Wetteifern mit Dubai Airport? (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Neue Studien zu Gesundheitsschäden infolge des Fluglärms mahnen zur Vorsicht: Herzinfarkte sind anderthalbmal und Diabetes doppelt so häufig in der Nähe unserer Landesflughäfen als anderswo.   Aber am meisten schadet der Fluglärm den Kindern. Das Budesamt für Zivilluftfahrt und die Flugwirtschaft zeigen sich von alldem ungerührt und planen weiterhin den grosszügigen Ausbau des Flugverkehrs.

Der Zürcher Flughafen befördert 27 Millionen Passagiere pro Jahr, Dubai 80 Millionen. In seinem Bericht zur Luftfahrtpolitik (Lupo) von 2016 beklagt der Bundesrat die Benachteiligung von Zürich: Dubai operiert angeblich mit günstigeren ökonomischen Bedingungen. Der Bundesrat befürchtet, dass der Hub in Zürich schon bald nicht mehr rentabel zu betreiben ist. Deshalb fordert er längere Betriebszeiten, den Ausbau der Pisten und tiefere Gebühren. Ist dies die einzig mögliche Antwort auf die Expansion des Mega-Hubs in Dubai?

Der bundesrätliche Vergleich mit Dubai hinkt. Die Schweiz ist für einen Mega-Hub zu dicht besiedelt und zu kleinräumig. Die Wirtschaft kennt nicht nur das unbegrenzte Wachstum, sondern auch die optimale Betriebsgrösse. Und diese könnte beim Flughafen Zürich bald erreicht sein. Denn laut dem Lupo stösst er an seine Kapazitätsgrenzen. Ohne Pistenausbau und längere Betriebszeiten ist ein grösseres Wachstum kaum mehr möglich. Aber beide Forderungen stossen bekanntlich auf erbitterten Widerstand. Am meisten Ablehnung erfährt jedoch die Absicht des Budesrates, den Kantonen die Entscheidungsbefugnis beim Ausbau des Flugverkehrs weitgehend aus der Hand zu nehmen.

Welchen Flughafen braucht unser Land? Zürich soll wie bisher die internationale Anbindung der Schweiz sicherstellen, mehr nicht. Die Forcierung des Hub-Verkehrs bringt der Schweizer Wirtschaft wenig. Die Umsteigepassagiere besuchen weder unsere Läden noch unsere Ferienorte. Aber sie belasten die Umwelt.

Für 2030 sind in Zürich 336 000 Flüge geplant, 30 Prozent mehr als heute. Die Lärmgrenzwerte werden schon jetzt um Kloten herum grossflächig überschritten, an einigen Orten sogar die Alarmwerte. In Oberglatt etwa betrug 2015 der Durchschnittslärm von 23 bis 24 Uhr 63 Dezibel, deutlich mehr als der Alarmwert von 60 Dezibeln – aber wo bleibt der Alarm? Wir haben eine Familie in Oberglatt besucht in einer alten Villa inmitten eines grossen Gartens mit altem Baumbestand. Diese Familie geht nur noch zum Rasenmähen in den Garten, der Fluglärm sei draussen zu allen Zeiten unerträglich.

Auch dort, wo die Lärmgrenzwerte eingehalten werden, gewähren sie keinen Schutz der Gesundheit und der Lebensqualität. Das Bundesgericht hat deshalb schon 2010 ihre Revision verlangt, bisher erfolglos. Eine neue Studie der Universitäten Basel und Zürich mit dem passenden Namen «Sirene» hat gezeigt, dass die Häufigkeit tödlicher Herzinfarkte schon ab einem durchschnittlichen Fluglärm von 40 Dezibeln ansteigt. Tödliche Herzinfarkte sind in der Nähe der Flughäfen Basel, Genf und Zürich bis zu 48 Prozent häufiger als anderswo in der Schweiz, dies ist seit 2010 bekannt. Die 2017 publizierte Studie «Sapaldia» hat gezeigt, dass Diabetes in der Nähe unserer Landesflughäfen doppelt so häufig vorkommt wie anderswo. Über Fluglärmschäden bei Kindern haben wir früher berichtet.

Auch wer sich subjektiv vom Fluglärm nicht gestört fühlt, erfährt dieselben Schlafstörungen, denselben Blutdruckanstieg und das gleiche Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie subjektiv gestörte Personen. Gemäss einer Absichtserklärung des Budesrates im Lupo «sollen die Lärmbelastungen weiter reduziert werden». Doch weiter hinten liest man: «Eine Zunahme des Lärms ist aufgrund der steigenden Bewegungszahlen nicht zu verhidern.» Difficile est satiram non scribere.

Gastkommentar von HANS GÖSCHKE

Hans Göschke befasst sich als Arzt mit den Folgen des Fluglärms

NZZ, 29.08.2017, Seite 9