Uneinig bei Strassen und Umwelt (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Am liebsten würde Ruth Genner als Baudirektorin keine neuen Strassen bauen. Ursula Gut wirbt für eine ganzheitliche Verkehrspolitik – die Kandidatinnen für den Regierungsrat im Gespräch.

Mit
  Ursula Gut ( FDP) und Ruth Genner ( Grüne) sprachen Daniel Schneebeli und Roger Keller

Auszug, die flughafenrelevanten Fragen zuerst:

Frau Gut, im Osten des Kantons ist die Skepsis gross, dass Sie im Fluglärmforum Süd gegen die Südanflüge kämpfen, um damit dem Osten mehr Anflüge zu überbürden.
 

Gut:
  So ist es nicht. Ich habe mich ganz klar auch gegen mehr Ostanflüge ausgesprochen und plädiere für die Nordausrichtung des Flughafens, mit dem gekröpften Nordanflug und neuen Gesprächen mit Deutschland darüber. Zudem lässt sich unsere Kritik nicht auf die Zürichsee- Gemeinden reduzieren – die Stadt Zürich ist gleicher Meinung wie wir, weil Schwamendingen noch viel mehr betroffen ist.
Bewegungslimiten für den Flughafen stehe ich im Übrigen kritisch gegenüber – eher bin ich für Lärmlimiten, so wie es die Regierung mit ihrem Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative plant.
 

Genner:
  Für mich ist eine achtstündige Nachtruhepause das Wichtigste. Ausserdem muss man die Zahl der Bewegungen auf 250 000 limitieren, weil das Wachstum in einem derart dichten Gebiet nicht beliebig sein kann und weil man die Bewegungen, anders als den Lärm, gut erheben kann. Man könnte die Start- und Landebewilligungen zum Beispiel versteigern, um zu bestimmen, wer Kloten anfliegen darf.
Erst nach einer Plafonierung kann man über die Verteilung reden.
 

Gut:
  Eine solche Plafonierung wäre gesamtwirtschaftlich verheerend. Der Kanton Zürich ist abhängig vom Flughafen.

Wie wollen Sie eine solche Begrenzung jenen Leuten schmackhaft machen, die dann ihre Stelle verlieren werden?

Genner:
  Der Flughafen entwickelt sich ja ohnehin zu einem Grosswarenhaus. Immer mehr Leute, die am Flughafen arbeiten, leben doch gar nicht mehr von der Fliegerei. Der Flughafen kann auch so wachsen. Er muss nur der Region dienen, nicht aus ganz Europa noch Umsteigepassagiere anziehen. Das ist ein Unsinn.

Mit weniger Bewegungen fehlen aber auch die Kunden in den Läden, und es braucht weniger Jobs für das Handling der Flüge.
 

Genner:
  Eben nicht. Die Läden leben schon lange nicht mehr nur von den Passagieren. Arbeitsplätze wie sie für das Flughandling benötigt werden, sind nicht gut bezahlt. Solche hätte ich lieber anderswo, in der Stadt zum Beispiel. Im Moment hat der Flughafen nur wenig mehr als 250 000 Bewegungen.
 

Gut:
  Es ist klar: Das würde zu einem massiven Stellenabbau führen. Zudem brauchen wir nicht nur Stellen für Leute wie uns, die ein Studium gemacht haben.

 

Das ganze Interview:

 In der Regierung braucht es nach dem Krach um Dorothée Fierz eine konstruktivere Zusammenarbeit. Da wollen Sie mittun, Frau Genner, obwohl Sie beim erbitterten Parteistreit der Grünen mit Regierungsrätin Verena Diener ( GLP) im Clinch waren?

Ruth Genner:
  Wir hatten inzwischen wieder Gespräche, ich als Präsidentin der Grünen Schweiz und sie damals als Präsidentin der Grünliberalen des Kantons Zürich. Das war sehr gut möglich.

Aber ein Gespräch sagt noch lange nichts über eine Zusammenarbeit aus.
 

Genner:
  Wir konnten immer sachlich diskutieren. Zwischen uns hat es nie einen persönlichen Krach gegeben.

FDP- Präsidentin Doris Fiala hat den Regierungsrat mit einem Haifischbecken verglichen. Haben Sie keine Angst vor dem Sprung in dieses Raubtierbecken?

