Hausbesitzer gegen Lärmindex (Landbote)

Publiziert von VFSNinfo am
Der HEV Dübendorf und Oberes Glatttal hat den Zürcher Fluglärmindex (ZFI) analysieren lassen. Fazit: Dem Volk soll (Flug-)Sand in die Augen gestreut werden.

ZÜRICH – Der Wind bläst Rita Fuhrer (SVP) immer rauer ins Gesicht. Nach der «Region Ost» («Landbote» von Mittwoch) lehnt nun auch die Sektion Dübendorf und Oberes Glatttal des Hauseigentümerverbands (HEV) den Lärmindex ab, den die Volkswirtschaftsdirektorin als Gegenvorschlag zur Flughafeninitiative vorgestellt hat. Präsident Jörg Gossweiler bezeichnet den ZFI als «Placebo» für die Bevölkerung. Fuhrer wolle dem Volk eine Wirkung verkaufen, die es nicht gibt, sagte er gestern vor den Medien. Dieses Fazit zieht er auf Grund einer von ihm in Auftrag gegebenen Analyse, welche Vermessungsingenieur Thomas Morf, gleichzeitig Präsident des «Vereins Flugschneise Süd – Nein» (VSFN), verfasst hat.

Morf hat die mathematische Index-Formel genauer studiert, die einzelnen Komponenten und Mechanismen auseinander genommen und Schlüsse daraus gezogen. Er erklärte gestern, dass seine Analyse nicht abschliessend sei, da die technischen Berichte, auf die der ZFI beruht, noch nicht zugänglich sind. Dennoch könne er einige prägnante Aussagen machen. Das sind die wichtigsten:

Der Rückgang der Lärmbelastung infolge verbesserter Flugzeugtechnik kommt einzig der Möglichkeit einer höheren Anzahl Flugbewegungen zugute. Eine Reduktion des Dauerschallpegels um nur 3Dezibel ermöglicht laut Morf eine Verdoppelung der Flugbewegungen, ohne dass sich der Index-Wert verändert.

Auf Grund der internationalen Umfragestudie des niederländischen Wissenschafters Henk Miedema, auf welcher der ZFI im Wesentlichen beruht, werden «signifikant» weniger Personen «stark vom Fluglärm gestört» als auf der Grundlage der geltenden Lärmschutzverordnung des Bundes, die sich nach der Lärmstudie90 des Zürcher Soziologen Carl Oliva richtet. Ein Beispiel: Bei einem Dauerschallpegel von 70 Dezibel werden in Opfikon nach Miedema 38,5 Prozent der Bevölkerung stark durch den Lärm gestört, nach Oliva 49,7 Prozent. Miedema erfasst allerdings bereits Gebiete, die mit durchschnittlich 42 Dezibel beschallt werden, Oliva erst solche ab 54 Dezibel. Da der Kanton den ZFI für Variantenvergleiche im Prozess um den Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt des Bundes (SIL) einbringen will, sei der Unterschied zwischen den Methoden von Miedema und Oliva durchaus relevant, befand Morf.

Die nächtlichen Aufwachreaktionen werden vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR), das die ZFI-Berechnungsformel für die Nacht lieferte, ganz unterschiedlich beurteilt als in vergleichbaren Lärmstudien der ETH Zürich (vgl. «Landbote» vom 4. Oktober 2005). Laut DLR beträgt die Aufwachwahrscheinlichkeit bei einem Überflug mit ohrenbetäubenden 90 Dezibel ungefähr 10 Prozent.

Für Bewegungsplafond

Mit anderen Worten: Laut ZFI braucht es zehn 90-Dezibel-Überflüge, damit eine Aufwachreaktion eintritt. Laut ETH braucht es zehn 55-Dezibel-Flüge, um aufzuwachen. Dass aber die Tagesrandstunden besser berücksichtigt werden, wertet Morf positiv. Allerdings dürfe die Wirkung auf die ZFI-Formel nicht überschätzt werden. Dadurch ergebe sich zwar ein um 20 Prozent grösseres Gebiet, das erfasst wird, aber dennoch nur 1 Prozent mehr stark belästigte Menschen. Laut Morf garantiert der Ausgangswert von 326\'000 Flugbewegungen dem Flughafen, dass er ungestört wachsen kann. Weil die Tendenz der leiseren Flugzeuge anhält, übersteige das Potenzial von Flugbewegungen gar jenes des Pistensystems, das ca. 350\'000 Bewegungen aufnehmen kann. «Mit dem ZFI wird der Regierungsrat nie in die Situation kommen, irgendwelche Gegenmassnahmen zu unternehmen, so lange ich lebe», prognostizierte der 53-jährige Morf. Er könne dem ZFI in der nun vorliegenden Form nicht zustimmen. HEV-Sektionspräsident Gossweiler stört am meisten, dass die Bevölkerung mit dem ZFI nicht von den zunehmend leiseren Flugzeugen profitiert. Er setzt auf einen Bewegungsplafond, weil das transparenter ist.

Das ist allerdings nicht unbedingt die Meinung des kantonalen oder gar schweizerischen HEV, die sich noch nicht öffentlich zum ZFI geäussert haben. Der HEV Winterthur und Umgebung, mit 12\'000 Mitgliedern rund viermal so gross wie die Dübendorfer Sektion, ist gegen einen Bewegungsplafond, wie Geschäftsleiter Lukas Kramer auf Anfrage erklärte. Er findet Fuhrers Ansatz der Lärmkontingentierung tauglicher.

Der Landbote, 29.09.2006