Fluglärm tangiert Schlaf trotz Nachtflugverbot (ETHZ)

Publiziert von VFSNinfo am
ETH Zürich präsentiert neue Erkenntnisse zur Belästigung durch Fluglärm

Zürich, 3.10.2005 / CC 62 / bm

ETH-Forschende haben nachgewiesen, dass zwischen tatsächlicher akustischer Belastung und subjektiv empfundener Belästigung durch Fluglärm ein geringerer Zusammenhang besteht als erwartet. Zudem wird Fluglärm in den Morgenstunden als störender empfunden als zu Beginn der Nacht. Morgenlärm löst auch stärkere physiologische Reaktionen aus. Mit der "Lärmstudie 2000" liegt ein aktuelles, detailliertes Bild vor, wie sich Fluglärm im Umfeld des Flughafens Zürich auf das Belästigungsurteil und den Schlaf von Anwohnerinnen und Anwohnern auswirkt.

Das ehemalige Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie der ETH Zürich hat von 2001 bis 2005 die Auswirkungen von Fluglärm auf die Zürcher Bevölkerung untersucht. Die "Lärmstudie 2000" ist hauptsächlich vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, vom Bundesamt für Gesundheit und von der Unique Flughafen Zürich AG finanziert worden.

Nicht-akustische Faktoren beeinflussen Belästigungsurteil

In den Jahren 2001 und 2003 befragte die ETH Zürich über 3000 zufällig ausgewählte Personen aus 57 Gemeinden um den Flughafen Zürich zur Belästigung durch Fluglärm. Parallel dazu berechnete die Empa Fluglärm-Belastungsdaten für jede Person. Die Vergleiche zeigen, dass zwischen effektiver Fluglärmbelastung und der empfundenen Belästigung ein geringerer direkter Zusammenhang besteht als erwartet. Der durchschnittliche Fluglärm am Wohnort der Befragten ist nur zu etwa 15% an der Entstehung des Belästigungsurteils beteiligt. Dies bedeutet, dass weitere, nicht-akustische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. So zeigt sich, dass die vermutete Entwicklung der Lärmbelastung, die umweltpolitische Einstellung, das Vertrauen in die Behörden und die Zufriedenheit mit dem Wohnort das persönliche Belästigungsurteil massgeblich mitbeeinflussen.

"Fluglärm unerfahrene" Personen reagieren stärker belästigt

Die Befragungen haben ergeben, dass die Gesamtbelästigung durch Fluglärm in erster Linie anhand der Geräuschkulisse vor dem eigenen Haus beurteilt wird und nicht so sehr danach, wie sich die Lärmsituation im Hausinneren präsentiert. Flughafenanwohnerinnen und -anwohner, die durch die Ostanflüge zusätzlich mit Fluglärm behelligt wurden, reagierten bei gleicher Lärmmenge wesentlich stärker belästigt als "Fluglärm erfahrene" Personen im Norden oder Westen des Flughafens.

Morgenlärm stört Schlaf stärker als Abendlärm

Fluglärm beeinflusst den Schlaf der Bevölkerung in den so genannten Nachtrandstunden. Über 80% der Bevölkerung geht vor Beginn des Nachtflugverbots (0:00 Uhr) zu Bett und steht erst nach dessen Ende (6:00 Uhr) auf. Die ETH-Forschenden simulierten bei 60 freiwilligen Versuchspersonen zu Hause in jeweils 30 aufeinander folgenden Nächten unterschiedlich starke und unterschiedlich viele Fluggeräusche. Die Versuchspersonen reagierten sowohl mit zunehmendem Maximalpegel als auch mit zunehmender Häufigkeit der Fluggeräusche stärker belästigt. Fluglärm in den Morgenstunden wird dabei als deutlich lästiger empfunden als Fluglärm zu Beginn der Nacht bzw. zu Beginn des Nachtschlafes.

Stärkste Reaktion durch erstes frühmorgendliches Fluggeräusch

Die ETH-Forschenden massen bei den Versuchen objektive Schlafqualitätsparameter wie Herzfrequenz oder Bewegungsaktivität. Gleichzeitig erhoben sie mit "Befindlichkeitstagebüchern" eine subjektive Einschätzung des Schlafes, bzw. der Schlafqualität. Nicht nur die subjektive Einschätzung, auch die schlafphysiologischen Untersuchungen zeigen ein zeitliches Muster. Die Schlafqualität verbessert sich durch eine Reduktion der Anzahl Flüge frühmorgens nicht notwendigerweise, denn das erste Fluggeräusch führt in der Regel zu den stärksten körperlichen Reaktionen. Die Heftigkeit der Reaktion ist auch vom Maximalpegel abhängig. Zudem zeigt sich, dass sich schnelle Änderungen des Lärmpegels, verursacht zum Beispiel durch ein landendes Flugzeug in der Anflugschneise, bei gleichem Maximalpegel schwerwiegender auf den Schlaf auswirken als Fluggeräusche mit flacherem Pegelverlauf. Die Störwirkung eines einzelnen Überfluges hängt also auch von dessen Geräuschstruktur ab. Die ETH-Forschenden möchten den Einfluss der Geräuschstruktur auf die Aufwachwahrscheinlichkeit im Schlaf in einer weiteren Studie im Detail untersuchen.

Grosse individuelle Unterschiede

Die in der Feldstudie untersuchten Personen reagierten individuell sehr unterschiedlich auf den simulierten Lärm. Dies gilt sowohl für die Belästigung als auch auf physiologischer Ebene. Die Lärmempfindlichkeit oder die umweltpolitische Einstellung einer Person wirken sich beispielsweise stark auf das Belästigungsempfinden aus. Dies unterstreicht die Bedeutung von subjektiven Einflussgrössen in der Lärmwirkungsforschung.

Pressemitteilung ETHZ, 03.10.2005



Kontakt:

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Lärmstudie 2000

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Corporate Communications
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