Keine Freude an den Verhandlungen mit Deutschland (ZU)

Publiziert von VFSNinfo am
In Bülach hat die Goldküste mit dem Unterland diskutiert. Wenig begeistert ist der Süden von der Idee, dass 137 Gemeinden aus dem Einzugsgebiet des Flughafens eigenmächtig Gespräche mit Deutschland führen.

«Flughafen: Fluch oder Segen?» – unter diesem Titel luden die Bezirksparteien der SP und der FDP am Mittwochabend zu einer Podiumsdiskussion im Restaurant Goldener Kopf in Bülach ein. Dem nur spärlich anwesenden Publikum – die Debatte unter der Leitung von ZU-Chefredaktor Benjamin Geiger wurde lediglich von knapp 20 Zuhörern verfolgt – präsentierten die Parteien zwei interessant zusammengestellte Diskussionspärchen: Aufseiten der SP diskutierte Nationalrat Thomas Hardegger, Gemeindepräsident von Rümlang und Präsident des Schutzverbands der Bevölkerung um den Flughafen Zürich. Ebenfalls für die SP sprach Priska Seiler Graf, Stadträtin von Kloten, Kantonsrätin und Präsidentin des Dachverbands Fluglärmschutz. Die FDP trat mit dem Zolliker Nationalrat Beat Walti an, Mitglied des Komitees Pro Flughafen und seit 2008 Präsident der FDP Kanton Zürich. Ebenfalls für die Liberalen diskutierte Ursula Gross Leemann, Gemeinderätin von Küsnacht.

Damit ergab sich folgende Konstellation: Zwei Linke – ein Nationalrat und eine Nationalratskandidatin, beide ausgebildete Lehrer – aus zwei benachbarten Gemeinden, die direkt an den Flughafen angrenzen und in welchen der Lärm ein Dauerthema ist, gegen zwei Freisinnige – wieder ein Nationalrat und eine Nationalratskandidatin, beide Anwälte – aus zwei benachbarten Gemeinden an der Goldküste, für welche vor allem eine mögliche Vergrösserung von Starts gegen Süden ein Thema ist.

Wenig Verständnis für Gespräche mit Deutschland

Die Positionen waren also klar. Trotzdem vermieden es die Diskutierenden zu Beginn der knapp 100-minütigen Debatte, sich gegenseitig stark anzugreifen. Priska Seiler Graf brachte ein gewisses Verständnis für die Gemeinden im Süden auf: «Eine Veränderung von kein Fluglärm auf ein wenig Fluglärm – das stört, das kann ich nachvollziehen. Und der Fluglärm am Morgen ist am schlimmsten, auch das muss ich dem Süden anerkennen.» Thomas Hardegger bemerkte, dass die Medien die Front zwischen dem Süden und den Gemeinden aus den übrigen Himmelsrichtungen in der Flughafendebatte gerne betonen. «Genau das ist bei dem Konzept (dabei geht es darum, dem Flughafen über die Mittagszeit weitere Kapazität zu ermöglichen, Anm. d. Red.) passiert, welches 137 Gemeinden aus dem Norden, Osten und Westen vor kurzem vorgestellt haben: Den Medien ging es nicht um die Kompromissfähigkeit des Konzepts, sondern sie haben insbesondere das Konfliktpotenzial mit dem Süden aufgezeigt. Man hat vor allem dar­auf gespielt, zu sagen: ‹Jetzt wollt ihr alles über den Süden rauslassen.› Tatsache ist: Mit unserem Vorschlag gäbe es keinen einzigen Südstart zusätzlich, sie würden einfach lärmgünstiger geflogen. Wir suchen das Gespräch, gerade heute hatten wir ein Treffen mit Gemeinden aus dem Süden.»

Die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft bestätigten die Teilnehmer aus dem Süden: «Ich bin absolut für konstruktive Lösungen. Aber man kann die Diskussion nicht nur auf der Ebene Lärm führen. Für mich kommt die Sicherheit an erster Stelle. Am liebsten wäre mir eigentlich, man könnte den Flughafen von Grund auf neu und von der Sicherheit her planen.»

Die Nationalräte und solche, die es werden wollen, konnten aber auch kritisieren. Beat Walti war zum Beispiel wenig davon begeistert, dass nun 137 Gemeinden eigenmächtig mit Deutschland über das Flugregime sprechen wollten: «Ich glaube nicht, dass es hilft, wenn auf verschiedenen Ebenen Ideen und Offerten gemacht werden, um die Fronten zwischen uns und Deutschland zu klären. Sich zuerst innerstaatlich auf einen gangbaren Weg zu einigen, halte ich für erfolgversprechender.» Für Walti – wie auch für die anderen drei Diskutierenden – waren die Verhandlungen mit Deutschland generell ein wichtiges Thema: «Dass sich die Schweiz rein von der Methodik her mit Deutschland nicht findet, zeigt mir, dass bei den Verhandlungen vieles im Argen liegt.»

Auch Hardegger liess kein gutes Haar an der bisherigen Verhandlungsstrategie der Schweiz. «Die Schweiz war so dumm und hat die DVO (die deutsche Durchführungsverordnung, welche unter anderem Nordanflüge über deutsches Gebiet regelt, Anm. d. Red.) angefochten. Nachdem Deutschland jetzt vom Europäischen Gerichtshof recht bekommen hat, werden die Deutschen nie mehr unter die Bedingungen der DVO zurückgehen», kritisierte er.

Keine klare Antwort bei der Frage nach Zusammenarbeit

Ob der Süden in Zukunft enger mit den Gemeinden aus den übrigen drei Himmelsrichtungen zusammenarbeiten wird, ging aus der Diskussion am Ende nicht hervor. So wollte etwa Seiler Graf Moderator Geigers Vorschlag, die Flughafenanrainer könnten sich doch mit dem Süden insofern einigen, als sie einer möglichen Verlängerung der Piste 28 zustimmen könnten, wenn der Süden dafür eine begrenzte Anzahl Starts in seine Richtung in Kauf nehmen würde, nicht mit einem klaren Ja zustimmen: «Das klingt zwar gar nicht blöd. Aber: Wir haben einfach das Vertrauen nicht mehr in den Flughafen und in die Behörden. Bei der fünften Ausbauetappe zum Beispiel nannte man dem Stimmvolk die Zahl von 250 000 Flugbewegungen pro Jahr. Und nachher war man Anfang 2000 weit über dieser Zahl. Die Bevölkerung wurde wieder und wieder an der Nase herumgeführt. Wenn ich glauben könnte, dass die Westpistenverlängerung nur wegen Sicherheitsfragen gemacht würde, könnte ich mich vielleicht noch damit einverstanden erklären. Aber ich glaube es nicht!»

Nicht zuletzt in diesem Punkt wurde deutlich, wo sich die Vertreter der SP und der FDP ganz und gar nicht einig sind. Während Hardegger und Seiler Graf für ihre Gemeinden etwa bei der Entwicklung und der Nachtruhe klare Grenzen für den Flughafen fordern – «Wir müssen sagen können: bis hierhin und nicht weiter!», sagte Seiler Graf –, will man bei der FDP alle möglichen Entwicklungen berücksichtigen. «Wenn wir jetzt die Grenzen zu eng setzen, verhauen wir uns alles», sagte Gross Leemann.

Zürcher Unterländer, 03.09.2015