Zürcher Flughafenchef bezieht Stellung zum Fluglärm-Staatsvertrag (Südkurier)

Publiziert von VFSNinfo am
Thomas E. Kern Zürcher Flughafen erläutert, was der deutsch-schweizerische Staatsvertrag für den Flugbetrieb bedeutet. CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung beharrt aber auf Nachverhandlungen. Der Bodenseerat appelliert, strittige Punkte rasch zu klären.

Was ist der kleinste gemeinsame Nenner in der Auseinandersetzung um den deutsch-schweizerischen Staatsvertrag zum Flughafen Zürich? Der Bodenseerat hat diese Operationsbasis formuliert. Die parlamentsähnliche Organisation, der Vertreter aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein angehören, verabschiedete in ihrer Sitzung am Samstag in Konstanz einen Appell. Darin werden die Staatsvertragspartner gebeten, die offenen Fragen zum Flugbetrieb „völkerrechtlich verbindlich zu klären und Akzeptanz herzustellen". 

Kern: Lärmbelästigung liege überwiegend in der Schweiz

Wie die Flughafenbetreiber selbst die Sache sehen, erläuterte zuvor Thomas E. Kern, der Direktor das Airport Zürich, Kern verwies auf die grenzüberschreitende Bedeutung der „Schlüsselinfrastruktur": 15 Prozent der Passagiere kommen aus Deutschland, 31 Prozent aus der Schweiz, aus Konstanz immerhin 2,5 Prozent. Die drei bedeutendsten Fluggesellschaften mit einem Passagieranteil von 66 Prozent am Standort sind laut Kern Unternehmen der deutschen Lufthansa. Und es seien auch deutsche Kommunen, die mit dem Flughafen Zürich werben. Der Flughafenchef zitierte aus einer Imagebroschüre der Stadt Singen. Später, in der Diskussion, sprach er von einem deutschen Flughafen auf Schweizer Gebiet.

Mit Blick auf den Staatsvertrag stellte Kern als großen Vorzug für Südbaden die Verlängerung der Sperrzeiten um 16,5 Stunden pro Woche über deutschem Gebiet heraus. Für den Flughafenbetrieb mache diese Vereinbarung die Sache deutlich schwieriger: 25\'000 Umwegflüge pro Jahr müssten einkalkuliert werden.

„Die Lärmbelastung liegt überwiegend in der Schweiz", so Kern. Zwar würden derzeit 78 Prozent der Anflüge über deutsches Gebiet geführt, aber alle Starts allein über das Schweizer Staatsgebiet abgewickelt. Als der Flughafendirektor, der auch seinen Betriebsleiter Stefan Conrad mitgebracht hatte, mit Hilfe von Schaubildern und Zahlenkolonnen An-und Abflugkonzepte erläutert, zeigt sich, dass der Flugbetrieb eine äußerst komplexe Angelegenheit ist, und dass die Bewegungen am Zürcher Airport eingepasst werden müssen in ein „Autobahnsystem der Lüfte". Mit dem Staatsvertrag schaffe man Planungssicherheit für den Airport, warb Kern.

 

Andreas Jung und Uli Burchardt äußern Kritik

Der Konstanzer CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung benannte die aus deutscher Sicht im Staatsertrag strittigen Punkte: Die Zahl der Anflüge über Deutschland sollen auf 80\'000 pro Jahr begrenzt werden. Derzeit sind es über 100\'000. Strittig sind auch Flugrouten, hier seien in den Verhandlungen verbindliche mündliche Zusagen nicht eingehalten worden. Ein dritter Punkt ist die Absenkung der Flughöhen. Alle diese Dinge verlangten eine völkerrechtlich verbindliche Klärung und dürften nicht in Begleittexten und Erläuterungen geregelt werden.

Für die deutsche Seite stellte Jung fest: „Der Staatsvertrag hat so wie er jetzt vorliegt keine Chance auf Ratifizierung." In der Flughafenfrage sei Vertrauen verloren gegangen.

Für die Stadt Konstanz stellte Oberbürgermeister Uli Burchardt heraus: „Wir bekennen uns zum internationalen Flughafen Zürich, wir brauchen aber einen fairen Interessenausgleich." Es könne nicht sein, dass der Vertrag in der Schweiz ganz anders interpretiert werde als in Deutschland. Ein Schweizer Nationalrat sagte später, es sei nicht zielführend, wenn beide Seiten einseitige Erklärungen abgeben. Die Position des Bodenseerats erläuterte dessen Vizepräsident und Moderator der Veranstaltung, Robert Maus. Der Flughafen sei für die Euregio Bodensee von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Ohne ihn könnten Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten nicht existieren. Auch in Beiträgen einiger Teilnehmer kam zum Ausdruck, dass die Dauerdiskussion um den Fluglärm Nachteile bringen könnte. Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, forderte: „Wir sollten das Ding schleunigst unter Dach und Fach kriegen."

Wie schwierig die Lage beim Thema Staatsvertrag ist, zeigte eine Information von Moderator Robert Maus an die Versammlung. Er zitierte aus einem Schreiben der Schweizer Bundesrätin und Leiterin des Verkehrsdepartements Doris Leuthard, wonach es zwischen Schweizer und deutschem Verkehrsministerien keine Differenzen über den Vertrag gebe. Prompt widersprach der CDU-Bundestagsabgeordnete Jung.

Auf deutscher Seite seien auch die Vertreter des Bundesministeriums einig, dass nachverhandelt werden müsse. Jung verwies auch darauf, dass die Festlegung über die Reduzierung von Flughöhen direkt im Vertrag geregelt sei und nicht in ergänzenden Erläuterungen.

Wie geht es weiter? Die Tatsache, dass beide Schweizer Parlamentskammern den Vertrag genehmigt haben, dürfte Verhandlungen nicht leichter machen. Für den Bodenseerat ist wichtig: Die bestehenden Unklarheiten müssen beseitigt werden, und zwar schnell.

 


Netzwerke für die Bodenseeregion

Der Bodenseerat ist eigener Definition zufolge eine ideelle Vereinigung von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur der Bundesländer und Kantone und dem Fürstentum Lichtenstein. Die 1991 gegründete Vereinigung zählt 55 Mitglieder, auf deutscher Seite sind unter anderem Politiker, Vertreter der Wirtschaftskammern, aber auch der Präsident des Landesseglerverbandes gelistet. .Einziger Zweck der Vereinigung ist die grenzüberschreitende Förderung der Euregio Bodensee. Präsident des Bodenseerats ist derzeit der frühere Schweizer Nationalrat Arthur Loepfe. „Der Bodenseerat verfügt über keinerlei öffentliche oder privater Gelder. Die Stärke des Bodenseerats liegt im Beziehungsnetz seiner Mitglieder und deren Einflussmöglichkeiten in Behörden, Parlamenten und Wirtschaft", so die Organisation. 

Ein Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland zum Flughafen Zürich soll eine faire Verteilung der Lasten garantieren, die mit dem Betrieb des Airports verbunden sind. Es geht um die Zahl der Flüge und Überflüge, um Flugrouten, um Flughöhen und nicht zuletzt um Fluglärm. Der Staatsvertrag soll Planungssicherheit für die Vertragspartner schaffen und für den Flughafenbetrieb die Möglichkeit eines moderaten Wachstums ermöglichen. (fdo)

Südkurier, 24.06.2013