Rigides Regime (Weltwoche)

Publiziert von VFSNinfo am

Die veraltete «Charter-Regelung» kommt die Swiss teuer zu stehen.

Die Passagiere des Swiss-Flugs LX 288, der in der Nacht auf den 6. August von Zürich nach Johannesburg hätte fliegen sollen, waren bereits angeschnallt, als der Start wegen eines «technischen Problems» auf den nächsten Tag verschoben wurde. 226 Reisende mussten ihre Termine umkrempeln und in Zürich übernachten, bei der Airline schlug die Übung mit einem Mehraufwand von mindestens 100000 Franken zu Buche. Dabei hätte die Panne schnell und gefahrlos behoben werden können, wenn nicht die Sturheit eines Funktionärs – oder, je nach Auslegung, eines Reglements – dazwischengekommen wäre.

Bei einem Routinecheck wurde zwei Stunden vor dem Start ein Fehler beim Radar des Airbus 340 festgestellt. Ein Swiss-Pilot, der mit seinem Jumbolino in Frankfurt stationiert war, sollte das Ersatzteil notfallmässig aus Deutschland einfliegen. Um 23.20 Uhr setzte der Jumbolino zum Landeanflug auf Zürich Kloten an und meldete beim Tower die Ankunft um spätestens 23.40 Uhr. Die Antwort: ein knallhartes «Njet». Denn der Flughafenbetreiber Unique stufte den leeren Linienflieger mit dem Ersatzteil als «Charter-Flug» ein. Und Charter dürfen in Zürich nach 23.30 Uhr nicht mehr landen. Der Jumbolino wurde nach Frankfurt zurückgeschickt.

Die «Charter-Regelung» stammt aus einer Zeit, als viele Billigflieger noch mit lauten Maschinen anflogen. Die Realität ist längst eine andere, doch der Kanton Zürich wehrt sich standhaft gegen eine flexiblere Lösung. «Ein- bis zweimal im Monat», so die Pressesprecherin des Luftraumüberwachers Skyguide, müsse eine verspätete Maschine, die sich bereits im Schweizer Luftraum befinde, nach München oder Milano umgeleitet werden. Trifft ein Airliner am Morgen zu früh ein, lässt man ihn in einem Warteraum bis zum Ende des Landeverbots herumlärmen.

Während in Swissair-Zeiten die Verletzung der Nachtflugbeschränkungen zum Alltag gehörte, spielen die Schweizer heute mit einem europaweit einzigartig restriktiven und rigiden Regime den Musterknaben. Das wird nicht nur für die Swiss, sondern auch für Unique zusehends zur wirtschaftlichen Belastung.

Zwar kennen auch Konkurrenten wie München und Milano, die in den letzten Jahren auf Kosten von Zürich Kloten massiv expandiert haben, Nachtflugbeschränkungen. Doch diese richten sich nicht nach schwer nachvollziehbaren politischen Kriterien, sondern lediglich nach dem, was bekämpft werden soll: den effektiven Lärmimmissionen. (Weltwoche, Ausgabe 33/05)

Kommentar VFSN:
Ein Kompliment an Unique und Skyguide, dass sie in diesem Fall für das Einhalten geltender Regeln sorgten. Auch eine "leise" Maschine erzeugt einen Lärm, der für zehntausende über der Aufwachschwelle liegt. Es lässt sich immer ein guter Grund für eine Ausnahme finden, sämtliche Regeln würden dadurch nach und nach aufgeweicht und schliesslich überflüssig. In diesem Fall wussten die Verantwortlichen bereits beim Start des Jumbolinos, dass eine rechtzeitige Ankunft nicht möglich sein würde. Eine andere Möglichkeit wäre, wichtige Ersatzteile in Kloten auf Lager zu halten. Die Reparaturarbeiten wären wohl frühestens um 01:00 Uhr erledigt gewesen. Ein Start wäre dann so oder so nicht mehr möglich gewesen. Erfreulich, dass die Skyguide dem konstruierten Sachzwang nicht nachgegeben hat.

Trotzder der einseitigen Darstellung des Falls, ist eine überwältigende Mehrheit der Weltwochenleser gegen die Lockerung der Nachflugbeschränkungen.
Umfrage der Weltwoche:  «Sind Sie für eine Lockerung der Nachtflugbeschränkungen in Zürich-Kloten?»