«Südstarts geradeaus sind längst fällig» (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Für Daniel Weder, Chef der Flugsicherung Skyguide, muss der Flughafen Zürich dringend die Verspätungen abbauen.

Mit Daniel Weder (Nürensdorf) sprach Pia Wertheimer (Niederglatt)

Der abgetretene Swiss-Chef Harry Hohmeister wirft Skyguide vor, zusätzliche Sicherheitsabstände zwischen an- und abfliegenden Maschinen eingebaut zu haben. Diese würden den Flugbetrieb in Zürich erschweren.

Das lasse ich nicht gelten. Wir sind für die Sicherheit verantwortlich und müssen den Finger heben, wenn sie gefährdet ist. Das haben wir getan. Wie das Problem gelöst wird, hängt aber nicht allein von uns ab. Wir kooperieren dabei mit drei Partnern – dem Flughafen, dem Bundesamt für Zivilluftfahrt und der Swiss als Vertreterin der Airlines. Die grösseren Abstände zwischen den Fliegern ist eine Massnahme, die wir alle gemeinsam beschlossen haben. Das weiss auch der Ex-Chef der Swiss.

Ist der Flughafen denn nicht sicher?

Doch. Wir haben aber wiederholt darauf hingewiesen, dass die Sicherheitsmarge dünn ist und nicht weiter geschmälert werden darf. Externe Fachleute kamen zum gleichen Schluss.

Würden Sie auf die höhere Sicherheitsmarge verzichten, gäbe es weniger Verspätungen. Und Sie würden damit der Swiss helfen. Weshalb verzichten Sie nicht?

Die Sicherheitsabstände sind nun grösser, doch Sie bezeichnen den Betrieb in Zürich noch immer als suboptimal. Warum?

Die Marge ist immer noch klein. Im Vergleich zu anderen Flughäfen entspricht der Sicherheitspuffer in Zürich noch nicht dem internationalen Standard. Es sind weitere Massnahmen nötig.

Welche?

Wir zielen auf den Abbau von Verspätungen. Sie sind nicht nur für Passagiere und Airlines ärgerlich, sie belasten aus Sicht Flugsicherheit ein ohnehin fehlersensibles System und üben Druck auf die Lotsen aus. Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, um die Kapazität zu erhöhen – wohlgemerkt: um Verspätungen abzubauen und nicht um die Flugbewegungen zu erhöhen. So prüfen wir etwa die Entflechtung des Ostkonzepts. Dieses An- und Abflugregime ist fertig entworfen und könnte eingeführt werden.

Wo klemmt es denn?

Es ist ein Bestandteil der 2014 beantragten Anpassung des Betriebsreglements des Flughafens. Wir warten auf die Stellungnahme aus Deutschland.

Sie bemängeln auch den Betrieb bei Bise. Warum?

Üblicherweise landen wir von Norden her und starten Richtung Westen und Süden. Doch bei Bise müssen die Flugzeuge Richtung Osten starten. Das hat verheerende Konsequenzen für die Kapazität und führt zu massiven Verspätungen. Bei dieser Wetterlage sind Südstarts auf der Piste 16 mit einem Weiterflug geradeaus längst fällig. Diese würden auch massgeblich die Sicherheitsmarge erhöhen und Verspätungen abbauen.

Warum bringen Sie dieses heisse Eisen erst jetzt auf den Tisch?

Man hätte es früher thematisieren können. Doch der Südstart geradeaus ist ein umstrittenes Thema. Es ist wichtig, die Forderung danach gut zu begründen. Gemeinsam mit Experten haben wir den Südstart geradeaus und seine Auswirkungen evaluiert und kamen zum Schluss, dass er für die Verbesserung der Sicherheits- wie der Verspätungs­situation unabdingbar ist.

Ist es der Widerstand aus der Bevölkerung, die Sie in dieser Frage zurückhaltend agieren lässt?

Für Skyguide gilt das nicht. Es braucht eine gewisse Standfestigkeit, wenn man sich für den Südstart geradeaus stark acht. Diese habe ich, und daher fordere ich ihn.

Der Südstart geradeaus würde die Kapazität des Flughafens erhöhen mit der Folge, dass Skyguide besser verdienen würde. Sind Sie deshalb dafür?

