Lauter Ruf nach Opfersymmetrie im Fluglärmstreit (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Im Fluglärmstreit zeichnet sich immer stärker eine Allianz gegen den Süden des Flughafens Zürich ab. An einem Treffen in Bern lagen die Positionen der Kantone noch weit auseinander.

Andreas Schürer

Im März noch stellten sich die Nachbarkantone geeint hinter den Flughafen Zürich. In der «Klotener Erklärung» kritisierten sie die kompromisslose Haltung Deutschlands. Inzwischen ist der Staatsvertrag unter Dach und Fach, die Parlamente beider Länder müssen ihn noch ratifizieren. Dicke Luft herrscht dafür in der Schweiz selber – der Kampf der Regionen ist voll entbrannt.

Vor allem die Kantone Aargau, Thurgau und Schaffhausen markieren ihre Position mit markigen Worten. Der Tenor: In der Umsetzung des Staatsvertrags sei Opfersymetrie gefordert, namentlich der Süden des Flughafens dürfe keinesfalls als einzige Region entlastet werden. Diese Allianz gegen den Süden war auch am Fluglärm-Gipfel vom Mittwoch vertreten, zu dem Bundesrätin Doris Leuthard geladen hatte. Zusätzlich gehören der Begleitgruppe, die sich erstmals seit dem Abschluss des Staatsvertrags am 2. Juli traf, die Kantone Zürich, St. Gallen sowie der Flughafen, die Swiss und Skyguide an.

«Faire Lastenverteilung»
Laut Annetta Bundi, Sprecherin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), sei es an dem Treffen um eine Auslegeordnung gegangen. Zentral in der Umsetzung des Staatsvertrags sei, dass der Flugbetrieb sicher, mit genügender Kapazität und mit möglichst moderater Lärm-Betroffenheit abgewickelt werden könne. Leuthard hat aber an dem Treffen laut Bundi auch bekräftigt, dass ein «möglichst fairer Lastenausgleich» angestrebt werde – was stark darauf hin deutet, dass in Bern eine Kanalisierung des Lärms nach reiner Lehre für nicht durchsetzbar gehalten wird.

Eine Lösung des innerschweizerischen Streits brachte das Treffen in Bern wie erwartet nicht. Die Begleitgruppe werde weiterhin in den Prozess eingebunden, sagt Bundi. Letztlich muss die Umsetzung des Staatsvertrags im Objektblatt des Sachplans Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) verankert werden, das der Bundesrat verabschiedet.

Der Staatsvertrag wird am nächsten Dienstag in Bern unterzeichnet, wie das Uvek mitteilt. Im Herbst werde der Bundesrat die Vernehmlassungsvorlage verabschieden. Die Botschaft an das Parlament soll bis Ende Jahr vorliegen. Die betrieblichen Auswirkungen würden darin soweit möglich aufgezeigt.

Kritik am Flughafen
Der Grund für die hitzigen Debatten ist simpel: Am heutigen Verkehrsaufkommen gemessen, müssen wegen der ausgedehnten Sperrzeiten des süddeutschen Luftraums ab dem Jahr 2020 rund 20\'000 Anflüge jährlich über Schweizer Gebiet neu verteilt werden. Gerade noch vor den Sommerferien hatte der Flughafen mitgeteilt, welche Variante er favorisiert. Die Stossrichtung lautete: Um möglichst wenig Menschen zu belasten, müsse der dicht besiedelte Süden geschont werden. Stattdessen sollen der gekröpfte Nordanflug eingeführt und die Ostanflüge forciert werden.

Der Aargauer Regierungsrat Peter C. Beyeler (fdp.) hält «den Schnellschuss» des Flughafens für äusserst ungeschickt. Der gekröpfte Nordanflug über den Aargau entlang des Rheins sei inakzeptabel – nicht zuletzt, weil der Aargau schon heute durch Landungen und Starts stark belastet sei. Das Argument, es sollten möglichst wenig Menschen mit Fluglärm belastet werden, sticht für Beyeler nicht: «Eine Minderheit kann nicht die Lasten der Mehrheit übernehmen.» Für den einzelnen spiele es keine Rolle, ob er die Belastung mit wenigen oder vielen anderen gemeinsam tragen müsse.

Der Ruf nach Opfersymetrie erschallt auch aus dem Kanton Thurgau. Regierungsrat Jakob Stark (svp.) sagt, eine Zunahme der Ostanflüge könne nur hingenommen werden, wenn dies mit einer Reduktion der Starts kompensiert werde. Und er fügt hinzu: «Wenn der Süden nicht auch einen Teil der Belastung mittragen muss, werde ich zu einem militanten Gegner dieses Staatsvertrags.» Die Thurgauer Regierung würde in diesem Fall eine Nicht-Ratifizierung empfehlen, sagt Stark.

Eine einseitige Entlastung des Südens werde auch der Kanton Schaffhausen nicht hinnehmen, sagt Regierungsrat Reto Dubach (fdp.). Wenn alle Regionen Lasten trügen, sei für ihn aber auch der gekröpfte Nordanflug eine prüfenswerte Option. Für seinen Kanton gelte es vor allem eine Auge darauf zu halten, wie sich die betrieblichen Anpassungen auf Starts über den südlichen Kantonsteil auswirkten.

Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektion gibt sich noch zurückhaltend. Ein Sprecher zeigt sich erstaunt darüber, dass andere Kantone schon keck öffentlich mit Forderungen und Bedingungen aufwarteten; abgemacht sei, dass der Bund kommuniziere. Der Kanton Zürich halte sich daran, werde aber die eigenen Interessen zu wahren wissen.

NZZ, 30.08.2012




siehe auch:
Ruf nach „Opfersymmetrie“ am Fluglärmgipfel (VFSN)
Leuthard darf im Fluglärmstreit das Machtwort nicht scheuen (NZZ)