Ursula Gut
  ( lacht): Nein, Wasser ist mein Element. Ich schwimme gerne und fühle mich darin wohl. Den Haifischen kann ich schon ausweichen. Ich schaue überhaupt zuerst einmal, ob es wirklich Haifische hat. Ich bin es gewohnt, in einem Kollegium zu arbeiten und den Blick für das Ganze zu haben, als Finanzvorsteherin und jetzt als Gemeindepräsidentin in Küsnacht. Aber ich erwarte natürlich auch, dass die Auseinandersetzungen im Regierungsrat härter sein werden als bei uns im Gemeinderat.
 

Genner:
  Ich halte es für verheerend, eine kantonale Regierung als Haifischbecken zu bezeichnen. Richtig ist nur, dass die einzelnen Direktionen stark für sich arbeiten und der Gesamtblick zu wenig vorhanden ist. Mit vier Mitgliedern der Regierung habe ich schon im Kantonsrat zusammengearbeitet, nämlich Rita Fuhrer, Ruedi Jeker, Markus Notter und Regine Aeppli, und mit Hans Hollenstein habe ich einen Wahlkampf auf einer guten Basis geführt. Ich kenne sie also und habe keine Berührungsängste.

Wer von Ihnen am 9. Juli gewählt wird, wird Baudirektorin. Und damit, nach der Ämterrochade, auch Umweltdirektorin. Auf der Homepage von Ihnen, Frau Gut, geht es fast nur ums Geld – der Umweltschutz ist kein Thema. Interessiert Sie das nicht?

Gut:
  Doch, natürlich ist mir der Umweltschutz wichtig. Sie können sich darüber in Küsnacht informieren: Wir sind seit langem Energiestadt und seit einem Jahr eine urwaldfreundliche Gemeinde, wir  haben ein Grünkonzept, wir fördern das Minergie- Konzept, und ein ganz grosses Anliegen ist mir der Landschaftsschutz.

Gleichzeitig sagen Sie « eher Ja » zum Bau einer zweiten Gotthardröhre. Das hat mit Umweltschutz aber gar nichts zu tun.
 

Gut:
  Es gilt eben immer, situationsbezogen abzuwägen, was man höher gewichten soll. Ein Verkehrskollaps ist jedenfalls auch nicht umweltfreundlich.

Hätten Sie Tempo 80 auf Autobahnen wegen des hohen Feinstaubgehalts in der Luft auch befürwortet und eingeführt?

Gut:
  Nein, wahrscheinlich nicht. Das war meines Erachtens ein Schnellschuss.
Aber ich kenne die Zahlen dazu nicht.
 

Genner:
  Die Zahlen beweisen, dass Tempo 80 etwas gebracht hat. Klar ist auch, dass die Luftreinhalteverordnung und die Lärmvorschriften im Kanton Zürich nicht eingehalten werden. Da würde ich zum Schutz der Bevölkerung mehr tun wollen, schon in der Planung, damit es nicht zu diesen hohen Belastungen und solchen Feuerwehrübungen kommt.

Gilt Ihre kritische Haltung, Frau Gut, auch für Strassensperren oder Roadpricing?

Gut:
  Man muss die Gesamtverkehrssituation genau anschauen. Wenn es in den teuren Zeiten einfach zu einer Überlastung des öffentlichen Verkehrs kommt, bringt dies der Umwelt auch nichts.

Gehört zu Ihrem Repertoire, Frau Genner, auch ein Verbot von Offroadern, wie es Ihre Partei, die Grünen, verlangen?

Genner:
  Wir wollen sie nicht verbieten, sondern höher besteuern. Man kann sich auch fragen, ob man in Städten, wo es sie wirklich nicht braucht, Zonen schaffen soll, in denen sie nicht verkehren dürfen.
Das liesse sich problemlos signalisieren.

Anstehende konkrete Strassenprojekte sind die Oberlandautobahn und die dritte Röhre durch den Gubrist. Braucht es sie?

Gut:
  Die Oberlandautobahn sicher ja, die dritte Gubriströhre eher ja.
 

Genner:
  Ich würde mich gegen die dritte Gubriströhre sicher wehren. Bei der Oberlandautobahn kenne ich den Stand zu wenig, aber ich bin grundsätzlich gegen neue Strassen im Kanton Zürich, denn die Belastung durch den Strassenverkehr ist schon sehr hoch.

Dann sind Sie ja völlig masochistisch veranlagt: Als Baudirektorin müssten Sie all die Strassen bauen und einweihen, die Rita Fuhrer in Auftrag gibt. Macht das Spass?

Genner
  ( lacht): Ich werde im Strassenbau sicher eine schwierige Zeit haben und hätte Mühe, wenn schöne Naturlandschaften kaputtgingen. Aber es gibt in der Baudirektion auch andere Bereiche, die mir mehr Gestaltungsfreiheit lassen würden.

