Fluglärm: 41\'800 Menschen leiden - Tendenz steigend (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Im Kanton Zürich werden immer mehr Anwohner stark vom Fluglärm belästigt. Das zeigt der erste Bericht der Regierung zum Zürcher Fluglärmindex.

41\'800 Personen wurden im Jahr 2006 stark vom Fluglärm gestört. Das sind 8,5 Prozent mehr Betroffene als im Jahr 2005, als erst 38\'500 Personen stark belästigt wurden. Zu mehr als 95 Prozent wohnen die Betroffenen im Kanton Zürich, rund 4 Prozent wohnen im Aargau, 0,2 Prozent in Süddeutschland. Nicht ganz ein Drittel der stark belästigten Anwohner, nämlich 12\'416, litten im Jahr 2006 nachts zwischen 22 und 6 Uhr unter Lärm. 2005 waren erst 11\'244 Personen von nächtlichem Fluglärm betroffen. Das entspricht einer Zunahme von 10,4 Prozent.

Lärm wissenschaftlich beurteilt

Diese Zahlen weist der erste Bericht zum Zürcher Fluglärmindex (ZFI) aus, den die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer heute den Medien vorgestellt hat. Der ZFI ist das Kernstück des Gegenvorschlags zur Volksinitiative, die eine Begrenzung der Flugbewegungen bei 250\'000 verlangte. Der Gegenvorschlag war im November 2007 von den Stimmberechtigten gutgeheissen worden, die Volksinitiative wurde abgelehnt.

Der ZFI ist eine wissenschaftlich abgestützte Methode, mit der berechnet werden kann, wie viele Menschen sich vom Fluglärm gestört fühlen. Grundlage ist einerseits eine niederländische Studie, die auf Grund von Einzelbefragungen aufzeigt, wie gross der Anteil der Menschen ist, die sich bei einem bestimmten Lärm gestört fühlen. So fühlen sich zum Beispiel 25 Prozent der Bevölkerung gestört, wenn die Fluglärmbelastung tagsüber im Mittel 62 Dezibel beträgt. 62 Dezibel entsprechen etwa einem Gespräch in Zimmerlautstärke. Zweite Grundlage ist eine deutsche Studie, die mit Hilfe von Tests ermittelt hat, wie viel Prozent der Bevölkerung bei nächtlichem Fluglärm Aufwachreaktionen zeigt.

Der ZFI wird von fünf Faktoren beeinflusst: von der Bevölkerungszahl, der Zahl der Flugbewegungen, dem Flottenmix, der Nachtsperrordnung und den An- und Abflugrouten. So beeinflussen leisere Flugzeuge den Index positiv, eine steigende Bevölkerungszahl hingegen negativ.

Dass der ZFI ausgerechnet zwischen 2005 und 2006 so stark angestiegen ist, überrascht. Zwar stieg die Bevölkerungszahl im ZFI-Gebiet um zwei bis drei Prozent, anderseits aber sank die Zahl der Flugbewegungen im gleichen Zeitraum um 2,9 Prozent. Hauptgrund für den massiven Anstieg sind die Änderungen im Flugbetrieb tagsüber. Der Abflugweg ab Piste 28 in Richtung Westen musste beispielsweise ein wenig nach Süden verlegt werden. «Das tangiert zwischen Schwamendingen und Schlieren einen schmalen, aber dicht besiedelten Streifen», erklärte Mark Dennler von der Fachstelle Flughafen und Luftverkehr den Medien, «deshalb mussten wir Tausende Anwohner mehr in den ZFI aufnehmen.» Auch das Gebiet, das von nächtlichem Lärm betroffen ist, hat sich verändert. Hauptgründe sind das Instrumentenlandesystem für die Piste 28 und die Tatsache, dass Nordstarts vermehrt über die Piste 34 erfolgen. Diese Maschinen drehen dann zwischen Glattfelden und Bülach nach Osten ab.

Rita Fuhrer zeigte sich heute von den Resultaten dieses ersten ZFI-Berichts befriedigt: «Der Bericht zeigt, dass der ZFI funktioniert und auf Veränderungen reagiert.» Kritiker hätten ja befürchtet, der Index sei zu schwerfällig. Auch habe sich gezeigt, dass es sich mit diesem Instrument sehr genau eruieren lasse, welches die Gründe für einen Anstieg seien: «Der ZFI ist also sehr wohl eine taugliche Alternative zu einer Begrenzung der Flugbewegungen. Er zeigt genau, wo Massnahmen ergriffen werden müssen.»

Erst im Herbst gilt es Ernst

Von Massnahmen war heute noch nicht die Rede. Zwar enthält der Index einen Grenzwert. Maximal dürfen 47\'000 Anwohner stark von störendem Fluglärm betroffen sein; droht der Wert überschritten zu werden, muss die Regierung handeln. Der heute vorgestellte Bericht ist aber erst ein «Übungsbericht». Ernst gilt es im kommenden Herbst, wenn die Zahlen für 2007 vorliegen. Dann erst muss der Regierungsrat darlegen, was er allenfalls unternehmen will.

Absehbar ist bereits jetzt: Der Index steigt weiter. Die Zahl der Flugbewegungen nahm 2007 um 2,9, in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres sogar um 5,7 Prozent zu. Und auch die Bevölkerung wächst: Jedes Jahr um etwa 11\'000 Personen, schätzt das kantonale statistische Amt. Im Glattal und im Unterland ist das Wachstum überdurchschnittlich. Fuhrer musste gestern einräumen: «Wenn die Bevölkerung so weiterwächst, haben wir ein Problem.»

Der Regierung sind bis zu einem gewissen Grad die Hände gebunden: In eigener Kompetenz kann der Kanton nur die Raumplanung beeinflussen. Der Flugbetrieb ist Bundessache.

Tages-Anzeiger, 26.05.2008



siehe auch:
Das Leiden unter dem Fluglärm (Leserbriefe TA)