Flughafeninitiative landet vor Bundesgericht (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Politisch ist die Volksinitiative «Pistenveränderungen vors Volk» im Ziel: Ein Referendum ist nicht ergriffen worden.
Dafür wird das Begehren nun ein Fall für das Bundesgericht.

von Andreas Schürer

Das Bundesgericht wird sich wieder mit dem Zürcher Kantonsrat befassen dürfen. Das weckt Erinnerungen: Zuletzt musste das Zürcher Parlament vor dem höchsten Gericht arg untendurch. So rügte das Bundesgericht den Kantonsrat letztes Jahr, dass er die Umsetzung der Kulturland-Initiative nicht dem Volk vorlegte und in der Umsetzung der Seeuferweg-Vorlage das Eigentumsrecht zu absolut schützte; Enteignungen dürften nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Jetzt geht es um die vom Verein Pro Flughafen angestossene Volksinitiative «Pistenveränderungen vors Volk». Der Kantonsrat unterstützte diese Anfang September mit 123 zu 48 Stimmen klar. Nun zeigt sich: Politisch ist das Begehren im Ziel, ein Referendum wird nicht ergriffen. Ein frühzeitiges «happy landing» der Initiative vereiteln aber die AL und die Grünen: Sie wehren sich vor Bundesgericht, wie sie gegenüber der NZZ ankündigen.

Drohung wird wahr gemacht

Für politischen Widerspruch ist die Frist am Dienstag abgelaufen. Rein theoretisch könnte ein Referendum zwar noch per B-Post bei der Direktion der Justiz und des Innern eintreffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies noch der Fall sein wird, tendiert jedoch gegen null, zumal alle Parteien und alle wichtigen Organisationen abwinken. Thomas Hardegger, SP-Nationalrat und Präsident des Schutzverbands der Bevölkerung rund um den Flughafen, sagt etwa: «Die Initiative ist zwar völlig unnötig. Wir konzentrieren unsere Kräfte aber auf den Zeitpunkt, wenn ein konkretes Ausbauprojekt vorliegen wird.» Ein solches zeichnet sich ab: Der Bund drängt auf Verlängerungen der Pisten 28 und 32, im neuen Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) sind die Ausbauten denn auch explizit vorgesehen.

Ganz so reibungslos wird es für die Initianten aber nicht laufen: AL-Fraktionschef Markus Bischoff macht seine am Rande der Kantonsratsdebatte im September geäusserte Drohung wahr – und will sich mit dem Gang ans Bundesgericht gegen die Umsetzung der Initiative wehren. Die Grünen unterstützen diese Beschwerde, wie Fraktionschefin Esther Guyer sagt.

Protokolle des Verfassungsrats hervorgeholt

Bischoff und Guyer stossen sich daran, dass willkürlich in einem Einzelfall ein negatives Referendum eingeführt werden soll. Die Initiative verlangt tatsächlich, dass in einem Bereich auch gegen ablehnende Beschlüsse des Kantonsrats ein Referendum möglich sein soll. Konkret soll im kantonalen Flughafengesetz festgehalten werden, dass das Volk auch dann das letzte Wort haben kann, wenn der Kantonsrat eine vom Flughafen Zürich beantragte Verlängerung einer Piste ablehnt. Laut heutigem Recht ist ein Referendum nur möglich, wenn das Parlament den Pistenausbau genehmigt. Bischoff hält die neue Regelung für unzulässig. Er habe die Protokolle des Verfassungsrats unter die Lupe genommen, die in der Zeit entstanden, als die 2005 vom Volk angenommene neue Kantonsverfassung erarbeitet worden sei. Nirgends sei ein Hinweis darauf zu finden, dass der Verfassungsrat auch negative Referenden in Betracht gezogen habe. Diese seien nun zwar nicht explizit ausgeschlossen. Es werde bei der Lektüre der Protokolle aber klar, dass sie nicht mitgemeint seien – weil ganz offensichtlich nur an Referenden gegen positive Beschlüsse gedacht worden sei.

Gutachten stützt Initianten

Christian Bretscher, Geschäftsführer des Komitees Pro Flughafen und ehemaliges Mitglied des von Bischoff angesprochenen Verfassungsrats, hält dies für eine abenteuerliche Argumentation. Offenkundig sei vielmehr, dass die AL und die Grünen Angst vor dem Willen des Volkes hätten und nun, statt ein Referendum zu ergreifen, auf dem Rechtsweg Verzögerungen erreichen wollten. Einem allfälligen Gerichtsverfahren sehe er aber gelassen entgegen. Zum einen habe der Verfassungsrat sehr bewusst eine Formulierung gewählt, die das Referendumsrecht nicht einschränke. Zum anderem hätten sie die rechtliche Ausgangslage genau analysiert und bei den Staatsrechtlern Tobias Jaag und Markus Rüssli ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zum eindeutigen Schluss gelange, dass die Initiative verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Tatsächlich lautet das Fazit des Gutachtens, das der NZZ vorliegt: «Weder die Bundes- noch die Kantonsverfassung schliessen aus, dass ablehnende Entscheide des Kantonsrats dem Referendum unterstellt werden. Einzige Voraussetzung ist, dass das kantonale Recht die Möglichkeit eindeutig vorsieht.» Mit der vorgeschlagenen Änderung des Flughafengesetzes sei dies der Fall.

NZZ, 17.11.2016