Studie zum Zürcher Airport (Südkurier)

Publiziert von VFSNinfo am
Da war der Waldshuter Landrat Tilman Bollacher überrascht, als ihm am vergangenen Freitag Unglaubliches zu Ohren kam. Mitarbeiter des Basler Beratungsunternehmens Progtrans standen plötzlich im Waldshuter Landratsamt auf der Matte und verlangten Zahlen und anderes statistisches Material über den Nutzen des Zürcher Flughafens für Südbaden. Der Landrat schien von dem Coup eiskalt erwischt zu sein, möglicherweise beschlich ihn eine finstere Ahnung.

Noch am Vorabend hatte Bollacher nämlich gemeinsam mit dem Zürcher Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber auf dem Podium gesessen. Thema des ebenso freundlichen wie unnachgiebigen Streitgesprächs war der Fluglärm durch den Zürcher Airport. Viel Neues hatte auch Ledergerber an jenem Abend nicht vorzutragen. Der diplomatische Fuchs setzte vielmehr auf einen vermeintlichen Joker. Ledergerber forderte seinen Kontrahenten aus Deutschland auf, einer gemeinsamen Studie über den Nutzen des Flughafens zuzustimmen. Doch Bollacher winkte an jenem Abend geistesgegenwärtig ab: Warum noch ein Gutachten, als ob nicht schon genügend vorlägen, konterte der Beamte aus Waldshut. Als er das sagte, dürfte Bollacher noch nicht geahnt haben, dass schon wenige Stunden später die Mitarbeiter von Progtrans in Waldshut vorsprechen würden. Die deutsche Lufthansa und ihre Schweizer Tochter Swiss hatten das Unternehmen beauftragt, in den vier südbadischen Landkreisen Waldshut, Schwarzwald-Baar, Konstanz und Lörrach zu untersuchen, wie hoch der Nutzen des Zürcher Flughafens für sie sei. Geplant waren kurzfristig angesetzte Fachgespräche, an denen Vertreter der Abteilungen "Wirtschaftsförderung" der vier Landratsämter mit den Progtrans-Experten an einem Tisch sitzen und Auskunft über das statistische Material geben sollten. Nicht, dass es solche Studien nicht schon gäbe. Zuletzt hatte Elmar Ledergerber Zahlen auf der Grundlage einer Flughafenbefragung präsentiert, die auf der deutschen Rheinseite allerdings nicht gut ankamen. Danach sollen acht Prozent des Zürcher Passagieraufkommens aus Südbaden kommen und 30000 Menschen aus dem "südlichen Schwarzwald" täglich in die Schweiz pendeln. Alles ein Vielfaches zu hoch, konterte kürzlich erst das baden-württembergische Innenministerium und korrigierte die Zahlen dank einer anderen Schweizer Studie deutlich nach unten.

Bollacher wertet den Gutachterauftrag von Lufthansa und Swiss denn auch als einen neuen Weg, um das gemeinsame Manifest der Region zu unterlaufen. Seine Landratskollegen unterrichtete er nach einer dieser Zeitung vorliegenden Quelle umgehend über den Vorgang und äußerte die Vermutung, "dass die Progtrans AG, wenn nicht bereits schon geschehen, auch auf Sie wegen eines Fachgespräches im Rahmen der Untersuchungen zukommen wird". Die Anfrage sei freilich nicht mit dem Landratsamt Waldshut abgestimmt, unterstrich der Landrat. Die Untersuchung diene "allein dem Zweck, unsere Position, die wir in jahrelangem zähen Ringen für unsere Bevölkerung erreicht haben, zu unterlaufen". An die Adresse der Landratskollegen richtete Bollacher den dringenden Appell, sich an der Umfrage nicht zu beteiligen. Das sieht indes bei den Fluglärmgegnern nicht jeder so. "Wir haben nichts zu verbergen," erklärte ein Kenner des Fluglärmstreits auf Nachfrage dieser Zeitung. "Jede weitere Studie lässt sich bequem widerlegen, sobald sie von den tatsächlichen Zahlen abweicht."

Nils Köhler

Südkurier, 28.03.2007