«Wir Südschneiser haben einen langen Schnauf» (Glattaler)

Publiziert von VFSNinfo am

Mit der dritten Grossdemonstration innert dreier Jahre will der VFSN der Politik Beine machen. Und zeigen, dass die Opposition im Süden nicht eingeschlafen ist, wie Vereinspräsident Thomas Morf im Interview betont.

Interview: Walter von Arburg

«Glattaler»: Was macht eigentlich der VFSN? Es ist in letzter Zeit ruhiger geworden um ihn.

Thomas Morf: Oh, wir sind keineswegs untätig. Aber es waren Sommerferien, und wir stecken mitten in den Vorbereitungen der Demonstration in Zürich. Das absorbiert enorm, auch wenn der Aufwand nicht mehr derselbe ist wie für die erste Grosskundgebung.

Enthusiasmus für eine Sache lässt sich nicht so einfach über längere Zeit konservieren. Befürchten Sie nicht, am 3. September um 13.30 Uhr alleine beim Landesmuseum zu stehen?

Morf: (lacht) Nein, mindestens meine Helfer - und das sind 30 bis 40 Leute - werden auch dort sein. Aber Spass beiseite, die meisten Schneiser haben keineswegs resigniert. Zum Beispiel reklamieren viele Dübendorfer bei den Verantwortlichen, wenn Flugzeuge immer wieder über das obere Glattal hinweg starten, obschon der Wide Left Turn eigentlich nicht geflogen werden darf. Der Widerstand ist längst nicht eingeschlafen. Ich rechne, dass rund 5000 Teilnehmende die Bahnhofstrasse in ein gelbes Meer verwandeln. Nach der Devise «Wir bekennen Farbe».

Warum ist eine erneute Grosskundgebung nötig?

Morf: Als Signal an alle Verantwortlichen, dass der Widerstand gegen den Gesetzesbruch ­die Südanflüge - nicht erlahmt. Auch wenn Zermürbung das Ziel von Hinhaltetaktik und Verschleppung von Verfahren ist, mit denen die offiziellen Stellen in diesem Fall agieren. Wir haben einen langen Schnauf, wie auch die Mahnwachen beweisen, die am Flughafen nach wie vor abgehalten werden. Bis jetzt konnten wir unsere Meinung zu den Südanflügen nie an der Urne bekunden, darum betreiben wir halt «Abstimmung mit den Füssen».

Ferien scheinen Sie ebenso wenig zu kennen wie die Politik, die in der Person von Regierungsrätin Rita Fuhrer Ende Juli in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» brisante Aussagen machte, die Sie vor den Kopf gestossen haben dürften. Dabei sahen Sie in Frau Fuhrer zu Beginn ihrer Tätigkeit als Volkswirtschaftsdirektorin eine Hoffnungsträgerin.

Morf: Das besagte Interview hat mich in der Tat sehr befremdet. Nach unserer Diskussionsveranstaltung von Anfang Juli mit Frau Fuhrer in der Zwicky-Fabrik in Fällanden war ich auf Grund der Aussagen der Regierungsrätin überzeugt, dass sie unsere Interessen in den wesentlichen Punkten teilt. Das Interview hat in mir wieder starke Zweifel aufkommen lassen.

Immerhin bestreitet Frau Fuhrer aber nicht, dass der Lärm die Menschen in der Anflugschneise in ihrem Wohlbefinden stört.

Morf: Alle reden immer vom Lärm. Doch der ist nur ein Aspekt. In erster Linie sollte von der Sicherheit gesprochen werden. Gerade die jüngste Vergangenheit zeigt, dass bei der Fliegerei trotz aller Sicherheitsmassnahmen ein Restrisiko bleibt. Unfälle wird es also auch immer geben. Und weil das grösste Unfallrisiko beim Landeanflug besteht, sind wir ja auch so gegen die Südanflüge, die über das dichtest besiedelte Gebiet der Schweiz führen.

Aber auch eine Plafonierung der Flugbewegungen, die Frau Fuhrer notabene grundsätzlich ablehnt, vermag die Südanflüge nicht überflüssig zu machen.

