Deutsche Unternehmer schlagen sich auf die Seite der Schweiz (NZZaS)

Publiziert von VFSNinfo am
Süddeutsche Geschäftsleute attackieren Finanzminister Peer Steinbrück. Eine Gruppe für eine «Gute Nachbarschaft» soll Schweizer Kunden besänftigen.

Peter Traxler, St. Gallen

Das schlechte Klima zwischen den beiden Staaten ist auch schlecht fürs Geschäft. Das spüren Unternehmen und Touristiker in der Grenzregion besonders. Tausende deutsche Geschäfte und Hotels leben vorwiegend von Schweizer Kundschaft. Zum Teil bringt ihnen der kleine Grenzverkehr über 70 Prozent des Umsatzes in die Kassen. Seit dem Streit um die Landeanflüge und den Attacken des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück im Steuerstreit mit der Schweiz haben viele Betriebe aber zunehmend mit verärgerten Gästen und Absagen zu kämpfen. Horst Heller, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Hochrhein, klagt: «Wegen der unqualifizierten Äusserungen haben diverse Schweizer Kunden die Geschäftsverbindung mit uns abgebrochen.»

Auch andere spüren den Unmut jenseits der Grenze und versuchen zu besänftigen: «Wir können und wollen auf unsere Schweizer Freunde und Nachbarn nicht verzichten», hat Helmut W. Schweimler kürzlich seinen Schweizer Kunden geschrieben. Schweimler ist geschäftsführender Gesellschafter des 5-Sterne-Hotels «Vier Jahreszeiten» am Schluchsee, Honorarkonsul der Kapverden und entschiedener Gegner von Steinbrücks Steuerpolitik. Dieser habe die nachbarschaftlichen Beziehungen durch seine unhaltbaren Vorwürfe und herabsetzenden Unterstellungen beschädigt und erheblichen Schaden verursacht. Das erinnere ihn ein wenig an frühere Zeiten, als andere zu Sündenböcken für die in Deutschland herrschende Misswirtschaft abgestempelt wurden, sagt Schweimler. Er befürchtet zudem in Zukunft weitere Repressionen gegen die Schweiz.

So ist der Hotelier mit über 40 Prozent Schweizer Gästen nun aktiv geworden: Gemeinsam mit 15 bis 20 Gleichgesinnten will er demnächst die Aktionsgruppe «Gute Nachbarschaft» aus der Taufe heben. Mit an Bord sollen teils namhafte Banker und Unternehmer sein. Auch Roland Mack, Besitzer des Europaparks in Rust, der mit jährlich rund einer Million Schweizer Gästen zu den beliebtesten Ausflugszielen der Eidgenossen zählt, unterstützt Schweimlers Aktivitäten. Steinbrücks Bemerkungen hätten ihn persönlich sehr geärgert, sagt Mack. An diversen Veranstaltungen sollen nun weitere Mitglieder angeworben werden.

Helmut Schweimler und seine Mitstreiter wollen nicht nur Steinbrück stoppen. Auch der Widerstand im Landkreis Waldshut-Tiengen gegen die Anflüge auf den Flughafen Kloten ist ihnen ein Dorn im Auge. Während der Fluglärm rund um innerdeutsche Flughäfen stillschweigend akzeptiert werde, werde er entlang der Schweizer Grenze medienwirksam bekämpft. «Und dies in einem Landkreis, dessen Betriebe weitgehend von den Schweizern und deren Wohlwollen abhängen», sagt Schweimler.

Statt neuer Konflikte wünscht sich der findige Hotelier wieder mehr Nähe zum Nachbarn. Und so bietet er Gelegenheit für ein grenzüberschreitendes Stelldichein: eine gemeinsame 1.-August-Feier am Schluchsee.

NZZ, 12.07.2009