Harte Landung in Zürich (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Gebührenstreit am Flughafen

Der Preisüberwacher, Stefan Meierhans, sticht mit seiner Kritik an den Gebühren des Flughafens Zürich in ein Wespennest. Wirtschaftsvertreter sehen den Hub gefährdet, Fluglärmgegner warnen vor einem billigen Ballermann-Airport.

Andreas Schürer

Die Sommeroffensive des eidgenössischen Preisüberwachers, Stefan Meierhans, kommt in Zürich nicht gut an. Der SP-Kantonsrat Stefan Feldmann etwa hat seinen Unmut über Twitter kundgetan: «Die Hitzewelle tut nicht allen gut: Der Preisüberwacher findet es zum Beispiel sinnvoll, dass man für 39 Franken nach Madrid fliegen kann.» Thomas Morf, Präsident des Vereins Flugschneise Süd – Nein (VFSN), lädt Meierhans zu sich nach Pfaffhausen zum Frühstück um sechs Uhr morgens ein: «Dann kann er vor Ort beurteilen, ob er wirklich will, dass mehr Billigflieger in Zürich einen Ballermann-Hub betreiben.»

Schützenhilfe für Airlines

Der Auslöser der Aufwallung waren Aussagen von Meierhans in einem Interview mit der «Sonntags-Zeitung». Darin forderte er, dass die Gebühren am Flughafen Zürich gesenkt werden, damit der Wettbewerb spiele (NZZ 5. 8. 13). Heute würden in Zürich, anders als in Genf und Basel, die Anbieter von Billigflügen wie Easy Jet oder Air Berlin benachteiligt. Es könne auch nicht sein, dass Zürich die Airline Swiss, die der Bund mit viel Geld in die Luft gebracht habe, ausblute.

Pikant und wohl bedacht ist der Zeitpunkt der erneuten Offensive von Meierhans. Der Flughafen strebt nämlich eine Erhöhung der Gebühren an, konnte sich mit den Airlines bisher aber nicht einigen. Ende August läuft die Frist der Verhandlungen ab. Ist bis dann kein Kompromiss gefunden, wird es am Bundesamt für Zivilluftfahrt sein, die Höhe der Gebühren zu verfügen. Dass sich der Preisüberwacher nun auf die Seite der Airlines stellt, überrascht nicht. Bereits im September 2012 monierte er, dass der Flughafen die Gewinne aus der Vermietung der Ladenflächen und den Parkhäusern abschöpfe, anstatt dafür zu sorgen, dass diese für die Finanzierung der Infrastruktur verwendet würden. Die Höhe und die Struktur der Gebühren müssten den Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften begünstigen.

Befremdet über die Offensive des Preisüberwachers ist Thomas Koller, Geschäftsführer des wirtschaftsfreundlichen Komitees Weltoffenes Zürich. Meierhans oute sich damit nicht gerade als Kenner der schweizerischen Luftfahrt, sagt Koller. Im Unterschied zu Basel und Genf sei Zürich als interkontinentaler Hub konzipiert, der als Drehscheibe betrieben werde und nicht hauptsächlich Punkt-zu-Punkt-Verbindungen anbiete. Würden über tiefe Gebühren möglichst billige Tarife angestrebt, funktioniere das Hubsystem nicht mehr. Der Home-Carrier, in Zürich also die Swiss, würde in diesem Fall benachteiligt, weil er auch die aufwendige Koordination von Kurz- und Langstreckenflügen sicherstellen müsse.

Aus ganz andern Gründen kämpft im Gebührenstreit der VFSN-Präsident, Thomas Morf, für einmal an der Seite des Flughafens. Die Gebühren müssten nicht gesenkt, sondern erhöht werden, weil Zürich einen qualitativ hochstehenden Flughafen brauche – und keinen Billig-Airport. Der Ruf nach günstigeren Flugpreisen stehe völlig quer in der Landschaft: «Es stimmt doch heute schon etwas nicht, wenn es billiger ist, mit dem Flugzeug nach Berlin zu fliegen, als mit dem Zug nach Bern zu fahren.» Der Preisüberwacher solle sich besser dafür einsetzen, dass umweltfreundliche Verkehrsmittel günstiger würden. Auch für Hanspeter Lienhart, Präsident der IG Nord und Stadtrat von Bülach, ist es nicht im Interesse der Flughafenanwohner, dass man möglichst billig um die Welt fliegen kann. Es sei aber auch problematisch, den Wettbewerb nicht spielen zu lassen.

Auf die Seite des Flughafens stellen sich auch Zürcher Parlamentarier, die sonst meist geharnischt kommentieren, was der Airport plant und unternimmt. Der SP-Nationalrat Thomas Hardegger ist verärgert über «die oberflächliche Kritik» von Meierhans. Der Vergleich mit Basel sei unangebracht, nur schon weil die Kosten der Infrastruktur sehr unterschiedlich seien. Für GLP-Nationalrat Martin Bäumle geht die Diskussion in die falsche Richtung, da es nicht angehe, mit tiefen Tarifen Billiganbieter wie Easy Jet zu beflügeln. Vielmehr müsse im Flugbetrieb endlich Kostenwahrheit angestrebt werden – wobei die Gebühren eher steigen müssten. Der FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger meint, der Preisüberwacher scheine seine Kompetenzen ziemlich willkürlich und ohne gesetzlichen Auftrag auszuweiten. Wenn der Streit um die Gebühren nämlich, wie von Meierhans ins Feld geführt, eine Wettbewerbsfrage sei, sei nicht der Preisüberwacher zuständig, sondern die Wettbewerbskommission.

Der Preisüberwacher kontert

Der Flughafen lässt nicht gelten, dass der Wettbewerb in Zürich nicht spiele. Seit Jahren verkehrten hier schon Billigflieger wie Easy Jet, Air Berlin, Fly Niki oder Germanwings. Ihr Verkehrsanteil betrage stabil zwischen 8 und 11 Prozent. Alle Airlines zahlten die gleichen Gebühren: Geschützt oder benachteiligt werde niemand. Es sei aber klar, dass sich der Anteil der Billiganbieter kaum markant erhöhen werde, da Zürich als Umsteigeflughafen der Swiss auf Wellenstrukturen im Flugplan, Spitzenauslastung, Pünktlichkeit und Passagierkomfort ausgerichtet sei.

Stefan Meierhans lässt sich von der Kritik aus Zürich nicht beirren. Der Umstand, dass zahlreiche günstige Airlines den Flughafen Zürich mieden, schmälere einen wirksamen Wettbewerb – zulasten der Konsumenten. Auf Strecken wie nach Brüssel habe die Swiss in Zürich das Monopol und verlange markant mehr als etwa in Basel oder Genf, wo Easy Jet konkurrenzierend Flüge anbiete.

Durchaus nachvollziehbar ist für Meierhans die Auffassung, der Flugverkehr gehöre verteuert. Dann sei es aber äusserst störend, dass solche «Lenkungsabgaben» wie nach dem heutigen System an die Aktionäre des Flughafens ausgeschüttet würden, statt dass sie dem Konsumenten zugutekämen – wie zum Beispiel bei der CO2-Abgabe.

NZZ, 06.08.2013




siehe auch:
Preisüberwacher will billigere Flüge ab Zürich (20min)
Nach Bern teurer als nach Madrid (Leserbriefe TA)