«Wir werden angelogen und über den Tisch gezogen» (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Die Auflage der neusten Pläne des Bundes für den Flughafen stehen unmittelbar bevor. In Küsnacht wappnen sich die Fluglärmgegner bereits für den Fall, dass Südstarts geradeaus eingeführt werden.

von Philippa Schmidt

Der Unmut über den Fluglärm war förmlich greifbar: Gut 180 Interessierte besuchten den Informationsabend über die Südstarts am Dienstag in Küsnacht. Der Gastgeber, das Bürgerforum Küsnacht, musste im reformierten Kirchgemeindehaus sogar nachstuhlen. Kontrovers war die Veranstaltung nicht; vielmehr referierten mit Matthias Dutli, Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VSFN), und Markus Ernst (FDP), der als Vertreter der Behördenorganisation Fluglärmforum Süd vor Ort war, zwei vehemente Gegner der Südstarts.
Für Emotionen sorgte die Tatsache, dass der Bund Ende September den zweiten Teil des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL II) vorlegen will. Vorab sind bereits Informationen durchgesickert: So berichtete die NZZ von 1000 Südstarts jährlich, die geplant seien. Im SIL legt das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) die Ziele und Vorgaben für die Zivilluftfahrt verbindlich fest. Moderator Peter Ritter vom Bürgerforum verglich den Plan mit einer Menükarte, aus welcher der Flughafen sich bedienen könne.

«Wie ein Presslufthammer»

Die Stossrichtung von Dutli bezüglich des neuen Plans war deutlich. «Wir müssen die Südstarts aus dem SIL-Objektblatt herausbekommen», beschwor er die Anwesenden. Ansonsten seien 16 Stunden täglich Südstarts geradeaus möglich. Der Zumiker kritisierte vor allem den breiten Flugkorridor, der bei Südstarts geradeaus zu erwarten sei. «Wenn man die Starts streut, hat niemand Anspruch auf Lärmentschädigung – aber den Lärm haben wir trotzdem.» Dabei bezog er sich auf Erfahrungen aus dem Jahr 2000, als Südstarts provisorisch durchgeführt wurden. Ritter verglich die Südstarts über Küsnacht von der Lautstärke her mit einem Presslufthammer.
Auf die Frage einer Bürgerin nach den gesundheitlichen Auswirkungen führte Dutli aus, dass nicht nur der Lärm, sondern auch die Kerosindämpfe schädlich seien. Ein Thema war zudem die Sicherheit. So erklärte Markus Ernst, dass sich über die Hälfte aller Flugunfälle im Umfeld des Flughafens ereigne. Bereits Dutli hatte anhand von Bildervergleichen zwischen den Gebieten nördlich und südlich des Flughafens gezeigt, dass die von Südstarts betroffenen Gebiete wesentlich dichter besiedelt und bebaut sind. Ernst doppelte mit drastischen Bildern von Flugzeugabstürzen in Jakarta und Tokio nach. Sicherheit ist auch ein Argument, das die Befürworter von Südstarts bewegt. In Kombination mit Nordanflügen liesse sich mit Südstarts geradeaus kreuzungsfrei starten und landen. Dutli vermutet dahinter allerdings den Wunsch nach Kapazitätssteigerung: «Wenn wir kreuzungsfrei fliegen, behindern sich startende und landende Flieger nicht mehr und sind so schneller wieder von der Piste.»

«Verärgerung über Berlin

Überhaupt geisselte er Sicherheitsbedenken der Befürworter als vorgeschoben: «Bei allem, was das Bazl und die Swiss durchführen wollen, sagt man, es sei für die Sicherheit.» Doch nicht nur die Südstarts, auch die Südanflüge, die bereits seit 2003 praktiziert werden, gaben zu reden. Sie seien per Notrecht eingeführt worden, sagte Dutli. Als diese eingeführt worden seien, habe man vor den Schwaben einen Knicks gemacht, bekräftigte ein Zuhörer. Er erntete spontanen Applaus. Überhaupt gab der ausstehende Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland zu reden. So präsentierte Dutli etwa als Lösung für die Lärmprobleme den gekröpften Nordanflug. Bern verweigere diesen aber, weil er Deutschland zu nahe käme. Die Enttäuschung und das Misstrauen sowohl von Markus Ernst als auch von Matthias Dutli gegenüber der Politik von Bundesrätin Doris Leuthard, war deutlich spürbar. «Wir werden immer wieder angelogen und über den Tisch gezogen», monierte Dutli etwa. Dass der Wille zum Widerstand da ist, verdeutlichte Markus Ernst. Der Küsnachter Gemeindepräsident rief die Anwesenden dazu auf, Eingaben während der Vernehmlassung des SIL II einzubringen. «Die Mehrheit der Bevölkerung scheint den Ernst der Lage nicht zu verstehen», warnte er.
Ernst wiederum liess die abschliessenden Worte Peter Ritters mit einem stoischen Lächeln über sich ergehen. Der warb für eine massvolle Gemeindeentwicklung – während beim Fluglärm Einigkeit herrscht, sind sich Ernst und das Bürgerforum bezüglich des Küsnachter Zentrums nämlich spinnefeind.

Zürichsee Zeitung, 22.09.2016