GNA: Mehr Kapazität mit neuer Technik (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Der gekröpfte Nordanflug wird auf deutscher Seite nicht zu übermässigen Lärmbelastungen führen, meint Lars Lindberg. Seine Firma Avtech hat an der Ausarbeitung des Anflugverfahrens mitgewirkt.

Oliver Steimann

Herr Lindberg, welches sind die Risiken eines gekröpften Nordanflugs, der zu einem grossen Teil mit dem PräzisionsNavigationssystem P?RNAV geflogen werden soll?

Lars Lindberg: Die mit einem solchen Anflugverfahren verbundenen Schwierigkeiten sind minimal für jene Flugzeuge, die über die entsprechende technische Ausrüstung verfügen. Unsere Analyse des Flugverkehrs in Zürich hat ergeben, dass mehr als 95 Prozent aller während der deutschen Sperrzeiten landenden Maschinen P?RNAV?tauglich sind.

Welche zusätzliche technische Ausrüstung bräuchte der Flughafen für dieses Verfahren?

Der Flughafen muss keinerlei Investitionen für technische Ausrüstungen tätigen. Die dafür nötigen Geräte befinden sich alle an Bord der Flugzeuge, und da 95 Prozent der Maschinen damit ausgerüstet und auch zertifiziert sind, wären die anfallenden Kosten sehr gering.

Wie steht es um die Zertifizierung des Verfahrens durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) und die Internationale Zivilluftfahrtsorganisation (ICAO)?

Am 10. November dieses Jahres hat das Bazl eigentümlicherweise das Informationszirkular zu P?RNAV im Schweizer Luftraum zurückgezogen, wegen «einer Menge von ungelösten und offenen Fragen zur Sicherheit, welche für die Einführung entscheidend sind». Die Schweiz ist jedoch das einzige Land im Einzugsgebiet der europäischen Flugsicherung Eurocontrol, das solche Bedenken vorgebracht hat.

Gibt es vergleichbare Anflugverfahren mit P?RNAV auf anderen Flughäfen?

Es gibt zahlreiche andere P?RNAVAnflüge, die momentan in Europa geflogen werden. Beispielsweise in Helsinki, Frankfurt, München, Bremen, Berlin oder Stockholm/Ängelholm.

Einer der umstrittensten Punkte ist der minimale Abstand, den die Flugzeuge zur deutschen Landesgrenze einhalten müssten.

Mit P?RNAV ist garantiert, dass das Flugzeug innerhalb einer Bahn von 2 nautischen Meilen (3,7 Kilometer) bleibt, denn die Abweichung von der vorgeschriebenen Route beträgt maximal 1 nautische Meile auf jede Seite. Mit dem vorgesehenen Grenzabstand von 1 nautischen Meile garantieren wir also, dass kein Flugzeug in den deutschen Luftraum eindringen wird.

Wie steht es um die Kapazität? Welche Einschränkungen ergeben sich hier durch die speziellen Wetterbedingungen in Kloten und mögliche Durchstarts von Piloten, die den Gekröpften zum ersten Mal fliegen?

Unsere Studien haben aufgezeigt, dass die Kapazitätsziele, wie sie Unique vorgegeben hat, erreicht werden können. Diese Studien haben die Wetter?Erfahrungswerte des Flughafens mit einbezogen. Durchstarts sind natürlich nicht optimal und verursachen eine Kapazitätsreduktion. Doch dieses Verfahren ist nicht schwierig zu fliegen, und es ist nicht zu erwarten, dass es mehr Durchstarts verursachen wird als ein anderer Anflug, der von Piloten zum ersten Mal geflogen wird.

Wie viel Lärm wird der neue Anflug verursachen, insbesondere auf der deutschen Seite des Rheins?

Wenn wir annehmen, dass die Flugzeuge auf dem vorgegebenen Weg bleiben, und in Betracht ziehen, dass die Abweichung dank P?RNAV eine nautische Meile nicht überschreitet, kommen wir zum Schluss, dass ein Airbus A340 auf der deutschen Seite keinen Geräuschpegel über 60 Dezibel verursachen würde.

Sogar die Zürcher Regierung hat festgestellt, dass der gekröpfte Nordanflug nie ein vollwertiger Ersatz für Ost? und Südanflüge sein wird. Trotzdem hoffen dies nach wie vor zahlreiche Anwohner. Was ist Ihre Einschätzung?

Der gekröpfte Nordanflug mit P RNAV wird gemäss unseren Simulationen die Erfüllung der Kapazitätsanforderungen an den Flughafen bis 2010 unterstützen können. Für die weitere Entwicklung des Flughafens bietet sich RNP (Required Navigation Performance) an. 15 bis 20 Prozent der Flugzeuge, die heute während der deutschen Sperrzeiten in Zürich landen und diese Zahl wird in den nächsten Jahren markant ansteigen ?, verfügen über RNP?Navigationsfähigkeit. Damit navigiert ein Flugzeug im Anflug unabhängig von Landesystemen am Boden. RNP?Anflüge werden bereits in vielen Teilen der Welt praktiziert, beispielsweise in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Österreich, Schweden und China. In Europa sind Innsbruck und Angelholm die beiden ersten. In den USA hat die Federal Aviation Administration (FAA) nun damit begonnen, RNP?Verfahren auf grossen, durch besondere Umstände eingeschränkten Flughäfen einzuführen. Diese Einschränkungen können durch das Gelände oder Lärmvorschriften bedingt sein. Oder, wie im Fall des Ronald Reagan Airport in Washington, durch Flugverbotszonen wie über dem Weissen Haus oder dem Pentagon. Im Fall von Zürich hat RNP für Landungen, Starts, Durchstarts oder Verfahren bei Triebwerkausfällen das Potential, die Kapazität zu steigern und den Flugbetrieb effizienter zu gestalten. Daraus resultieren geringere Auswirkungen auf die Umwelt und tiefere Kosten. Die ICAO wird ihre Regeln für RNP im kommenden Sommer publizieren.

Zur Person
Lars Lindberg ist Präsident und CEO der Firma Avtech im schwedischen Akersberga. Seine Firma wurde beigezogen, als Professor John Paul Clarke vom Massachusetts Institute of Technology 2004 auf Einladung von interessierten Kreisen aus dem Süden des Flughafens eine erste Variante des gekröpften Nordanflugs ausgearbeitet hat. Die Ausgestaltung des Verfahrens und die technische Analyse wurden von Avtech vorgenommen, die auch Tests in ihrem eigenen Simulator durchführte. Gemäss Lindberg haben die Experten von Avtech an zwei Workshops mit der Flughafenbetreiberin Unique und Skyguide teilgenommen, um einen Konsens über den gekröpften Nordanflug zu erarbeiten. (ost)

  ZSZ, 19.12.05


Weitere aktuelle Links zum Thema GNA, siehe auch:
Dossier GNA (VFSN)
Gekröpfter Nordanflug auf den Flughafen Zürich: Stand des Bewilligungsverfahrens (BAZL)
Das BAZL bestätigt: Der gekröpfte Nordanflug ist eine realistische Alternative zu Süd- und Ostanflug (Kommentar VFSN)
Ende der Südanflüge in Sicht (Fluglärmforum Süd)
Gekröpfter Nordanflug ist möglich (TA)
Leserbriefe zur BAZL-Mitteilung: Der GNA ist möglich