Der «Gekröpfte» sorgt für Streit (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Bevölkerung und Politiker im Nachbarkanton Aargau bekämpfen den gekröpften Nordanflug. Das erzürnt die Zürcher. Denn der neue Anflug würde die Schweizer Position aus ihrer Sicht stärken. Von Roger Keller

Am Donnerstagabend ist die Einsprachefrist zum gekröpften Nordanflug abgelaufen. Am gleichen Tag ist es in Zürich erstmals zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Zürchern und Aargauern um die geplante neue Anflugroute für den Flughafen Kloten gekommen, die der Bevölkerung in der Südanflugschneise wenigstens teilweise eine Entlastung bringen soll.

Die vom Verein «Flugschneise Süd ­- Nein» organisierte Podiumsdiskussion unter Leitung des politischen Beraters Stephan Oehen zeigte: Die Schweiz spricht in der Kontroverse um das Anflugregime mit Deutschland nicht mit einer Stimme.

Aargauer: Zuerst Flüge reduzieren

Der Aargauer Nationalrat und Badener Stadtrat Geri Müller (Grüne) sagte zwar, die Südanflüge seien «nicht akzeptabel», aber am gekröpften Nordanflug liess er kein gutes Haar: Das Projekt sei «lausig vorbereitet», weil ein Atomkraftwerk und ein Zwischenlager für atomare Abfälle überflogen werden, das eine nur 20 Zentimeter dicke Decke habe und im Auflagebericht als Endlager bezeichnet werde.

Laut Müller muss der Bund das Problem anders lösen: Nicht den Fluglärm verteilen, sondern die Zahl der Bewegungen reduzieren. Dann seien mit Deutschland wieder vernünftige Verhandlungen möglich: «Sonst ist die nächste Konfrontation programmiert.» Kurt Schmid, Gemeindepräsident aus Lengnau und Präsident des Aargauer Komitees gegen den «Gekröpften», beklagte, wie viele Flüge über seinen Kanton führten und dass der neue Anflug gefährlich sei. Ein Risiko solle nicht durch ein anderes ersetzt werden. Der Aargau sei praktisch einhellig dagegen.

Zürcher: Position stärken

Bei FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger stiess die Aargauer Haltung auf Unverständnis. Wenn der Flughafen Kloten mehrheitsfähig sein solle, müsse der Lärm wieder kanalisiert werden. Dazu sei der «Gekröpfte» zwar nur eine Teillösung, weil er bloss an 100 bis 120 Tagen pro Jahr geflogen werden könne. «Aber er macht uns wieder verhandlungsfähig mit Deutschland.» Er sei eine Option, ein Pfand und ein Trumpf bei künftigen Verhandlungen mit den Nachbarn. Daran müssten auch die Aargauer ein Interesse haben, sagte Leutenegger und appellierte an deren Solidarität: «Sonst sind wir gefangen und nicht handlungsfähig.»

Südschneiser-Chef Thomas Morf erinnerte seinen Konterpart Schmid daran, dass die Aargauer Regierung nicht gegen den «Gekröpften» ist und dass die Gefahr eines Absturzes am Stadlerberg «ein schwaches Argument» gegen 40\'000 Betroffene in Schwamendingen sei. Morf glaubt auch nicht, dass Deutschland wegen des «Gekröpften» die Zahl der Überflüge weiter reduzieren würde: «Das wäre unter dem Aspekt der gutnachbarlichen Beziehungen ein absoluter Stumpfsinn.»

Ein Fall für das Bundesgericht

Wie es mit dem «Gekröpften» weitergeht, ist ungewiss. Das hängt vom Einspracheverfahren ab, in dem zahlreiche Gemeinden und Einwohner aus dem Zürcher Unterland, dem Aargau, dem Schaffhausischen und dem deutschen Grenzgebiet ihre Einwände eingebracht haben.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt will die Einsprachen bis Ende Jahr bearbeiten und dann über das Projektgesuch und über die Frage entscheiden, ob den Einsprachen die aufschiebende Wirkung entzogen werden soll. Selbst wenn es dies täte: Auch diese Frage kann genauso wie später der materielle Entscheid juristisch angefochten werden. Es ist anzunehmen, dass das Bundesgericht das letzte Wort haben wird.

Tages-Anzeiger, 08.06.2007


Bild: VFSN