Facetten des Widerstands gegen Südanflüge (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
«Geplagt und enteignet»   ein Buch über den Kampf der Anwohner

ark. Seit knapp drei Jahren muss Zürich wegen der deutschen Anflugbeschränkungen von Süden her angeflogen werden. Unter der Agide des ehemaligen Fernsehmoderators Urs P. Gasche ist nun unter dem Titel «Geplagt und enteignet» ein Buch erschienen, das die Folgen der Süd- und Ostanflüge für die Anwohner thematisiert.  Der Band ist gestern den Medien vorgestellt worden. An diesem Anlass forderte Gasche, unterstützt von verschiedenen Exponenten aus der Gegnerschaft des Südanflugs, die schnelle Einführung des gekröpften Nordanflugs, eine Plafonierung des Flugbetriebs und die Ausweitung der Nachtruhe. Er forderte von den Behörden und der Flughafenleitung, sie sollten die Opposition endlich ernst nehmen. Man dürfe nicht noch einmal den gleichen Fehler machen wie in den Swissair-Zeiten, als man sich um die Klagen der südbadischen Bevölkerung gegen den Fluglärm foutierte — mit bekanntem Ergebnis.

Das gut hundertseitige Buch umfasst ein Sammelsurium von Anwohner-Aufsätzen und Expertenberichten, eine Chronologie der Ereignisse um den Flughafen seit 1993 und eine Abkürzungsliste. Einleitend berichten Schneiser, wie sich die Südanflug-Gegner nennen, über ihre Erfahrungen mit Protestaktionen. Ein Aktivist, der mit Taschenlampen anfliegende Piloten anstrahlte, rekapituliert seine nächtliche Verhaftung. Eine Kollegin wird vor ihrer ersten Demonstration ebenfalls verhaftet, allerdings nur in den Albträumen. Später mutiert sie auf dem Platzspitz zur Kämpferin gegen den Südanflug und die dafür Verantwortlichen. Zu Wort kommen unter anderem auch der fast vollamtliche Leserbriefschreiber, der Betreiber eines Schneiser-Internet-Portals, der Anwalt, der sich über die zu Flughafenfreundliche NZZ ärgert, und der PR-Berater, der im Zusammenhang mit dem Südanflug den Niedergang des «alten Schweizer Mittelstands» befürchtet. Nach einer Schelte des wegen der Südanflüge nach Bern gezügelten Herausgebers zuhanden des Verkehrsministers folgen im Weiteren zwei Berichte, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen und den Immobilien-Wertverlusten durch Südanflüge befassen.

Insgesamt bietet der Band ein interessantes Panoptikum des Widerstands, der bisher politisch wenig bis inaktive Bürger zu kämpferischen Zeitgenossen werden liess. Die Auswahl wirkt zwar zeitweise etwas zufällig und flüchtig redigiert. So mutiert der ehemalige Regierungsrat Eric Honegger zu Erich Honegger, und Unique-Verwaltungsratspräsident Schmid wird als Economiesuisse-Präsident beschrieben, obwohl er dieses Amt noch gar nicht angetreten und jetzt ganz darauf verzichtet hat. Trotzdem dürfte der eine oder andere Schneisen-ferne Entscheidungsträger durch die Lektüre einen guten Eindruck davon gewinnen können, wie stark sich das Leben der Anwohner durch die Einführung der Südanflüge am 30. Oktober 2003 verändert hat. Fraglich ist höchstens, ob sich diese erklärte Zielgruppe das Buch überhaupt anschaffen wird.

Urs P. Gasche (Hrsg.): Geplagt und enteignet. Die Süd- und Ostanflüge auf den Flughafen Zürich — und ihre Folgen für die Anwohner. Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2006. 134 5., Fr. 19.80.


«Kein Anlass für den Rücktritt Schmids»

ark. Anlässlich der Buchpräsentation haben sich die Flughafenkritiker auch mit der Zukunft des Unique Verwaltungsratspräsidenten Andreas Schmid befasst. Schmid war am Tag zuvor von seinem Posten als Kuoni-Präsident zurückgetreten und hatte seinen Verzicht auf den Vorsitz bei Economiesuisse bekannt gegeben. Der grüne Nationalrat Martin Bäumle erklärte, er sei dankbar, dass Schmid nicht Economiesuisse-Präsident werde. Damit sei sichergestellt, dass der Verband nicht zu einem Zugpferd für das weitere Wachstum des Flughafens mutiere. Thomas Morf, Präsident des Vereins «Flugschneise Süd — Nein» sagte, er erhoffe sich von der Entlastung Schmids, dass sich dieser nun mit vollem Elan auf die Lösung des Fluglärmkonflikts konzentrieren könne. Ein allfälliger Rücktritt Schmids war kein Thema. Der Unique-Präsident, der laut eigenen Angaben sämtliche Mandate überprüfen will, scheint zurzeit sicher im Sattel zu sitzen. Lukas Briner, Vizepräsident des Verwaltungsrats, erklärte auf Anfrage, es gebe keinerlei Anlass für ein Ausscheiden Schmids bei Unique. Er erlebe ihn als hervorragenden und integrierenden Präsidenten, der ein ausgezeichnetes Verhältnis mit dem Management pflege. Schmid sei durch die «perfide Kampagne» vor seinem Kuoni-Ausstieg zwar geschwächt. Das hat aber aus Briners Sicht keinen negativen Einfluss auf die Ausübung des Unique-Präsidiums.

NZZ, 23.08.06



siehe auch:
Website: Geplagt und enteignet
Medienmitteilung (PDF, 40 kB)
Medienkonferenz (PDF, 16 kB)
Fluglärm-Gegner veröffentlichen Buch (TA)
«Nur wegen des Fluglärms weggezogen» (TA)


Bezugsquellen: