Zürich: Präzedenzfall für den Flugverkehr (Handelsblatt)

Publiziert von VFSNinfo am
Ein länderübergreifender Streit schwelt seit Jahren an der Südgrenze Deutschlands. Nachtflüge gibt es in Zürich zwar seit 40 Jahren nicht mehr. Trotzdem ist der Flughafen im Norden der Schweiz mitten ins Zentrum der Fluglärmdebatte geraten.   Der Konflikt soll nun durch einen Staatsvertrag aus der Welt geschafft werden.

Ein länderübergreifender Streit schwelt seit Jahren an der Südgrenze Deutschlands. Nachtflüge gibt es in Zürich zwar seit 40 Jahren nicht mehr. Trotzdem ist der Flughafen im Norden der Schweiz mitten ins Zentrum der Fluglärmdebatte geraten. Der Konflikt soll nun durch einen Staatsvertrag aus der Welt geschafft werden. 

Ein Blick auf die geografischen Gegebenheiten macht schnell klar, dass der Zürcher Flughafen vom Norden am einfachsten anzufliegen ist. Doch es gibt ein Problem: Im Norden von Zürich liegt Südbaden, kurz: Deutschland. So wird aus einem Landeanflug ein Politikum, das auch durch etliche Gutachten nicht zu entschärfen ist.

Hier, im Norden der Schweiz und im Süden der Bundesrepublik geht es um die Frage, wann Lärmbelästigung beginnt. Denn obwohl Lärmanalysen ergeben, dass Grenzwerte vielfach nicht überschritten wurden, fordern deutsche Politiker schärfere Vorgaben. Die Doppelmoral der deutschen Politik wird nirgendwo offensichtlicher.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer forderte zuletzt die maximale Zahl der Überflüge pro Jahr auf 80\'000 begrenzen. Bisher fliegen rund 100\'000 Flüge pro Jahr über Südbaden. Laut Ramsauer eine „schwere und nicht hinnehmbare Belastung". Eine Quervorlage, die Nachtfluggegner in Deutschland dankbar aufnehmen. Prompt forderten die Grünen im hessischen Landtag auch die Flüge in Frankfurt zu deckeln. Bisher fliegen 500\'000 Flüge im Jahr über Hessen, mit der neuen Landebahn sollen es 700\'000 werden. „Ist ein Badener von Natur aus hellhöriger als ein Hesse?", fragen die Grünen im Landtag.

Schon jetzt darf der Flughafen Zürich zwischen 21 und 7 Uhr nicht von deutscher Seite aus angeflogen werden, am Wochenende gilt das Verbot sogar zwischen 20 und 9 Uhr. Das Kalkül der Politik ist klar: Während die Vorteile einer Ablehnung, nämlich in Form von Wählerstimmen, direkt spürbar sind, müssen die Folgen der Entscheidung auf der Schweizer Seite getragen werden.

Vor Jahren drohten militante Fluglärmgegner aus der Schweiz darum sogar mit dem Abschuss deutscher Flugzeuge und der Ermordung der zuständigen Politiker. Auch in der aktuellen Debatte werden verbal wieder schwere Geschütze aufgefahren. Die Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard, eine der Verhandlungsführerinnen, bezeichnete die Flughafengegner auf deutscher Seite in einer Diskussion mit dem CDU-Politiker Volker Kauder als „Taliban". Nach einer friedlichen Lösung sieht es auch in Zürich nicht aus. Gestern gab es erneut Verhandlungen. Die Stimmung sei „konstruktiv" gewesen, sagen Teilnehmer. Ein Ergebnis gab es nicht.

Handelsblatt, 17.06.2012