Berner Bundesamt bremst Winterthurer Informatiker (TA)

Publiziert von VFSNinfo am

Der Flugverkehr im Grossraum Zürich lässt sich am Computer nicht mehr live, sondern nur noch verzögert verfolgen. Grund: Das Bundesamt für Zivilluftfahrt wittert Terrorgefahren.

Von Roger Keller Zürich/Winterthur. – Seit dem Wochenende wirkt die von Aviatikfans hoch gelobte Internetsite der Winterthurer Fachhochschulinformatiker Daniel Kramarz (24) und Andreas Loeber (27) amputiert: Sie sieht grafisch zwar gleich aus wie bei ihrem Start letztes Jahr, aber die Uhrzeit am unteren rechten Bildrand verrät, dass die Flugbewegungen rund um den Flughafen Kloten nicht mehr in Echtzeit, sondern mit einer Verzögerung von 15 Minuten dargestellt werden. Zurückzuführen ist dies auf eine Intervention des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl) im Departement von Bundesrat Moritz Leuenberger (SP).

Bazl: «Potenzielle Gefahr»

Einen rechtlichen Vorwurf erhebt das Bundesamt gegenüber den beiden Informatikassistenten und ihrem Professor Karl Rege an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) nicht.

«Sie machten nichts Illegales, das ist unbestritten», sagte Bazl-Mediensprecher Anton Kohler. Rege hatte sich vorgängig unter anderem auch beim Bazl bestätigen lassen, dass die Transponderdaten der Flugzeuge frei empfangbar und auswertbar sind, bevor er die Internetsite als Diplomarbeit bei seinen damaligen Studenten Kramarz und Loeber in Auftrag gegeben hatte.

Womit jedoch niemand gerechnet hatte: Die Internetsite stiess auf ein enormes Echo im In- und Ausland und auf überschwängliches Lob. Nach den ersten Berichten (TA vom 21. November) waren täglich 5000 bis 10 000 Internetnutzer auf der Site. Doch es scheint auch andere Reaktionen gegeben zu haben – von Leuten, die das Potenzial zum Missbrauch durch Terroristen betonten und das Bazl fragten, was es unternehme. Das Bazl habe erst jetzt reagiert, sagte sein Sprecher Kohler, weil man zunächst angenommen habe, die Site bleibe nur vorübergehend auf dem Netz, was nun aber nicht der Fall ist. Das Amt habe von der ZHAW daher «verlangt », eine Zeitverzögerung einzubauen, wie sie – aus Sicherheitsgründen – auch eine ähnliche Internetsite der deutschen Flugsicherung habe.

Das Bazl begründet diese Bitte mit den weltweit verschärften Schutzmassnahmen in der Luftfahrt nach den Ereignissen vom 11. September 2001 und den vereitelten Anschlägen von London im August 2006. «Wir sind uns bewusst, dass die Notwendigkeit und Wirkung einzelner Schutzmassnahmen für aussen Stehende nicht immer nachvollziehbar sind», schrieb das Amt der ZHAW. Aber es sei eine Tatsache, dass die weltweit einsehbare Darstellung der Flüge in Echtzeit «grundsätzlich das Potenzial für Missbräuche beinhaltet». Wie real eine solche Terrorgefahr ist, will Bazl-Sprecher Kohler nicht beurteilen: «Potenziell ist sie vorhanden, und das reicht.» Es gehe auch um die Sicherheit der Bevölkerung im Grossraum Zürich.

Freiwillig eingelenkt

Die Entwickler des Projekts sind über den Bescheid aus Bern «mehr als unglücklich». Als Schule könne es sich die ZHAW aber nicht leisten, sich auf einen Rechtsstreit mit dem Bazl einzulassen. Deshalb habe man freiwillig eingelenkt und die Verzögerung installiert. Gestorben ist das Projekt deshalb aber nicht, im Gegenteil: Die ZHAW-Informatiker entwickeln es mit neuen Anwendungen weiter – so ist das Technorama in Winterthur daran interessiert, die weltweiten Flugbewegungen auf einem Globus darzustellen. http://radar.zhaw.ch/radar.html

Tages-Anzeiger, 04.03.2008, Seite 13


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