Nervosität bei Skyguide wegen Südanflügen (TA)

Publiziert von VFSNinfo am

Jetzt ist es offiziell: Südanflüge zum Flughafen Zürich sind laut Bescheid aus Bern sicher. Die Lotsen der Flugsicherung Skyguide haben aber Bedenken.

Von Erwin Haas

Die Schweizer Flugsicherung Skyguide und das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) haben den Südanflug nach Zürich-Kloten, der am nächsten Donnerstag eingeführt werden soll, auf Herz und Nieren geprüft und für sicher befunden. Zum gleichen Schluss kam ein englisches Expertenteam, das im Auftrag des Departements Leuenberger (Uvek) eine unabhängige Prüfung vornahm. Ein letzter Check der Prüfliste, die fast 50 Punkte umfasst, ist für Dienstag geplant. Doch dem Südanflug stehe vom Standpunkt der Sicherheit nichts mehr im Weg, teilten Bazl und Skyguide gestern mit.

Unter grossem Druck und parallel zum normalen 24-Stunden-Dienst der Flugsicherung hat Skyguide seit Ende Juni ein Projekt umgesetzt, das normalerweise viel mehr Zeit in Anspruch nimmt. 68 Flugverkehrsleiter und -leiterinnen wurden am Simulator an je dreieinhalb Tagen für den Südanflug umgeschult. Der Luftraum südlich des Flughafens wird für die Morgen- und Nachtstunden, in denen die deutschen Anflugsperren gültig sind, um zwei kontrollierte Sektoren erweitert. Für Freizeitpiloten ist dieser Luftraum während der Südanflüge gesperrt. Die Koordination mit der Militärfliegerei ab Dübendorf läuft. Den Fluglotsen im Tower steht zudem ein Warnsystem zur Verfügung. Es zeigt ihnen an, wenn ein Flugzeug auf der Anflugroute etwa im Zürcher Oberland zu weit Richtung Alpen fliegt oder auf dem Endanflug über den Pfannenstiel und den Lorenchopf dem Boden zu nahe kommt. Insgesamt rund drei Dutzend Massnahmen sollen dafür sorgen, dass die Südanflüge sicher durchführbar sind.

Strenge deutsche Betriebsanordnung

Auch Skyguide sieht kein übermässiges Risiko mehr - und macht sich trotzdem Sorgen. Erstens war die Vorbereitungszeit extrem kurz. Zweitens schreibt die deutsche Betriebsanordnung genauestens vor, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Skyguide von den Südanflügen abrücken und ausnahmsweise doch Nordanflüge durchführen darf. Eine Auflage hat Skyguide besonders irritiert: Der Dienstleiter im Zürcher Tower, der die Anflüge koordiniert, muss «vor Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung» bei der Zentrale der deutschen Flugsicherung (DFS) in Langen bei Frankfurt um Erlaubnis fragen. Für die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung hat die DFS vom deutschen Verkehrsministerium in Bonn klare Vorgaben erhalten. Die pauschale Begründung «ungünstiges Wetter» reicht für eine Freigabe der Nordanflüge nicht aus. Ebenso wenig Personalknappheit bei Skyguide in Zürich oder der Ausfall technischer Systeme, wenn es nicht gerade um den Ausfall der Navigationssysteme am Flughafen geht. Wenn ein Teil der Technik aussteigt, den Skyguide für Südanflüge als nötig erachtet, die deutschen Kollegen in Frankfurt aber nicht, dann steht der Flughafen Zürich still. Das Gleiche geschieht, wenn die Skyguide-Mannschaft von einer Grippewelle flachgelegt wird.

Schwierigkeiten erwarten die Zürcher Fluglotsen auch bei wechselhaftem «Grenzwetter», bei dem die Mindestwerte für den Südanflug mal unter-, mal überschritten werden. Diese Werte sind 4500 Meter Sicht und eine Wolkenuntergrenze mindestens 360 Meter (1200 Fuss) über Grund. Wenn die mittelfristige Vorhersage der Flugwetterzentrale von Meteo Schweiz bei Grenzwetter eine Verschlechterung prognostiziert, sind ausnahmsweise Nordanflüge gestattet. Anderseits verpflichtet die Aussicht, dass es in einer Stunde besser wird, zu Südanflügen. Wenn es dann später oder überhaupt nicht besser wird als vorhergesagt, steckt Skyguide in der Bredouille und muss Flugzeuge in die Warteräume am Rhein oder am Bodensee schicken. Jede unvorhergesehene Änderung der Anflugprozeduren wirkt sich wiederum auf andere Flugzeuge im Schweizer Luftraum aus, bringt Verspätungen und schafft neue Risiken, die Skyguide lieber vermeiden möchte.

Skyguide befürchtet Verpolitisierung

Mit den strengen Anordnungen will die deutsche Regierung sicherstellen, dass ihre Verordnung eingehalten wird. Seit der Einführung der Ostanflüge kam aus Süddeutschland immer wieder der Vorwurf, der Flughafen Zürich und Skyguide nähmen die wetterbedingte Ausnahmeregelung für Nordanflüge nach eigenem Gutdünken in Anspruch. Sie liessen die Flugzeuge auch dann von Norden her landen, wenn die Sicht für Ostanflüge gut genug sei.

Skyguide befürchtet eine «Verpolitisierung der Sicherheit» auf ihrem Buckel. Die Fluglotsen sind gespannt, ob die deutschen Kollegen die ministeriale Betriebsanordnung buchstabengetreu durchsetzen oder Ausnahmen mit Blick auf die bestmögliche Flugsicherheit gestatten.

TA, 24.10.2003