer stammen aus den USA. Deren Suchanfragen werden ausgewertet. Nutzer aus Europa fehlten bisher», sagt Sidestep-Sprecherin Kellie Pelletier dazu. Das soll sich aber ändern.

Billigstangebote «nicht buchbar»

Profis beurteilen die Trendwende bei den Flugpreisen kritisch. René Bättig, Inhaber des Reisebüros RMR in Schaffhausen, sagt, dass Langstrecken-Linienflüge in den letzten zwölf Monaten wegen der deutlich höheren Treibstoffzuschläge teurer geworden sind. Er beobachtet auch noch keine günstigeren Billigsttarife als noch vor einigen Monaten. «Es gibt Strecken, zum Beispiel nach Australien, wo der Flugtarif verrückt tiefe 1800 Franken kostet, die Zuschläge aber fast 800 Franken ausmachen.» Der Endpreise sei deshalb höher als früher.

Gemäss dem Zürcher Reisebüro Travac sind die Flugpreise (ohne Treibstoffzuschlag) seit Anfang Jahr um 3 bis 5 Prozent teurer geworden. Hinzu kommen die mehrfach erhöhten Zuschläge, «die eine versteckte Preiserhöhung darstellen und nur bedingt etwas mit den effektiven Kerosinkosten zu tun haben», sagt Travac-Inhaber Philippe Zbinden. Business- und Firstclass-Tarife bewegten sich «im Rahmen der Teuerung».

Bei Tiefstpreisen beobachtet Zbinden «punktuell Sonderangebote». Sie hätten aber vor allem den Sinn, die Werbung der Fluggesellschaften glaubhafter zu machen, die ein Tiefpreisimage suggeriere. «Diese Tarife sind aber für viele Interessenten praktisch nicht buchbar.»

Die Tiefstpreise, die Sidestep anzeigt, erhält man meistens auf den Airline-Seiten, ergaben Stichproben des TA. Doch nicht immer stimmen die Preise überein. Bei einem Alitalia-Ticket nach New York am 1. September war der Preis von umgerechnet 1171 Franken von Sidestep korrekt angegeben. Ein Swiss-Ticket, angepriesen für 1161, kostete online aber effektiv 1352 Franken. Diesen Unterschied konnte Sidestep nicht erklären.

Tages-Anzeiger, 18.08.2008


Kommenar VFSN: "Im Zuge der wirtschaftlichen Abkühlung bleiben nun aber die Kunden aus." Die Realität zeigt einmal mehr: Die Flugindustrie ist extrem von der wirtschaftlichen Lage abhängig - und nicht umgekehrt, wie das Studien uns immer wieder glauben machen möchten.