Bauboom in der Südschneise (SZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Bauboom in der Südschneise Immobilienpreise und Einwohnerzahlen steigen trotz Fluglärm stark

VON RETO THÖNY

Zürich - Kaum störten die ersten Flugzeuge im Herbst 2003 die früh morgendliche Idylle am Zürcher Pfannenstiel, probten die Südschneiser den Aufstand: Sie riefen zur Steuerverweigerung auf, schimpften die Schweiz als «Unrechtsstaat» und zeichneten das Horrorszenario von acht Milliarden Franken Wertberichtigung auf ihren Immobilien.

Heute, gut drei Jahre nach der Einführung der Südanflüge, gehören die gleichen Leute zu den Profiteuren.

Von Wertberichtigungen kann keine Rede sein. Urs Ackermann, Pressesprecher der Zürcher Kantonalbank, der grössten Hypothekarbank im Kanton Zürich: «Wir haben bislang nicht einen Rappen berichtigt.»

Im Gegenteil. In den Gemeinden entlang der Südschneise (siehe Grafik Seite 55) sind die Preise für Wohnimmobilien in den letzten sechs Jahren mit 13,6 Prozent überdurchschnittlich stark gestiegen. Schweizweit betrug die Zunahme 8,9 Prozent, im Kanton Zürich 12,5 Prozent.

Selbst in Gockhausen, wo die Flugzeuge in einer Höhe von 300 Metern direkt über die Dächer hinwegdonnern, haben die Immobilienpreise um 11,2 Prozent angezogen. «Die Leute jammern auf hohem Niveau», sagt Donato Scognamiglio, Geschäftsführer des Informations- und Ausbildungszentrums für Immobilien (Iazi). Er hat die Berechnungen im Auftrag der SonntagsZeitung durchgeführt und sich dabei auf Daten der Handänderungen zwischen dem 2. Quartal 2000 und dem 2. Quartal 2006 gestützt.

Das leidige «Thema Südanflüge ist passé»

Die Befürchtungen der Südschneiser haben sich somit als haltlos erwiesen. Zwar war der Liegenschaftshandel in den ersten Monaten nach der Einführung der Südanflüge praktisch zum Stillstand gekommen. Doch bereits damals wiesen Anlagespezialisten darauf hin, dass eine Immobilie als langfristige Investition betrachtet werden müsse.

Mittlerweile hat sich die Situation mehr als entspannt. Adrian Wenger, Hypothekarberater beim Vermögenszentrum, sagt, der Markt funktioniere «problemlos». Angebotene Liegenschaften in sämtlichen Preisklassen würden «recht schnell» einen Käufer finden. Wenger: «Das Thema Südanflüge ist passé.»

Das zeigt auch die Bautätigkeit in den lärmgeplagten Gemeinden entlang der Südschneise. Der Stäfner Gemeindeschreiber Daniel Scheidegger spricht von einem «ungebremsten Bauboom». In den letzten sechs Jahren seien in der Seegemeinde rund 800 neue Wohneinheiten entstanden – vorwiegend im Luxusbereich. Die Einwohnerzahl ist um 2000 gestiegen.

Auch die Neuzuzüger von Zumikon haben sich nicht vom Fluglärm abschrecken lassen. Seit 2004 sind 11 Einfamilienhäuser und über 90 Wohnungen gebaut worden. Zurzeit entstehen weitere 8 Einfamilienhäuser. Zudem ist Grosses geplant: 120 Wohnungen in 7 Wohnblöcken sowie ein gutes Dutzend Reiheneinfamilienhäuser auf dem Ankenbühl.

Die Gegner der Südanflüge lassen sich davon nicht beeindrucken. Andy Bantel, Herausgeber des «Noiseletters», sagt: «Es gibt einflussreiche Kreise, die ein grosses Interesse haben, die Schäden zu bagatellisieren.» Thomas Morf, Präsident des Vereins «Flugschneise Süd – Nein», bemüht sich um Verständnis. Jene, die nicht mit dem Lärm gerechnet hätten, würden seit nunmehr drei Jahren leiden: «Bei gewissen Leuten liegen die Nerven blank.»

Die Südschneiser verweisen zudem auf die Toplagen am See zwischen Zollikon und Herrliberg, wo die gute Konjunktur die Immobilienpreise extrem stark in die Höhe getrieben hat. Dazu sagt Iazi-Geschäftsführer Scognamiglio: Der Boom in der Südschneise sei zwar unbestritten, doch «ohne Kerosin, Flugschatten und Dezibel» wäre er eventuell noch stärker ausgefallen. «Der Lärm hat die Party etwas gebremst.»

Der Dübendorfer Stadtschreiber Rolf Butz will ebenfalls betont haben, dass sich die Situation mit dem Fluglärm verschlech tert hat, vor allem in Gockhausen, das politisch zu Dübendorf gehört. Dennoch würden die Fakten für sich sprechen.

Mit Minergiestandard und guter Isolation wird der Ort zur Idylle

Seit 2004 ist die Zahl der Einwohner von Gockhausen um 336 auf 1738 angestiegen. Im gleichen Zeitraum sind 7 Einfamilienhäuser entstanden. Im letzten Jahr haben die Behörden die Baubewilligung für 11 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 71 Wohnungen erteilt.

Käufer für diese Wohnungen zu finden, ist offenbar kein Problem. Patrick Ritschard von der gleichnamigen Immobilienfirma will im Juni mit dem Bau von 6 Häusern mit 34 Wohnungen im Ortsteil Geeren beginnen. 14 Wohnungen seien bereits reserviert. Sein Erfolgsrezept: Minergiestandard und gute Isolation.

In Gockhausen, das für den Widerstand gegen die Südanflüge steht, scheinen sich die Leute mit dem Fluglärm arrangiert zu haben. Eine kleine Umfrage der SonntagsZeitung zeigt: Die Leute zucken meist mit den Schultern und meinen lapidar, ein Bus mache auch Lärm.

Sontagszeitung, 21.01.2007


siehe auch: Leserbriefe „Bauboom in der Südschneise“