«Man kann die Leute nicht umsiedeln, um Parallelpisten zu bauen» (TA)

Publiziert von VFSNinfo am
Swiss-Chef Harry Hohmeister kritisiert die mangelnden Entwicklungsmöglichkeiten am Flughafen Kloten. SP-Kantonsrätin Priska Seiler Graf ist empört und kontert die Vorwürfe.

Harry Hohmeister, CEO der Fluggesellschaft Swiss, stellt klare Forderungen an die Politik. Für die künftige Entwicklung des Flughafens brauche es: Parallelpisten, verlängerte Pisten 28 und 32, Schnellabrollwege und Südabflüge geradeaus zu Spitzenzeiten am Tag. Das sagte er im Interview mit der «SonntagsZeitung». Am meisten stört er sich aber an der verlängerten Nachtruhe. Seit Ende Juli beträgt sie in Kloten sieben statt bisher sechs Stunden. Tagesanzeiger.ch hat Hohmeisters Forderungen der SP-Kantonsrätin Priska Seiler Graf vorgelegt. Seiler Graf ist zudem Stadträtin in Kloten und Präsidentin des Dachverbands Fluglärmschutz, einer Bürgervereinigung, die sich für «erträgliche Flugimmissionen» einsetzt.

Frau Seiler Graf, Swiss-Chef Harry Hohmeister kritisiert die neue Nachtflugregelung. Hunderte Kunden hätten seither ihre Anschlüsse nicht mehr erreicht. Die Passagiere habe man umbuchen oder in Hotels unterbringen müssen. Was sagen Sie als Vertreterin der Fluglärmgeschädigten dazu?
Die neue Nachtruheregelung braucht eben Umstellungszeit. Diese hätte man zu Genüge gehabt, denn schliesslich ist das bereits seit längerer Zeit bekannt. Zum Beispiel hat das kantonale Stimmvolk vor drei Jahren einem Gegenvorschlag des Kantonsrats zugestimmt, der eine siebenstündige Nachtruhe verlangte. Als man die Südanflüge am Morgen einführte, war der Flughafen auch so flexibel, die Landungen innert kürzester Zeit zu verschieben. Und das war ja wohl die schwierigere Arbeit.

Hohmeister droht faktisch mit einem Boykott. Bei zu vielen Restriktionen würden sich die zunehmenden Verkehrsströme in Zukunft auf andere Flughäfen verteilen, sagt er.
Das ist eine massive Drohung, die ich nicht Ernst nehmen kann. Dafür ist der Wirtschaftsstandort Zürich zu wichtig. Man muss die Prioritäten neu setzen: Heute haben wir praktisch einen S-Bahn-Takt bei Flügen nach London. Man muss einfach schauen, welche Flüge es braucht und welche nicht. Jene, die die Wirtschaft braucht, sind nicht jene, die den Flughafen an seine Grenzen bringen. Das Problem sind die Charter- und Ferienflüge.

Bringt die wachsende Wirtschaft nicht ohnehin mehr Flugverkehr?
Nein, die Entwicklung zeigt klar in eine andere Richtung. Die Flugzeuge werden grösser und dadurch gehen die Flugbewegungen zurück. Wirtschaftszentren im 500-Kilometer-Umkreis von Zürich sollten ohnehin mit der Bahn angesteuert werden.

Es fehlt aber noch immer eine Direktverbindung nach Peking. Anscheinend würde das aber die Kapazitäten des heutigen Flughafens sprengen.
Peking ist sicher nötig. Vielleicht findet sich nun eine Destination, die man aus dem Flugplan rausnehmen muss. Qualität geht vor Quantität: Es soll sinnvoll geflogen werden und nicht einfach möglichst viel. Mit den bestehenden Rahmenbedingungen ist das möglich. Ich nehme Herr Hohmeister nicht ab, dass man dafür keine Kapazitäten hat.

Die Richtlinienplanung weist den Weg für die nächsten 25 Jahre. Müsste man nicht langfristiger Denken?
Eine Richtplanung hat immer einen Horizont von 15 bis 25 Jahren. 50 Jahre wären unrealistisch. Klar will Hohmeister mehr fliegen, aber es leben Menschen hier. Die Siedlungsentwicklung um den Flughafen hat sich stets am An- und Abflugregime orientiert. Man kann die Leute nicht umsiedeln, um Parallelpisten zu bauen.

Die Fluggesellschaft Swiss verlangt aber auch längere bestehende Pisten. Wieso ist das nicht möglich?
Wenn man den Flughafen neu bauen würde, wäre das alles natürlich sinnvoll. Nur leider ist das nicht möglich. Der Flughafen Kloten liegt in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Europas. Er hat ein paar Handicaps, dazu zählt die Topografie und die spezielle Wetterlage aufgrund der Berge. Wir können nicht ein paar Berge abtragen, nur um mehr Flüge zu ermöglichen. Das technische Maximum für den Flughafen Kloten liegt bei 350\'000 Bewegungen. Heute sind wir bei 260\'000. Da ist noch genug Raum für Entwicklung.

Tages-Anzeiger, 04.10.2010



siehe auch:
«ES GIBT ALTERNATIVEN ZU ZÜRICH» (Sonntagszeitung)
Wird Zürich zum Provinzflughafen? (20min)
Panikmache (Tele Top)
Jammern auf hohem Niveau (NZZ)