Milliardenkosten für die Luftfahrtbranche (FAZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Nun ist es offiziell: 4000 Fluggesellschaften, Konzerne und Institutionen müssen künftig Zertifikate für die Kohlendioxid-(CO2-)Emissionen ihrer Flugzeuge erwerben.   Von der BASF über die Flugschule Hamburg bis zur Bundespolizei und natürlich Lufthansa und Air Berlin reicht die Liste, die die EU-Kommission in Brüssel publiziert hat. Nur Staats- und Regierungschefs aus Nicht-EU-Staaten und das Militär müssen weiterhin nicht für ihren Kohlendioxidausstoß zahlen.

Für alle anderen gilt von 2012 an: Der Ausstoß muss verglichen mit dem Niveau der Jahre 2004 bis 2006 um 3 Prozent niedriger sein, von 2013 an um 5 Prozent. 85 Prozent der Emissionsrechte erhalten die betroffenen Unternehmen frei zugeteilt, den Rest müssen sie ersteigern. So haben es die EU-Staaten und das Europäische Parlament 2008 beschlossen. Der Ausstoß des Luftverkehrs steige stetig und stehe schon für 2 Prozent aller Emissionen auf der Welt, hatten sie die neuen Auflagen für die Branche begründet.

Kostenlose Erstzuteilung der Zertifikate

Das entscheidende Basisjahr dabei ist 2010: Anhand des Verbrauchs in diesem Jahr wird die künftige Zuteilung der Zertifikate bestimmt. Ursprünglich sollten die Betroffenen bis Ende August darlegen, wie sie ihre Emissionen messen wollen. Nur wer diese Frist einhielt, sollte von 2012 an ein Anrecht auf kostenlose Emissionsrechte haben. Da aber auch die Kommission länger brauchte, um die Liste aller betroffenen Unternehmen zusammenzustellen, bleibt Lufthansa, Tui Fly und den übrigen Gesellschaften nun Zeit bis Herbst. Das in Deutschland für die Erfassung zuständige Bundesumweltamt rät dennoch zur Eile. "Wir garantieren nur für die Vorschläge, die bis Ende August eingereicht werden, dass sie bis Jahresende bearbeitet sind", heißt es dort. Wer später liefert, riskiert, dass er sein Verfahren zur Emissionserfassung im Laufe des kommenden Jahres ändern muss. Das aber wollen die Unternehmen möglichst vermeiden.

Jede Gesellschaft, die in Europa startet oder landet, ist von der neuen EU-Verordnung betroffen. Die Konzerne trifft das, gerade während der Wirtschaftskrise. Sie müssen den Ausstoß entweder reduzieren oder Emissionsrechte kaufen. Das kostet Millionen. Angesichts eines Ausstoßes von geschätzt 3 Millionen Tonnen je Jahr kommen etwa auf die Lufthansa in der Handelsperiode 2012 bis 2020 Kosten von rund 450 Millionen Euro zu. Damit verglichen kommt Tui Fly, das 500 000 Tonnen je Jahr ausstößt, mit Kosten von rund 70 Millionen Euro gut weg. Die Kommission wiegelt angesichts solcher Zahlen ab. Je Kopf, also Passagier gerechnet, seien die Kosten für die Gesellschaften zu vernachlässigen, heißt es dort. Gerade einmal 10 Euro mehr werde ein Flug über den Atlantik künftig kosten. Insgesamt kommen nach einer Studie von Merrill Lynch Kosten von rund 3 Milliarden Euro im Jahr auf alle Luftfahrtakteure zu.

Lufthansa: Regeln sind wettbewerbsverzerrend

Angesichts solcher Zahlen prüfen die Fluggesellschaften derzeit, wie sie die Auflagen umgehen oder zumindest gering halten können. So könnten Nicht-EU-Fluglinien die Kosten minimieren, indem sie in der Türkei oder Dubai zwischenlanden, wenn sie Europa anfliegen. Dann müssten sie nur Emissionsrechte für das letzte Teilstück ihrer Flüge kaufen. Wettbewerbsverzerrend sei das, klagt die Lufthansa. Der Unternehmensberater Sebastian Gallehr wiederum glaubt, dass viele Fluglinien von 2010 an ihre Preise senken werden oder auch mit Sonderaktionen werben, um möglichst viele Passagiere an Bord zu locken. Das lohne sich langfristig, da die Zahl der Emissionsrechte, die ein Konzern bekomme, sich am Fluggastaufkommen und Frachtvolumen im kommenden Jahr ausrichte. Andere Fluggesellschaften drohen damit, gegen die Einbeziehung in den Emissionshandel zu klagen, weil diese gegen internationales Recht verstoße.

Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU), der die Beratung der Verordnung federführend im EU-Parlament betreut hat, hält das alles für Säbelrasseln und maßlos übertrieben. Klagen hätten so gut wie keine Aussicht auf Erfolg, und eine Zwischenlandung rechne sich nicht, wenn es nur darum gehe, Emissionskosten zu senken. Nur bei Flügen von den Vereinigten Staaten in den Nahen Osten, die bisher etwa in Paris oder Frankfurt zwischenlandeten, lohne sich für die Fluggesellschaft eventuell eine Verlegung des Zwischenstopps in ein Nicht-EU-Land. Liese setzt jedoch darauf, dass sich dieses Problem spätestens nach der Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen Ende dieses Jahres erledigt. Schließlich setzten sich inzwischen auch die Vereinigten Staaten für die Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel ein.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.08.2009