1000 Seelen gegen eine Startpiste (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Der Münchner Flughafen verstimmt mit seinen Ausbauplänen ein Dorf. Die Bewohner versuchen, eine neue Piste direkt vor ihren Häusern zu verhindern. Ein Anwalt fordert, notfalls den ganzen Ort umzusiedeln.

Die Zürcher Südschneiser, denen in den letzten Jahren beim Kampf gegen das Anflugregime des Flughafens Zürich etwas die Luft ausgegangen zu sein scheint, wären von den Bewohnern von Attaching beeindruckt. Die 1000-Seelen-Gemeinde, die seit 1978 zur Stadt Freising gehört, probt den Aufstand gegen den Flughafen München. Und dies, obwohl ihr der Flughafen im wahrsten Sinne des Wortes nahe steht, näher sogar als Freising: Sechs Kilometer sind es von Attaching bis ins Stadtzentrum, nur ein Kilometer liegt hingegen die nördliche Grenze des Flughafens entfernt. Und genau dies ist das Problem. Der Flughafen München will nämlich in unmittelbarer Nähe seine dritte Startbahn bauen, 2015 soll sie fertig sein.

Die Bevölkerung befürchtet mehr Fluglärm, Kerosinregen und herabfallende Flugzeugteile. «Der Fluglärm wird sich verdreifachen», behauptet Ingenieur Christoph Riesch gegenüber «Focus». Die Lärmbelastung bewegt sich schon heute zwischen 60 und 70 Dezibel, was gemäss dem deutschen Magazin dem Lärm eines vollbesetzten Restaurants entspricht.

Parallelen mit «Stuttgart 21»

Die Sorgen und Argumente der Attachinger erinnern an jene der Fluglärmgegner im Einzugsgebiet des Zürcher Flughafens, doch den Vergleich mit den Schweizer Nachbarn zieht im kleinen deutschen Dorf keiner. Schliesslich lebt man hier so nahe an der Piste, wie es sich die Zürcher Fluglärmgeplagten selbst in ihren schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können. Ausserdem orientiert sich die Bevölkerung ohnehin lieber an grösseren, zurzeit erfolgreicheren Bewegungen: «Focus» bezeichnet Attaching als «Dorf im Kampf gegen sein München 21» und spielt dabei auf die Massenproteste gegen das geplante Bahnprojekt in Stuttgart an.

Denn ähnlich wie bei «Stuttgart 21» – so kommt es den Bewohnern von Attaching zumindest vor – versucht auch hier die Regierung etwas gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen. Zwar würden die Einwohner des Dorfs entschädigt. Bayerns Landesregierung hat den betroffenen Bewohnern einen sogenannten Absiedlungsanspruch zugesichert. Gemäss diesem muss die Flughafengesellschaft die Immobilien derjenigen übernehmen, die wegziehen. Basis ist das Preisniveau von 2007. Vielen Attachinger ist dies aber zu wenig, zudem wollen einige gar nicht wegziehen, sondern einfach nur ihre Ruhe haben.

Ein Teil des Dorfs ist schon weggezogen

Der Anwalt des Dorfes, Eike Schönefelder, verlangt sogar noch mehr: Der ganze Ort müsse abgesiedelt werden, wenn die Startbahn nicht mehr zu verhindern sei, sagt er gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». Wenn die Gesellschaft der Meinung sei, dass es die Startbahn für die Allgemeinheit brauche, könne man nicht einfach über einen Teil der Gesellschaft Flugzeuge in 50 bis 80 Metern Höhe hinwegdonnern lassen.

Die Abwanderung hat ohnehin schon begonnen. «Das ganze untere Dorf zieht weg», sagt die Krämerin Elisabeth Ziegltrum, die um ihre Kundschaft fürchtet, gegenüber der «Abendzeitung München». Das Dorf, im Jahre 790 gegründet, werde es wohl bald nicht mehr geben, befürchten viele Alteingesessene. Verständnis für die Ausbaupläne haben nur wenige, und wenn, dann möchten sie nicht namentlich genannt werden, weil sie die Reaktionen der übrigen Dorfbewohner fürchten. Vorteile habe die Nähe zum Flughafen aber durchaus, sagt eine Anwohnerin gegenüber «Focus» und erwähnt die günstigen Mieten. «Ich kann den Unmut der anderen durchaus verstehen. Aber der Flughafen ist hier auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.»

Tages-Anzeiger, 04.08.2011


Kommentar VFSN:

Ein paar entscheidende Unterschiede zu Attaching gibt es aber: 

  • Leider haben es viele Politiker, Bewohner und auch Medienschafende noch nicht gemerkt, mit welcher Aroganz und Rücksichtlosigkeit die Deutsche Aviatikindustrie ihre Interessen durchsetzt und diese auch in Zürich.
  • Der Laufthansakonzern ist der Hauptprofiteur des Flughafens. Über 70% aller Flüge werden von Deutschen Fluggesellschaften durchgeführt.
  • Die Gewinne fallen in den Deutschen Konzernzentrallen an und der "Produktionslärm" wir nach Zürich exportiert.
  • In Zürich bestimmt der Lufthansakonzern was an Flughafen laufen und wie geflogen werden soll.

Wir verstehen die Bewohner von Attaching und können mit Ihnen fühlen. Aber warum sollen wir von den Bewohnern von Attaching beeindruckt sein? Auch aus der Südschneise sind schon viele Leute geflüchtet. Dennoch, unser Widerstand wird weiter gehen unsere Zähigkeit und Ausdauer ist heute schon sprichwörtlich.