Neue Fluglärm-Aufregung (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Der deutsche Verkehrsminister Ramsauer hat einen Bericht des «Südkuriers» dementiert, nach dem der umstrittene Fluglärm-Staatsvertrag zwischen Berlin und Bern «gescheitert» sei. Der Ratifikationsprozess läuft weiter.

Ulrich Schmid, Berlin

In Berlin hat der deutsche Verkehrsminister Ramsauer einen Bericht des «Südkuriers» dementiert, laut dem der schweizerisch-deutsche Fluglärm-Staatsvertrag «geplatzt» sei. Das Ministerium für Verkehr weise diese Darstellung zurück, hiess es am Freitag. «Diese Meldung ist falsch.» Richtig sei vielmehr, dass der Staatsvertrag im September von den Verkehrsministern der beiden Länder unterzeichnet wurde, nachdem das Thema zuvor auch im Bundeskabinett besprochen worden sei.

Aufstand der Lokalpolitiker

Der «Südkurier» hatte am Freitag unmissverständlich, ja apodiktisch berichtet, der Staatsvertrag sei gescheitert. Ramsauer habe offenbar die Konsequenzen aus den massiven Protesten gezogen, die es in den drei betroffenen südbadischen Landkreisen gegeben habe: «Die Region atmet auf.» Der baden-württembergische CDU-Vorsitzende Strobl habe seine Partei davon überzeugt, den Staatsvertrag in der vorliegenden Form abzulehnen. Eine offizielle Bestätigung aus Berlin fehlte in dem Bericht des «Südkuriers». Augenscheinlich verliess man sich auf Angaben von Lokalpolitikern. Im Verkehrsministerium in Berlin gab man sich hochgradig verärgert über den Bericht des «Südkuriers». Mitarbeiter sprachen in aller Deutlichkeit von einer «Falschmeldung» und legten Wert auf die Feststellung, dass der ausgearbeitete Text noch vor der Paraphierung durch Bundesrätin Leuthard und Ramsauer vom Kabinett begutachtet und in dieser Form vorläufig angenommen wurde.

Noch ist natürlich nichts in Erz gegossen, da an den Begleittexten unter Hochdruck gearbeitet wird – der Teufel scheint auch hier im Detail zu stecken. Im Ministerium Ramsauers erwartet man dennoch, dass der Ratifikationsprozess im Laufe des kommenden Jahres abgeschlossen werden kann. Als Nächstes wird sich der Bundestag mit dem Vertrag befassen. Wann abgestimmt wird, ist noch offen.

Druck auf Ramsauer

Mit besonderem Nachdruck wird im Berliner Verkehrsministerium betont, dass Ramsauer selber nicht das geringste Interesse daran habe, den Vertrag selber zu stoppen. «Warum sollte er das tun? Er hat ihn selber ausgearbeitet», hiess es am Freitag rhetorisch. Ein plötzlicher Rückzieher zu derart später Stunde – nach der Paraphierung – wäre denn auch in der Tat kein einleuchtender Schritt und würde Ramsauer politisch schwer beschädigen. Natürlich üben die süddeutschen Gemeinden und natürlich übt auch die baden-württembergische CDU beträchtlichen Druck auf den christlichsozialen Verkehrsminister in Berlin aus. Doch einfach so gibt kein ernstzunehmender Minister einen paraphierten Vertrag preis. Sehr viel plausibler erscheint vorläufig die Vermutung, dass sich der «Südkurier» hier von einigen süddeutschen Politikern hat instrumentalisieren lassen.

Erste Indizien für diese These gab es bereits am Freitagabend, als der «Südkurier» den CDU-Bundestagsabgeordneten Dörflinger sagen liess, zwar sei es formal richtig, dass der Vertrag vom Verkehrsministerium bisher nicht zurückgezogen worden sei. Es gebe jedoch klare Signale dafür, dass das Abkommen keine parlamentarische Mehrheit finde und daher gescheitert sei. So kann man es natürlich auch sagen.


Keine Nachverhandlungen

Die Meldung des «Südkuriers», der Fluglärm-Staatsvertrag sei geplatzt, hat auch in der Schweiz einigen Wirbel ausgelöst. Eine Schockstarre, die das süddeutsche Medium in Bern ausgemacht haben will, war allerdings nicht spürbar. Zwar geht dort dem Vernehmen nach tatsächlich die Angst um, der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) werde dem Druck aus Südbaden nachgeben. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hielt am Freitag aber fest: «Es hat uns seitens des Verkehrsministeriums in Deutschland – auch auf Nachfrage hin – keine offizielle Mitteilung erreicht, dass Deutschland den Ratifikationsprozess stoppen will. In der Schweiz arbeiten wir weiter an der Umsetzung des Vertrags.» Die Pressesprecherin Annetta Bundi sagt, es gebe auch keine Nachverhandlungen.

NZZ, 12.10.2012