Südbaden probt den Schulterschluss (Südkurier)

Publiziert von VFSNinfo am


VON NILS KöHLER

Waldshut - Einen Monat vor Beginn der neuen Verhandlungen über einen Staatsvertrag mit der Schweiz zur Begrenzung der Flugverkehrsbelastung schließen sich in Südbaden die Reihen. Sechs Landräte wollen am kommenden Dienstag unter der Schirmherrschaft von Freiburgs Regierungspräsident Sven von Ungern Sternberg ein Manifest gegen die Nordausrichtung des Zürcher Flughafens unterzeichnen. Das Papier enthält nach Informationen dieser Zeitung umfangreiche Forderungen zur Verringerung von Fluglärm, Emissionen und zur Verbesserung der Sicherheit.

Damit schließen sich erstmals alle Landkreise von Lörrach über Tuttlingen bis Konstanz in dem jahrzehntelangen Streit mit der Schweiz zusammen. Beobachter werten diesen Schritt als kleine Sensation. Denn bislang ließ sich keine durchgängige gemeinsame Linie zwischen den Landkreisen finden.

Unterdessen werden in Berlin offenbar die Sondierungen für die Verhandlungen mit der Schweiz intensiviert. Nach Informationen dieser Zeitung soll sich der verantwortliche Unterhändler aus dem Verkehrsministerium, Thilo Schmidt, vor kurzem in dieser Angelegenheit in Zürich aufgehalten haben. Sehr viel klarer als die Position Berlins ist hingegen die Marschrichtung der Landesregierung. Der baden-württembergische Staatsminister Willi Stächele (CDU) hat bereits eine weitere Verringerung der Flugverkehrsbelastung als Ziel formuliert. Seine Vorschläge, die auch eine Beibehaltung des bestehenden Nachtflugverbotes beinhalten, basieren auf dem Koalitionsvertrag.

Zürich dürfte die klare Positionierung des Südwestens nicht gefallen. Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer wirbt in diesen Tagen für ein aviatisches Novum, den Zürcher Fluglärm-Index (ZFI). Mit Hilfe einer komplizierten Formel soll der ZFI die Lärmbelästigung des Menschen "mathematisch geschätzt" definieren und so eine "realistische Flughafenpolitik" ermöglichen. Dahinter verbirgt sich freilich nur die alt bekannte Forderung nach einem grenzenlosen Wachstum für einen Airport, der nach Norden ausgerichtet werden soll. Den ZFI hat ein Expertengremium unter der Leitung des Akustikers Robert Hofmann kreiert. Doch die Studie scheint ihre Tücken zu haben. Mitglieder der Bürgerinitiative gegen Flugverkehrsbelastung im Kreis Waldshut nahmen Hofmanns Empfehlungen unter die Lupe. Dabei kamen sie zu einem überraschenden Ergebnis. Dem Index liegt unter anderem die so genannte Miedema-Studie von 1991 zugrunde. Diese stützt sich auf Untersuchungen, die von der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa nach eingehender Bewertung bereits für völlig unbrauchbar erachtet worden war. Rita Fuhrer tourt unterdessen durch die Zürcher Stadtteile, in der Hoffnung, ihrer Bevölkerung die Vorzüge des Index zu vermitteln. Ihr erklärtes Ziel ist es, der laufenden Initiative zur Begrenzung von Starts und Landungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Index sei auch zum "Schutz der vom Fluglärm stark belästigten Personen" entwickelt worden, erklärt Fuhrer selbstbewusst.

Ob allerdings die neue Variante im Fluglärmpoker ihre Bürger überzeugt, scheint fraglich. Denn die Zürcher Regierung steht dafür ein, dem Flughafen eine ökonomisch sichere Zukunft zu ebnen. Und so bekam Fuhrer in Maur, im Zürcher Süden, bereits den Unmut zu spüren. Ihr Versuch, die komplizierte Hofmann-Formel mit 273 Einzelzeichen zu erklären, ging nach einem Medienbericht daneben. Unter den 180 Zuhörern habe sich Gelächter und Kopfschütteln ausgebreitet. Elf weitere Veranstaltungen hat die Regierungsrätin noch vor sich.

Südkurier, 09.09.06