Wir müssen beim öffentlichen Verkehr nochmals einen grossen Sprung machen, wenn der Bahnhof Löwenstrasse kommt.
 

Gut:
  Ich fahre auch mit dem Zug zur Arbeit nach Zürich. Aber nur schon bei geringen Störungen kommt es in Zürich immer wieder zum Kollaps, und unzählige Menschen sitzen fest. Undenkbar, wenn das Strassennetz ungenügend wäre. Deshalb brauchen wir auch neue Strassen, und wir müssen beide Verkehrsträger sorgfältig aufeinander abstimmen.
 

Genner:
  Wir können es uns finanziell und umweltpolitisch nicht mehr leisten, zwei Verkehrssysteme auszubauen.
 

Gut:
  Aber es leiden auch viele Dörfer, gerade im Oberland, unter dem Verkehr.
Deshalb befürworte ich Umfahrungen.
 

Genner:
  Umfahrungen bringen nur etwas, wenn man in den Dörfern konsequent den Verkehr beruhigt.
 

Gut:
  Das ist klar und für mich selbstverständlich. Wir haben in Küsnacht zum Beispiel auch Tempo 30 eingeführt.


Heisst Ihre Aussage, Frau Genner, dass Rita Fuhrer doch lieber gleich das ganze Tiefbauamt übernehmen sollte, damit Sie nicht all diese Bänder bei den Strasseneröffnungen durchschneiden müssen?

Genner:
  Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich kenne die Details der Aufteilung des Tiefbauamtes zu wenig.
 

Gut:
  Ich halte nichts davon, diese Diskussion neu aufzuwärmen. Ich würde die neue Aufteilung so antreten, wie sie ist.
 

Genner:
  Es dauert nicht mal ein Jahr bis zur Gesamterneuerungswahl. Da muss man bei den Betroffenen erst einmal wieder Vertrauen schaffen.

Vertrauen schaffen? Wie wollen Sie das tun, wenn Sie keine Strassen bauen wollen?

Genner:
  Es kommt ja auch noch darauf an, wie man neue Strassen baut. Wenn eine solche Aufgabe auf einem Mehrheitsauftrag der Regierung beruht, werde ich mich dem fügen.

Energiefragen gehören ebenfalls zur Baudirektion. Wie sollen EKZ und Axpo die drohende Versorgungslücke bewältigen?

Genner:
  Mit mehr Energieeffizienz. Es ist ein Widerspruch, dass jene, die am Strom verdienen, uns sagen sollen, wie man weniger verbraucht. Da muss der Staat mehr tun, zum Beispiel mit Promotionen und Labels; die Stadt Zürich tut da viel mehr. Es gibt unabhängige Studien, die zeigen, dass man die Lücke mit Alternativenergien und Effizienzsteigerung ohne ein neues AKW schliessen kann.
 

Gut:
  Ich bin auch für alternative Energien, engagiere mich dafür und kaufe selber Naturstrom. Aber ohne Kernenergie wird es nicht gehen – wir würden so unseren Wohlstand gefährden.

Vom Wohlstand zum Geld. War es ein  Fehler, dass der Kantonsrat den Steuerfuss im Dezember 2005 nicht erhöht hat?

Genner:
  Ich finde es schade, dass das Nationalbank- Gold in die Laufende Rechnung geflossen ist. Damit wurde eine absolut einmalige Chance vertan, und es profitieren jene, die viel Steuern zahlen, überproportional vom Gold.
 

Gut:
  Einfach verbraucht wird es trotzdem nicht, sondern es stärkt das Eigenkapital. Aber tatsächlich – das Geld wurde nicht einer speziellen, langfristigen Verwendung zugeführt, was ich zumindest für einen Teil gerne gesehen hätte. Aber dafür fehlte die gesetzliche Grundlage. Der Steuerfuss soll möglichst tief sein, aber im Moment liegt er richtig.
 

Genner:
  Ein Thema bleibt aber die Steuergerechtigkeit. Ich sehe nicht ein, weshalb man in einzelnen Gemeinden für bessere Leistungen so viel weniger bezahlen muss.

Sie würden den Finanzausgleich also verschärfen, Frau Genner, konkret also mehr kassieren bei den reichen Gemeinden?

Genner
  Ja, das ist so.
 

