Piste 28: Sicher, aber anspruchsvoll (Sepp Moser, 2001)

Publiziert von VFSNinfo am

Pisten ohne Instrumenten-Landesystem wie Klotens Piste 28 kennen viele Flughäfen. Sie sind deshalb nicht unsicher.

Sepp Moser

Die Piste 28 des Flughafens Kloten ist im Unterschied zu den beiden Hauptlandepisten 14 und 16 nicht mit einem vollwerti- gen Instrumenten-Landesystem (ILS) ausgerüstet (siehe Ausgabe von gestern). Sie ist deshalb jedoch nicht unsicher. Auf vielen, auch sehr gut ausgerüsteten Flughäfen entsprechen nicht alle Landepisten dem höchstmöglichen Ausrüstungsstandard. Amsterdam zum Beispiel hat vier grosse Start- und Landebahnen - plus eine fünfte nur für kleine Flugzeuge -, was theoretisch acht mögliche Landerichtungen ergibt. Von diesen sind sechs mit ILS-Systemen ausgerüstet, die zwei restlichen dagegen genau wie die Zürcher Piste 28 nur mit einem weniger präzisen VOR-DME-Anflugverfahren.

Von den drei Pisten in Frankfurt ist eine überhaupt nicht für Landungen vorgesehen und demnach ohne elektronische Hilfen irgendwelcher Art. In Zürich gibt es für die zwei Hauptlandepisten 14 und 16 ILS-Systeme der modernsten und leistungsfähigsten Kategorie, für die Landepiste 28 das erwähnte VOR-DME-Verfahren und für die übrigen drei möglichen Landerichtungen gar keine Anflughilfen. Für die Landepiste 32 war eine solche (ein so genannter Localizer für die seitliche Führung der Flugzeuge) im Jahre 1999 im Zusammenhang mit Bauarbeiten kurze Zeit in Betrieb; sie ist aber inzwischen wieder deaktiviert worden, weil Landungen aus Süden politisch nicht erwünscht sind.

Autobahn oder Strasse

Zieht man einen Vergleich mit dem Strassenverkehr heran, so entspricht eine mit einem ILS ausgerüstete Piste einer Autobahn, eine mit einem VOR-DME-Verfahren dagegen einer normalen Landstrasse. Auf der Autobahn fährt es sich bequemer, schneller und statistisch gesehen sicherer. Deswegen ist eine gute Landstrasse aber nicht a priori unsicher; sie fordert lediglich eine andere Fahrweise und mehr Aufmerksamkeit.

Natürlich ist es sinnvoll, häufig benützte Landepisten entsprechend gut auszurüsten. Die Piste 28 in Zürich wurde aus politischen Gründen nicht aufgerüstet und bisher nur bei extremem Westwind in grossem Umfang für die Landung von Verkehrsflugzeugen benützt. Im Normalfall diente sie vor allem für Starts von Verkehrsflugzeugen (wofür keinerlei elektronische Hilfen nötig sind) sowie für die Landung von Kleinflugzeugen, die nach Sicht fliegen. Hauptlandepiste ist sie erst seit Inkrafttreten der politischen Vereinbarungen mit Deutschland - und erst ab 10 Uhr abends.

Umrüsten braucht Zeit

Die Ausrüstung mit einem ILS-System wäre technisch ohne weiteres möglich, braucht aber relativ viel Zeit. Experten rechnen mit einem bis anderthalb Jahren. Der Grund liegt darin, dass die Einrichtung aus Sicherheitsgründen relativ komplex ist, die Notstromversorgung etwa, und nach dem Bau äusserst fein justiert und eingehend erprobt werden muss; allein dieser Vorgang dauert unter Umständen mehrere Monate. Parallel dazu muss ein auf internationale Vorschriften sowie auf die Flugeigenschaften der Flugzeuge abgestimmtes Anflugverfahren entwickelt werden. Auch das ist sehr aufwändig. Erst wenn dieses Verfahren weltweit publiziert und zum Beispiel in die Computersoftware der Flugzeuge eingegeben ist, kann das System benützt werden - sofern nicht politische Einsprachen den Prozess unterbrechen oder verzögern.

Nur einer der Faktoren

Der Ausrüstungsstandard der Zürcher Piste 28 mag ein mitwirkender Faktor in dem komplexen Geschehen sein, das schliesslich zum Unfall führte. Primäre Ursache ist er bestimmt nicht - sofern nicht eine fehlerhafte Signalqualität herausgefunden wird. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist jedoch gering, da unmittelbar vor dem Unglücksflugzeug zwei andere Maschinen den gleichen Landeanflug problemlos ausführten.

(Berner Zeitung, 27.11.2001)