Das ist völlig aus der Luft gegriffen. Es geht um ein anderes Problem – die Situation bei Bisenlage zeigt es exemplarisch: Kommt es zu einer starken Reduktion der normalen Kapazität, hat dies Verspätungen zur Folge. Dies wiederum führt dazu, dass innerhalb der Nachtflugsperre Maschinen starten müssen, um Verspätungen abzubauen.

Wird die Skyguide bei Verspätungen zur Kasse gebeten?

Nein. Skyguide hat eine sehr gute Pünktlichkeitsstatistik.

Sie loben Ihre Pünktlichkeit – derweil zeigt eine Studie auf, dass sich die Pünktlichkeit in Zürich drastisch verschlechtert hat. Wie geht das zusammen?

Skyguide verursacht Unpünktlichkeit nur, wenn es an Personal fehlt oder bei Systemausfällen – und das kommt kaum vor.

Bietet der Flughafen zu viele Flugbewegungen an?

Das kann man so sehen. Die Morgen- und Mittagsspitzen sind überlastet.

Würde der Vorschlag von Harry Hohmeister, den Südstart geradeaus über Mittag einzuführen, Abhilfe schaffen?

Ja. Er würde die Flugwege entflechten. Das heisst: Er würde kleinere Sicherheitsabstände ermöglichen, weniger Verspätungen bedeuten und so für mehr Nachtruhe sorgen.

Der Südstart geradeaus würde über dicht besiedeltes Gebiet führen, was nicht nur ein Lärmproblem ist. Stürzt ein Flieger auf diesem Weg ab, will man sich die Konsequenzen nicht vorstellen.

Ich gebe zwei Dinge zu bedenken: Erstens ist das Verhalten einer Maschine in Not kaum vorhersehbar. Zweitens zeigt der internationale Vergleich, wie tief dieses Risiko in der Realität ist – auch in San Francisco, New York oder London führen die Flugwege über dicht besiedeltes Gebiet.

Auf dem Pistenkreuz des Flughafens Zürich kommt es regelmässig zu kritischen Situationen – öfter als auf den Pistenkreuzen anderer Flughäfen. Warum das?

In Zürich benutzen wir während rund 80 Prozent der Betriebszeit das Pistenkreuz, viel häufiger als sonst irgendwo in Europa. Zudem geht es hier nicht nur um das Pistenkreuz. In Zürich tragen verschiedene Parameter dazu bei, dass die Situation für den Flugverkehrsleiter komplex ist. Ich denke an die topogra­fischen Gegebenheiten mit Hügelzügen oder an den Mischverkehr: dass zwischen den grossen Passagiermaschinen auch Kleinflieger starten und landen. Vor allem aber denke ich an die politischen Einschränkungen.

Kann sich der Flughafen unter den heutigen Gegebenheiten noch entwickeln?

Weil die Sicherheit unser höchstes Gut ist und wir energisch und konsequent für sie einstehen. Es wäre unverantwortlich, wenn wir untätig blieben, nachdem ein Bericht aufzeigt, dass die Sicherheitsmarge in Zürich knapp ist.

Zunächst geht es darum, die Verspätungen abzubauen. Dann hat er Potenzial, sofern die nötigen Massnahmen ergriffen werden – etwa der Südstart geradeaus. Ohne diesen ist das Wachstum beschränkt. Der Südstart geradeaus muss Eingang in die Planungsgrundlagen finden. Andernfalls wird sich der Flughafen langfristig nicht entwickeln können.

Tages-Anzeiger, 04.02.2016


Da stellen sich dem VFSN drei Fragen:

  • Als es um den GNA ging behauptete Skyguide, dass es ihr nicht zustehe irgend etwas zu forden oder zu pushen. Skyguide würde genau das machen zu was sie beauftragt wird. Ein Einmischen in politische Fragen seien für die Skyguide tabu. Jetzt fordert der Skyguide-Chef lauthals Südstarts geradeaus. Woher kommt dieser  Richtungswechslel um 180 Grad?
  • Wieso lässt die Chefredaktion des TA eine Journalistin gewähren die offensichtlich wohnortbedingt derart einseitige Artikel schreibt?
  • Wo bleiben die Publizistische Leitlinien des Tages-Anzeigers und die offensichtlich butterweichen eisernen Regeln?

 


siehe auch: Meinungs-Journalismus im Tages Anzeiger in Reinkultur (Leserbriefe)