Morf: Falsch. Zusammen mit dem gekröpften Nordanflug während der deutschen Sperrzeiten wären so die Südanflüge und die zusätzlichen Ostanflüge nicht notwendig. Zudem sind die Rahmenbedingungen nötig, damit die Flughafenturbos endlich ihren Traum von einer grossen europäischen Drehscheibe in Zürich vergessen. Wenn bloss auf Lärmdämmmassnahmen bei den Flugzeugen gesetzt wird, dann ist das wenig realistisch, weil die technischen Möglichkeiten heute bereits weitgehend ausgereizt sind.

Bei einer Plafonierung befürchtet der Regierungsrat den Verlust von Arbeitsplätzen. Sehen Sie diese Gefahr nicht auch?

Morf: Das Argument der Arbeitsplätze kommt immer dann, wenn einem keine anderen mehr einfallen. Eine Studie des Büros Infras kommt zum Schluss, dass die Wirtschaft hei gutem Wachstum den Arbeitsplatzverlust durch eine Plafonierung wett macht. Man sollte nicht nur mögliche negative Auswirkungen sehen, sondern auch die Chancen, die eine gesunde Beschränkung schafft. Ich möchte an dieser Stelle einmal mehr betonen, dass wir um die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens wissen und ihn auf keinen Fall abwürgen wollen. Aber wir sind der Meinung, dass man endlich Abschied nehmen sollte von der Idee eines Flughafens als bedeutende Drehscheibe für den Weltluftverkehr - und das fast mitten in der Stadt Zürich.

Haben Sie einen Vorschlag, wie eine Plafonierung eingeführt werden kann, ohne dass die Wirtschaftlichkeit des Flughafens gefährdet wird?

Morf: Die Zahl der Flugpassagiere, die in Zürich Kloten ein- und aussteigen, soll zahlenmässig nicht beschränkt werden. Hingegen sollte die Zahl der Umsteigepassagiere auf tiefem Niveau limitiert werden. Umsteiger bringen der hiesigen Wirtschaft nämlich fast gar nichts.

Aber der Flughafen betont, dass er Zubringerflüge braucht, um die Langstreckenflüge ab Zürich auszulasten.

Morf: Wenn Sie ein Angebot bereitstellen, das nicht der Marktnachfrage entspricht, dann kann man auch Überkapazitäten abbauen. Wohin übertriebene Wachstumseuphorie führt, hat uns die Swissair gezeigt. Nur mit einem vernünftig grossen Flughafen, der auf die Bedürfnisse von Schweizer Wirtschaft und Bevölkerung abgestimmt ist, und einer Rückkehr zum Status quo ante, also zur Nordausrichtung des Flughafens, lässt sich die Problematik in Zürich auflösen.

Aber die Deutschen werden sicherlich nicht einwilligen, dass man zum ursprünglichen Status zurückkehrt.

Morf: Das steht zu befürchten. Dazu haben sich einige Politiker bereits zu weit zum Fenster hinausgelehnt. Aber die Einführung des gekröpften Nordanflugs während der deutschen Sperrzeiten ist da meiner Ansicht eine salomonische Lösung des Problems. Es würde über Schweizer Gebiet geflogen, was die Deutschen fordern. Damit würde kein deutscher Politiker sein Gesicht verlieren. Damit wären aber auch die Süd- und zusätzlichen Ostanflüge überlüssig. Und der Umwelt wäre auch geholfen, wenn die Flugzeuge nicht jedes Mal eine Runde bis zu den Voralpen drehen müssten.

Glattaler, 26. August 2005


Gelb zeigen

Mit der Grossdemonstration von Samstag, 3. September, durch die Bahnhofstrasse will der VFSN Farbe bekennen. Gelbe Farbe. Die Veranstalter hoffen auf einen gelben Fluss, der sich ab 14 Uhr die Promeniermeile hinauf zum General-Guisan-Quai ergiesst, wo die Schlusskundgebung stattfindet. Als Redner treten der Dübendorfer National- und Stadtrat Martin Bäumle, der Zürcher Stadtrat Robert Neukomm, der Wädenswiler Stadtpräsident Ueli Fausch und VFSN-Präsident Thomas Morf auf. Besammlung zur Kundgebung ist um 13.30 Uhr beim Landesmuseum. (gl)