Gekröpfter Nordanflug für den Aargau nicht mehr tabu (TA)

Publiziert von VFSNinfo am

Die Aargauer Regierung spricht sich aus volkswirtschaftlichen Gründen gegen einen Plafond der Flugbewegungen aus. Und auch der gekröpfte Nordanflug ist kein Tabu mehr.

Von Peter W. Frey

Aarau  – Wenn es um Fluglärm und den Flughafen Zürich ging, vertrat bisher der zuständige Bau- und Verkehrsdirektor Peter C. Beyeler (FDP) in der Öffentlichkeit allein die Position des Aargaus. Nicht so gestern Freitag: Zur Medienkonferenz über die strategischen Grundsätze der Aargauer Flughafenpolitik wurde Beyeler erstmals vom parteilosen Landammann und Volkswirtschaftsminister Kurt Wernli begleitet. Ein Unterschied mit Signalwirkung: Die Aargauer Regierung stellt jetzt in ihrer Flughafenpolitik volkswirtschaftliche Überlegungen an die Spitze. Der Flughafen sei auch für den Aargau Wirtschaftsmotor und Tor zur Welt, sagte Wernli. Arbeitsplätze von 4700 Aargauerinnen und Aargauern würden direkt vom Flughafen abhängen. «Der Betrieb des Flughafens Zürich generiert nachhaltig positive Effekte für die Wirtschaft.» Der Kanton unterstütze deshalb ein «nachfrageorientiertes und nachhaltiges Wachstum des Flughafens», heisst es in einem Grundsatzpapier des Regierungsrats. Und dieses Wachstum sieht der Aargauer Volkswirtschaftsminister durch eine Plafonierung der Flugbewegungen gefährdet. Bei einer Plafonierung auf 320 000 Bewegungen sinke die Wertschöpfung des Flughafens um 11 Prozent, bei einem Plafond von 250 000 gar um 30 Prozent, zitierte Wernli die Infras-Studie vom letzten Jahr.

Die Aargauer Regierung zieht deshalb bei einer Plafonierung eine negative Bilanz. Zum gleichen Schluss kommt man im Fall, dass Zürich seine Funktion als Swiss-Hub verlieren würde. Kurt Wernli formulierte vor den Medien: «Die volkswirtschaftlichen Verluste sind grösser als der Nutzen aus geringeren Umweltbelastungen.» Das ist eine klar andere Gewichtung als noch vor zwei Jahren. In der Vernehmlassung zum vorläufigen Betriebsreglement des Flughafens machte sich der Aargau noch ohne Wenn und Aber für einen Plafond stark: «Die Anzahl der Flugbewegungen ist (. . .) auf 280 000 zu beschränken.»

Kein Ersatz für die Südanflüge

Eine völlige Kehrtwende in der Aargauer Flughafenpolitik ist dies allerdings nicht, wie Regierungsrat Peter C. Beyeler deutlich machte. Bestehen bleibt die Forderung, dass das Wachstum für die Bevölkerung des Aargaus nicht zu übermässigen Lärmimmission führen darf und dass die Bewegungen räumlich fair auf definierten Flugstrassen verteilt werden müssen. Dies ausdrücklich «unter Einbezug aller Himmelsrichtungen ».  Dem von Zürich forcierten gekröpften Nordanflug über das untere Aaretal und das Surbtal widersetzt sich die Aargauer Regierung nicht mehr grundsätzlich, knüpft ihn aber an Bedingungen. So müsse etwa der Anflug aus dem Fricktaler Warteraum Gipol höher beginnen und steiler absinken. Der gekröpfte Nordanflug dürfe aber unter keinen Umständen zum Ersatz für die Südanflüge werden.

Für die 70 Prozent Abflüge Richtung Westen tief über den Mutschellen forderte Peter C. Beyeler steilere Steigwinkel, um die Lärmimmissionen zu senken. In Bellikon hätten sich die Überflüge von 1999 bis 2005 auf 47 000 verdoppelt: «Dort ist die Grenze der Zumutbarkeit erreicht.» Zum umstrittenen Zürcher Fluglärmindex (ZFI) äusserte der Aargauer Baudirektor zurückhaltend: Der ZFI sei ein «interessanter positiver Ansatz für die Beurteilung von Betriebsvarianten». Doch über die konkrete Betroffenheit eines Einzelnen durch Fluglärm könne auch der Index keine Aussagen machen.

TA, 16.09.2006, Seite 18