Flughafen lebt immer weniger vom Fliegen (TA)

Publiziert von VFSNinfo am

Unique baut den Flughafen in Kloten zum Einkaufsmekka und Kongresszentrum aus. Bald stammt der halbe Umsatz aus einträglichen Nebengeschäften, ein Spitzenwert in Europa.

Jedes Mal, wenn in Kloten ein Flugzeug abhebt, verliert Unique Geld. Viel Geld. Im angestammten Geschäft, dem Flugbetrieb, machte die Betreiberin von Kloten letztes Jahr auf 380 Millionen Umsatz fast 40 Millionen Franken Verlust.

Weil mit der Fliegerei selbst kein Geld zu machen ist, forciert Unique-Chef Josef Felder seit dem Grounding der Swissair den «Kommerz» - den Umbau zum konsumorientierten «Einkaufs- und Begegnungszentrum» mit 180 Geschäften: Läden, Restaurants, Ärztepraxen, Anwälte, Reisebüros, Kongresszentrum und Events. Das zahlt sich für die Flughafen-Betreiberin Unique, die zu einem Drittel dem Kanton Zürich gehört, aus: Der Bereich Nichtfliegerei bringt derzeit 43 Prozent des Umsatzes, ein Spitzenwert in Europa. Nur die Flughäfen Oslo, Kopenhagen und München haben noch höhere Werte.

Noch besser kommt Kloten weg, wenn man die Umsätze pro Passagier im Nichtflug-Geschäft vergleicht: Dann liegt Zürich laut einer Untersuchung von A.T.Kearney hinter München auf Rang 2

Wandlung zur Immobilienfirma

Kloten gehöre «im europäischen Vergleich zu den Leadern» im Aufbau einer konsumorientierten «Airport City», so die Strategieberatungsfirma. Der Flughafen wächst. Auf dem Gelände arbeiten 2000 Leute mehr als vor 2 Jahren. Die Verkehrsnachfrage nimmt laut externen Prognosen rund 5 Prozent im Jahr zu.

Klar: Kloten profitiert im Duty-Free-Geschäft sehr stark davon, dass die Schweiz nicht in der EU ist, so wie Oslo übrigens auch. Entscheidend ins Gewicht fällt jedoch das gewandelte Selbstverständnis: Unique sieht sich mehr als Entwicklerin und Managerin eines grossen Immobilienkomplexes denn als Flugverwalterin. So ein bisschen im Geiste von McDonaldqs-Gründer Ray Kroc, der einst vor Business-Schülern dozierte, er sei im Immobilien- und nicht im Hamburger-Geschäft.

Die Bewirtschaftung von Liegenschaften brachte letztes Jahr 110 Millionen ein, mit Abstand die grösste Einnahmquelle im Nebengeschäft. Neben den Duty-Free-Geschäften, die Flugpassagiere mit teurer und edler Ware beglücken, setzt Kloten vermehrt auf die alltäglichen Konsumbedürfnisse von rund 24 800 Mitarbeitern, die im und am Flughafen arbeiten. Sie sind im Schnitt zwar keine Grossverdiener, dafür treue Kunden: Zwei Drittel kaufen im Flughafen regelmässig ein.

Mit Gütern des täglichen Bedarfs erzielen Ketten wie Manor, Migros oder Vögele in Kloten weit überdurchschnittliche Umsätze, was Unique entsprechend hohe Mieteinnahmen bringt. Die Migros Genossenschaft Zürich etwa erreicht nur in den Zürcher Bahnhofläden pro Quadratmeter höhere Umsätze als in der 2003 eröffneten 900 Quadratmeter grossen Flughafen-Filiale.

Die Verschiebung im Geschäftsmix spiegelt sich auf der Personalebene: Die Betreiberin von Kloten beschäftigt im Bereich Nebengeschäfte mit 682 Vollstellen mehr Leute als im Flugbetrieb mit 571.

Grösster Trumpf: 17 000 Parkplätze

Die Profitabilität des konsumentennahen Geschäfts ist bemerkenswert. Das Betriebsergebnis vor Abzug von Zinsen und Steuern (Ebit) in der Sparte «Non Aviation» betrug letztes Jahr 168 Millionen Franken. Damit ist klar: Der Flughafen lebt von einträglichen Nebengeschäften. «Im Flugbetrieb machen wir Verlust, wie die meisten Flughäfen», sagt dazu Unique-Chef Felder, «daran dürfte sich auf absehbare Zeit wenig ändern.» Weil dem so ist, muss Unique weiter diversifizieren. Ihr grösster Trumpf sind die 17 000 Parkplätze, davon 14 000 gedeckt, an zentraler Lage in Zürich-Nord. Unique hat zusätzlich die Bewilligung für ein weiteres Parkhaus mit 3000 Plätzen. Die Parkplätze wirken, neben dem unterirdischen Flughafen-bahnhof, wie ein Magnet auf Dienstleister wie Ärzte, Banken und Anwälte, aber auch auf Hotels.

Unique baut die Dienstleistungspalette in Kloten gezielt aus. Vor zwei Wochen war der Spatenstich für ein Hotel von Radisson SAS mit 339 Zimmern. Die noch bescheidenen Umsätze im Konferenzzentrum will man steigern. Und vielleicht kommt ja die Bewilligung des Bundes für ein Casino doch noch.

Tages-Anzeiger, 19.05.06