Doris Leuthard will Startfreigabe mit Auflagen (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am

Wegen des zähen Konflikts mit Deutschland wird das Sachplanverfahren zum Flughafen Zürich verzögert. Südstarts geradeaus sollen aber bei Nebel und Bise schon bald ermöglicht werden. Die Südschneiser lancieren derweil ihre Abwehr-Kampagne.

Der umstrittene Südstart geradeaus ist heute am Flughafen Zürich nicht zugelassen – das soll sich jedoch bald ändern. Dem Vernehmen nach soll diese Start-Variante bereits im ersten, vorgezogenen Objektblatt des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL) enthalten sein. Aufgeführt in diesem SIL 1 wird er aber nicht als reguläres Startkonzept, sondern wie im Vernehmlassungsentwurf in der Variante E DVO vorgesehen als mögliche Variante bei Nebel oder Bise und ausschliesslich zum Abbau von Verspätungen. Ende Juni wird der Bundesrat über den Antrag der Verkehrsministerin Doris Leuthard befinden.

Blockierte Langfristplanung

Vorgesehen ist im SIL 1 zudem, dass aus Sicherheitsgründen bei starkem Nordostwind Landungen von Süden erfolgen können. In der Vernehmlassung äusserte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) die Schätzung, dass die beiden Konzepte Südstarts geradeaus und Südanflüge gesamthaft während weniger als fünf Prozent der Betriebszeit zur Anwendung kommen. Eine Etappierung in der Festlegung des SIL-Objektblatts drängte sich laut dem Bazl auf, weil der Zustand ohne Objektblatt rechtlich nicht länger haltbar sei, der offene Ausgang des Fluglärmstreits mit Deutschland aber eine umfassende Gesamtlösung blockiere. Inhaltliche Angaben zum SIL 1 will das Bazl vor dem Entscheid des Bundesrats keine machen.

Der Südstart geradeaus führt über Teile der Stadt Zürich, die Zürichseeregion und das Zürcher Oberland. Er wird auch «Straight out 16» genannt, weil die Flugzeuge in diesem Verfahren ab der Piste 16 geradeaus starten – statt dass sie wie beim heutigen Südstart kurz nach dem Abheben ab der Piste 16 in einer 270-Grad-Kurve Richtung Osten abdrehen («Wide Left Turn»).

Kein Geheimnis ist, dass Doris Leuthard den Südstart geradeaus forcieren will – aus Sicherheitsgründen, um Kreuzungen zu vermeiden, und nicht zuletzt auch, um ihr Versprechen einzulösen, dass es in der Schweiz eine faire Verteilung der Belastung gibt. Der Zürcher Regierung hatte Leuthard ihre Absicht, den «Straight out 16» auch in Spitzenzeiten tagsüber zuzulassen, Ende letzten Jahres an einem Treffen unverblümt mitgeteilt (NZZ 14. 12. 12). Zusammen mit dem zweiten Teil des SIL-Objektblatts liegen diese Pläne gegenwärtig aber in der Schublade.

Ursprünglich war vorgesehen, dass der Bundesrat diesen Sommer alle offenen Fragen im SIL-Objektblatt klärt – und so die Grundlage bereitstellt für das definitive Betriebsreglement des Flughafens. Weil der Staatsvertrag mit Deutschland aber auf absehbare Zeit blockiert ist, will der Bund keine An- und Abflugverfahren auf Vorrat definieren; zuerst soll Klarheit über die mögliche Nutzung des süddeutschen Luftraums herrschen. Deshalb werden die zulässigen Varianten im Regelbetrieb und das Thema Pistenverlängerungen erst im zweiten Teil des SIL geklärt werden. In einem ersten Schritt sollen nun unbestrittene Massnahmen raumplanerisch gesichert werden.

Die Südstarts geradeaus sind allerdings alles andere als unbestritten – auch nicht als «Light-Variante» bei Nebel und Bise. Der Zürcher Regierungsrat akzeptiert diese Variante zwar unter der Bedingung, dass die Starts geradeaus über den Süden nicht dem Kapazitätsausbau dienen, sondern einzig zum Abbau von Verspätungen bei Nebel oder Bise. Die Zürcher Stadtpräsidentin, Corine Mauch, spricht sich grundsätzlich «entschieden und vehement» gegen die neuen Südstarts aus. Diese würden die nördlichen Stadtquartiere und insgesamt das am dichtesten besiedelte Gebiet der Schweiz betreffen.

Völlig inakzeptabel ist eine Einführung der Südstarts geradeaus für den Verein Flugschneise Süd – Nein (VFSN) – auch wenn diese vorerst nur bei Nebel und Bise zugelassen würden. Sollte der Bundesrat sie tatsächlich in den SIL 1 einbauen, wäre das für den VFSN-Präsidenten, Thomas Morf, ein Skandal, da das Bundesgericht im Dezember 2010 Südstarts über dieses dicht besiedelte Gebiet für unzulässig erklärt habe. Morf glaubt zudem nicht daran, dass die Auflagen eingehalten würden. Zum einen seien die Begriffe Nebel und Bise schwammig und dehnbar. Zum andern baue auch niemand eine Autobahn, um auf ihr dann Tempo 30 vorzuschreiben: Morf schlussfolgert: «Wenn es eine neue Luftstrasse gibt, dann wird sie auch benützt werden.»

Neue Kampagne lanciert

Im Kampf gegen die Südstarts hat der VFSN am Freitag vor den Medien seine neue Kampagne «Safety on ground» lanciert. Sie ist eine Reaktion auf den im Februar veröffentlichten Sicherheitsbericht zum Flughafen Zürich, in dem die Bevölkerung am Boden nicht berücksichtigt wurde. Morf argumentiert, dass die meisten Abstürze bei Starts oder Landungen erfolgten – und diese deshalb über möglichst dünn besiedeltes Gebiet führen müssten. Die vom VFSN entwickelte Safety Card, die analog zu Sicherheitsinstruktionen in Flugzeugen gestaltet ist, soll nächste Woche an über 150 000 Haushaltungen in der «Gefahrenzone» verteilt werden.

Für das Bazl sind die Aussagen des VFSN irreführend. Es sei zwar richtig, dass aufgrund der Sicherheitsstudie die Variante mit Südstarts geprüft werde, sagt der Sprecher des Bundesamts, Urs Holderegger. Die Arbeiten seien noch im Gang, in die Prüfung käme diese Variante erst in einer zweiten Etappe im SIL. Die Variante dagegen, die Südstarts geradeaus als Option bei Nebel oder Bise vorsehe, sei im Entwurf des Objektblatts bereits enthalten. Dabei werde von maximal 1000 Starts pro Jahr ausgegangen.

Bezüglich des Absturzrisikos müsse grundsätzlich festgehalten werden, dass bei jeder möglichen Betriebsart dicht besiedeltes Gebiet betroffen sei, sagt Holderegger. Um eine grösstmögliche Sicherheit am Boden gewähren zu können, müsse deshalb der Betrieb in der Luft möglichst sicher sein. Dazu trage eine Verminderung von Kreuzungspunkten entscheidend bei. Insbesondere aus diesem Grund werde die Variante Südstart geradeaus für die zweite SIL-Etappe geprüft.

NZZ, 14.06.2013