Bund will weniger Nachtflüge in Zürich (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
In der Nacht wird am Flughafen Zürich die zulässige Lärmbelastung teilweise erheblich überschritten. Dies zeigt ein Bericht für das Jahr 2015. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt fordert Massnahmen – und bringt unter anderem höhere Fluglärmgebühren und eine Reduktion der Zahl der Slots ins Spiel.

Der Streit um die nächtliche Lärmbelastung am Flughafen Zürich erhält frische Luft. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hat am Donnerstag den Bericht veröffentlicht, in dem der Flughafen Zürich die Lärmbelastung nach den Vorgaben der Lärmschutzverordnung ausweist. Das Fazit des Berichts, der sich auf das Jahr 2015 bezieht: Am Tag wurde die zulässige Lärmbelastung weitgehend eingehalten. In der Nacht, von 22 bis 24 Uhr, wurden aber teilweise erhebliche Überschreitungen festgestellt. In seiner Qualifizierung des Berichts fordert das Bazl, dass der Flughafen im nächsten Bericht, der im September zu erwarten ist, Massnahmen zur Verbesserung der Situation vorschlägt.

Ermittelt wurde die zulässige Lärmbelastung für das Jahr 2015 aufgrund von Prognosen, die aus dem Jahr 2003 stammen. Dass die Vorgaben überschritten wurden, hat laut dem Flughafen vor allem zwei Gründe, wie er im Bericht aufführt. In der ersten Nachtstunde sei vor allem der Süden betroffen, weil von 22 bis 23 Uhr mehr Landungen stattfänden als 2003 angenommen und weil die Piste 28 nicht für alle Flugzeuge nutzbar sei. In der zweiten Nachtstunde beträfen die Überschreitungen Gebiete im Norden des Flughafens. Bedingt sei diese Differenz durch die gegenüber der Prognose grössere Zahl von verspäteten Starts, vor allem von schweren Langstreckenflugzeugen, was aufgrund der strengeren Grenzwerte für diese späte Stunde starke Auswirkungen auf die Lärmbelastung habe.

Aargauer Regierung fordert Durchsetzung der Regeln

Aufgeführt sind in dem Bericht auch die Reaktionen der Kantone. Der Kanton Aargau hält fest, dass die festgelegte Abgrenzung der Gebiete mit Grenzwertüberschreitung massiv übertroffen worden sei, in der Gemeinde Würenlingen sei sogar der Immissionsgrenzwert überschritten, und zwar um drei Dezibel, was einer Verdoppelung des Verkehrsaufkommens gleichkomme. Die Überschreitung des Planungswerts betreffe grosse Flächen im Aargauer Limmattal bis ins Reusstal. Die Aargauer Regierung kritisiert, dass der Flughafen keine Massnahmen aufzeige, die bedeutende Verbesserungen brächten – deshalb sei der Bericht zurückzuweisen. Festgelegte Regeln müssten durchgesetzt werden.

Zurückhaltender äussert sich der Kanton Schaffhausen. Von nächtlicher Lärmbelastung betroffen seien die Gemeinden Buchberg und Rüdlingen, schreibt der Regierungsrat. Der Bericht des Flughafens sei indes nachvollziehbar und konsistent.

Kritik auch aus Zürich

Ernüchtert – so beschreibt die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion ihr Fazit zum Bericht des Flughafens. Es würden keine Massnahmen aufgezeigt, die kurz- und mittelfristig einen Beitrag zur Einhaltung des genehmigten Lärms leisten würden. Auch fehle eine Analyse, auf die solche Massnahmen abgestützt werden könnten. Stattdessen verweise der Flughafen wiederholt auf seinen bereits gestellten Antrag, die zulässigen Lärmimmissionen auszuweiten. Die vom Zürcher Regierungsrat formulierte Forderung nach einer Verbesserung der Verspätungssituation und der Einhaltung der siebenstündigen Nachtruhe entspreche einer breiten abgestützten politischen Haltung – der Flughafen müsse sie nun ernst nehmen. Dabei müsse namentlich geprüft werden, wie die Zahl der verspäteten Flüge nach 23 Uhr reduziert werden könne.

Bund bringt Slot-Reduktion ins Spiel

Das Bazl selber folgt dieser Argumentation in seiner Beurteilung über weite Strecken. So fordert es vom Flughafen, zu den Ursachen der heutigen Verspätungssituation eine umfassende Analyse zu erstellen. Der nächste Bericht müsse zudem ein Massnahmenpaket enthalten, wie der genehmigte Lärm künftig eingehalten werden könne. Dabei sei auch zu prüfen, ob über die Fluglärmgebühren eine bessere Steuerung erzielt werden könne. Zudem solle der Flughafen ins Auge fassen, für die Nachtrandstunden am Abend und von 22 bis 23 Uhr weniger Slots zu vergeben beziehungsweise sie auf die Zeit vor 22 Uhr 30 zu beschränken. Die Auswirkungen dieser Option auf den Drehkreuzbetrieb und die wirtschaftliche Tragbarkeit seien im Bericht auszuweisen.

Sonja Zöchling, Sprecherin des Flughafens, stellt in Aussicht, dass die geforderten Punkte im nächsten Bericht erörtert würden. Die Gründe für die Überschreitungen der zulässigen Lärmbelastung in den Nachtstunden lägen auf der Hand. Zum einen sei die zulässige Lärmbelastung anhand von Prognosen aus dem Jahr 2003 festgelegt worden und stamme also aus einer Zeit, in der die Swiss noch jung gewesen sei, die Zahl der Flugbewegungen für das Jahr 2015 sei massiv unterschätzt worden. Zum anderen führten Kapazitätsengpässe am Tag dazu, dass sich oft Verspätungen anhäuften, die tagsüber nicht abgebaut werden könnten, und die Nachtstunden mitgenommen würden.

Neue Verfahren erst in einigen Jahren

Der Flughafen hat laut Zöchling zusammen mit den Partnern schon zahlreiche Einzelmassnahmen umgesetzt. Effektive Verbesserungen brächten aber vor allem neue Verfahren, wie sie im Betriebsreglement 2014 und im zweiten Teil des Sachplans Infrastruktur der Luftfahrt (SIL 2) vorgeschlagen würden. Die vorgesehenen Neuerungen, wie die Entflechtung des Ostkonzepts, Verlängerungen der Pisten 28 und 32 sowie Südstarts geradeaus bei Bise, könnten aufgrund der langwierigen Verfahren aber erst in einigen Jahren umgesetzt werden.

Der Forderung nach einer Reduktion der Zahl der Slots steht Zöchling kritisch gegenüber. Einerseits stimme es nicht, dass der Flughafen die Zahl der Slots ausgebaut habe – es gehe um Bestandessicherung. Anderseits sagt Zöchling: «Wir sind der grösste Schweizer Flughafen, der Hub der Schweiz, haben aber weniger Flüge nach 23 Uhr als die Flughäfen in Basel und Genf, die insgesamt viel weniger Bewegungen aufweisen.» Mit Zürich vergleichbare Flughäfen wie Kopenhagen, Frankfurt oder Wien würden nach 23 Uhr sogar ein Vielfaches an Bewegungen abwickeln.

NZZ, 03.08.2017