Gut:
  Da bin ich anderer Meinung. Wir müssen den Finanzausgleich so verbessern, dass auch für finanzschwache Gemeinden ein Anreiz besteht, ihre Situation zu verbessern, und dass sie für ihre Sparübungen nicht bestraft werden. Darauf warten wir schon lange, aber Herr Notter verschiebt diese Vorlage von Jahr zu Jahr.
Schauen Sie, Küsnacht zahlt heute 80 Prozent seiner Einnahmen in den Finanzausgleich. Damit ist die Grenze erreicht, und es macht keinen Sinn, wenn vermögende Leute nach Freienbach SZ zügeln. Das bringt auch den finanzschwachen Gemeinden wie Winterthur nichts.

Wie soll der Kanton die Millionäre davon abhalten auszuwandern, Frau Genner?

Genner:
  Wir müssen die Stärken des Kantons besser pflegen. Die gute Lebensqualität ist viel wichtiger als der Steuerfuss, der kein zentrales Problem ist. Wenn wir aber Leistungen abbauen, wirkt das in diesem von den bürgerlichen Parteien geförderten Steuer- Konkurrenzkampf der Kantone destabilisierend.

Der Regierungsrat hat kürzlich angekündigt, dass er den Investitionsplan kürzt und zeitlich streckt. Ist das richtig?

Gut:
  Ja, man muss die Investitionen immer wieder überprüfen.

Die Grünen wollen dabei einfach das Polizei- und Justizzentrum aus dem Investitionsplan haben. Teilen Sie diese Meinung?

Genner:
  Ob das PJZ in dieser Dimension nötig ist, kann ich schlecht abschätzen. Mich dünkt es etwas gross. Ich glaube, diese Dimension ist nicht nötig.

Aber ist das nicht etwas seltsam: Da gibt es ja einen Volksentscheid für das Projekt!

Genner:
  Deswegen kann man das Projekt trotzdem nochmals anschauen.

Frau Gut, im Osten des Kantons ist die Skepsis gross, dass Sie im Fluglärmforum Süd gegen die Südanflüge kämpfen, um damit dem Osten mehr Anflüge zu überbürden.
 

Gut:
  So ist es nicht. Ich habe mich ganz klar auch gegen mehr Ostanflüge ausgesprochen und plädiere für die Nordausrichtung des Flughafens, mit dem gekröpften Nordanflug und neuen Gesprächen mit Deutschland darüber. Zudem lässt sich unsere Kritik nicht auf die Zürichsee- Gemeinden reduzieren – die Stadt Zürich ist gleicher Meinung wie wir, weil Schwamendingen noch viel mehr betroffen ist.
Bewegungslimiten für den Flughafen stehe ich im Übrigen kritisch gegenüber – eher bin ich für Lärmlimiten, so wie es die Regierung mit ihrem Gegenvorschlag zur Plafonierungsinitiative plant.
 

Genner:
  Für mich ist eine achtstündige Nachtruhepause das Wichtigste. Ausserdem muss man die Zahl der Bewegungen auf 250 000 limitieren, weil das Wachstum in einem derart dichten Gebiet nicht beliebig sein kann und weil man die Bewegungen, anders als den Lärm, gut erheben kann. Man könnte die Start- und Landebewilligungen zum Beispiel versteigern, um zu bestimmen, wer Kloten anfliegen darf.
Erst nach einer Plafonierung kann man über die Verteilung reden.
 

Gut:
  Eine solche Plafonierung wäre gesamtwirtschaftlich verheerend. Der Kanton Zürich ist abhängig vom Flughafen.

Wie wollen Sie eine solche Begrenzung jenen Leuten schmackhaft machen, die dann ihre Stelle verlieren werden?

Genner:
  Der Flughafen entwickelt sich ja ohnehin zu einem Grosswarenhaus. Immer mehr Leute, die am Flughafen arbeiten, leben doch gar nicht mehr von der Fliegerei. Der Flughafen kann auch so wachsen. Er muss nur der Region dienen, nicht aus ganz Europa noch Umsteigepassagiere anziehen. Das ist ein Unsinn.

Mit weniger Bewegungen fehlen aber auch die Kunden in den Läden, und es braucht weniger Jobs für das Handling der Flüge.
 

Genner:
  Eben nicht. Die Läden leben schon lange nicht mehr nur von den Passagieren. Arbeitsplätze wie sie für das Flughandling benötigt werden, sind nicht gut bezahlt. Solche hätte ich lieber anderswo, in der Stadt zum Beispiel. Im Moment hat der Flughafen nur wenig mehr als 250 000 Bewegungen.
 

Gut:
  Es ist klar: Das würde zu einem massiven Stellenabbau führen. Zudem brauchen wir nicht nur Stellen für Leute wie uns, die ein Studium gemacht haben.

Tages-Anzeiger, 30.05.06, Seite 13/15"