Piloten warnen vor «Gekröpftem» (SZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Staatsvertrag mit Deutschland: Neues Anflugregime auf Zürich schürt Sicherheitsbedenken

Von Cornelia Krause und Reza Rafi

Bern - Nach der Einigung im Fluglärmstreit äussern Piloten Sicherheitsbedenken. Sie warnen vor dem gekröpften Nordanflug, der im Staatsvertrag eine massgebliche Rolle spielt. «Selbst mit Satellitenunterstützung hat dieses Manöver nicht die gleiche Qualität wie der Anflug mit einem gebräuchlichen Instrumentenlandesystem (ILS)», sagt Henning Hoffmann, Sprecher des Pilotenverbands Aeropers. Beim gekröpften Nordanflug kommen die Flugzeuge von Westen her, folgen im Aargau dem Rhein und biegen dann beim Stadlerberg scharf Richtung Landepiste ein. Das sei zwar handwerklich machbar, sagt Hoffmann. Eine wichtige Rolle spielten aber weiterhin Sicht- und Windverhältnisse.

Vor vier Jahren hatte sich Aeropers bereits gegen die Einführung ausgesprochen. Damals hätten die Piloten das Manöver noch im Sichtflug absolvieren müssen; es wurde nicht genehmigt.

Skyguide: Zürich hat Europas komplexesten Luftraum

Noch deutlicher werden in Zürich stationierte Linien-Piloten. Gerade für Kollegen ausländischer Fluglinien, die Zürich nicht täglich anflögen, werde der «Gekröpfte» eine Herausforderung. Schliesslich fehle vielen die Übung des komplizierten Manövers. «Der Anflug ist komplex und birgt Risiken, zumal er oft am Ende eines langen Fluges erfolgt», sagt ein Pilot.

Ein weiterer Berufsflieger weist darauf hin, dass gerade im Winter in den frühen Morgenstunden, in denen der «Gekröpfte» möglicherweise zum Einsatz komme, oft Nebel in der Anflugroute liege. Damit könne das satellitengestützte System ohnehin nicht eingesetzt werden. «Grundsätzlich würde ein solides sichereres System zugunsten eines komplexeren aufgegeben. Da habe ich Bedenken.» Auch Hoffmann bemängelt: «In Zürich fliegt man immer mehr nach politischen statt nach fliegerischen Regeln.»

Beim Flugsicherungsdienst Skyguide wird gerne darauf hingewiesen, dass der Luftraum über der Schweiz und speziell über Zürich der komplexeste in Europa sei und der Züricher Flughafen aufgrund der sich kreuzenden Pisten spezielle Schwierigkeiten berge. Zudem wird häufig mit Rückenwind gelandet - eine eher unübliche Konstellation. Er werde in jedem Fall für die Sicherheit garantieren, ob mit oder ohne Pistenausbau und gekröpftem Nordanflug, sagt Skyguide-Chef Daniel Weder, der in der Verhandlungsdelegation sass, der SonntagsZeitung. Sollte der Pistenausbau nicht genehmigt werden, würden die Kapazitäten am Flughafen sicherheitshalber beschränkt. Den gekröpften Nordanflug will Skyguide in den nächsten Jahren technisch ermöglichen. Weder hält dies für «machbar, wenngleich eine Herausforderung, vor der wir Hochachtung haben».

Er sieht die grösste Herausforderung des Staatsvertrages in der mit siebeneinhalb Jahren sportlich bemessenen Frist. In der Flugsicherungsindustrie müsse alles doppelt und dreifach überprüft werden, so Weder. Deshalb tickten die Uhren grundsätzlich langsamer. Komme es dann noch zu politischen Verzögerungen, werde der Zeitrahmen eng.

Die SVP lehnt den Staatsvertrag klar ab

Skepsis signalisiert auch Thomas Hurter, Schaffhausener SVP-Nationalrat und Berufspilot. «Will man mehr Sicherheit, muss man in moderne Technologien und in die besten Lösungen investieren», sagt er. Hurter hofft, dass in sieben Jahren neue Technologien zum Einsatz kommen und sich die Diskussion um den «Gekröpften» erledigt hat. Zumal das komplexe Manöver zur Folge habe, dass die Flieger in grösserem Abstand landen müssen. «Es ist also auch noch unwirtschaftlich.»

Zur Opposition der Fachleute gesellen sich die demokratischen Hürden für den Staatsvertrag. Auf deutscher Seite muss das Abkommen den Bundesrat passieren, was Experten als Formsache einschätzen. In der Schweiz hingegen muss das Bundesparlament grünes Licht geben. Die Kantonalzürcher SVP hat vergangene Woche bei der Bundeshausfraktion beantragt, den Staatsvertrag abzulehnen. Der Vertrag sei eine «Kapitulationserklärung gegenüber Deutschland», heisst es im Schreiben, das der SonntagsZeitung vorliegt. Stattdessen sollten Neuverhandlungen gefordert und alle zu verhandelnden Dossiers zwischen der Schweiz und Deutschland verknüpft werden.

Ein weiteres Druckmittel ist der Ausbau der Pisten 28 und 32 - er garantiert eine Umsetzung des gekröpften Nordanfluges nach Plan. Dazu braucht es aber das Ja des Zürcher Regierungsrats und des Zürcher Kantonsparlaments. Sagt die SVP Nein, könnte eine unheilige Allianz die Umsetzung des Staatsvertrages gefährden. Der Zürcher Regierungsrat hat vergangene Woche bereits Opposition angedroht.

Sonntagszeitung, 08.07.2012