Scharfe Geschütze im Fluglärmstreit (Stuttgarter Nachrichten)

Publiziert von VFSNinfo am
LAND DROHT SCHWEIZ

Stuttgart - Deutschland und die Schweiz streiten seit Jahren um den Fluglärm, der durch An- und Abflüge zum Flughafen Zürich entsteht. Aber eine Besserung ist nicht in Sicht. Nun gehen sechs Landräte aus dem Süden in die Offensive.

Lärm macht krank. Das ist ein altes Geheimnis. Was aber tun, wenn schalldichte Fenster, die Ohrstöpsel in der Nacht und andere Schutzmaßnahmen nicht helfen? Dann schlägt man Alarm. Und nichts anderes machen die Landkreise Schwarzwald-Baar, Konstanz, Tuttlingen, Lörrach, Waldshut und Breisgau-Hochschwarzwald nun in Richtung der neuen schwarz-gelben Bundesregierung. Sie wollen nicht länger hinnehmen, die Hauptlast des Fluglärms des Internationalen Airports von Zürich-Kloten zu tragen. "Ich werde nicht von meiner Ausbildung als Flugabwehroffizier Gebrauch machen", sagte der Konstanzer Landrat Frank Hämmerle am Mittwoch halb schmunzelnd, halb ernst in Stuttgart. Aber die Botschaft war eindeutig: Die neue Entwicklung in der Schweiz, wonach noch mehr Anflüge als bisher nach Kloten über deutsches Gebiet geleitet werden sollen, will man nicht widerstandslos hinnehmen.

Die Ausgangslage: Im April 2008 vereinbarten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Schweizer Präsident Couchepin, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe die Lärmbelastung untersuchen möge. Dieses Gutachten liegt nun vor. Und die Schweiz zieht daraus ihren eigenen Schluss: Die Grenzwerte in Sachen Lärm werden nicht überschritten, deshalb muss Deutschland die geltenden Sperrzeiten für An- und Abflüge aufheben - also das Flugverbot zwischen 21 und 7 Uhr sowie am Wochenende streichen.

Doch daran denkt im Süden von Baden-Württemberg niemand. "Die Sichtweise der Schweiz ist in der Sache und rechtlich falsch", konterte der Waldshuter Landrat Tilman Bollacher am Mittwoch vor der Presse in Stuttgart. Auch der Lärm unterhalb der Grenzwerte sei "erheblich", so Bollacher, der angesichts der 270\'000 jährlichen An- und Abflüge nach Zürich deutlich machte, wie stark das südliche Baden-Württemberg unter Kloten leidet. Natürlich, so Bollacher, sei man an einem "gutnachbarschaftlichen Verhältnis" zur Schweiz interessiert und auch bereit, einen Teil des Fluglärms zu tragen, aber bei 80.000 Flugbewegungen sei "die Obergrenze".

Das sieht auch sein Tuttlinger Kollege Guido Wolf so. "Mit dieser Zahl ist das Ende der Fahnenstange erreicht." Fakt ist: Von den 135\'000 jährlichen Anflügen nach Zürich - und vor allem die sind laut - gehen rund 120\'000 über deutsches Gebiet, nur gut 15.000 kommen aus Süden, dort also, wo die reichen Eidgenossen am Zürichsee wohnen. Doch das mögen die Baden-Württemberger nicht mehr länger hinnehmen. "Es muss eine gerechte Lastenverteilung geben", betonte Wolf. Eine Vorgehensweise nach dem Prinzip, der Flughafen liege zwar in der Schweiz, aber die Probleme werden in Deutschland abgeladen, sei nicht länger hinnehmbar - erst recht vor dem Hintergrund, dass der Züricher Flughafenbetreiber Unique prüft, den Airport auf jährlich 450\'000 An- und Abflüge auszubauen.

Aus Sicht von Karl Heim, Landrat im Schwarzwald-Baar-Kreis, ist die Entwicklung bedenklich und gefährdet den Ruf der Tourismusregionen Schwarzwald und Bodensee: "Über Donaueschingen haben wir einen Luftparkplatz. Wenn die Maschinen in Zürich noch nicht landen können, fliegen die bei uns im Kreis." Heims Forderung: Zürich soll die Warteschleifen gefälligst in die Schweiz verlegen. Der Konstanzer Landrat Hämmerle stimmte zu: "Die Leute, die zu uns kommen, wollen Erholung und keinen Fluglärm", sagte er mit Blick auf knapp zwei Millionen Übernachtungsgäste und acht Millionen Tagesgäste pro Jahr. Es könne jedenfalls "nicht so weitergehen, dass die Schweiz ihren Fluglärm einfach nach Baden-Württemberg exportiert".

Deshalb setzen die Landkreise darauf, dass sich der neue Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer des Problems annimmt. Und sie setzen die Schweiz unter Druck. "Wir warten bis Januar auf einen Vorschlag, wie unsere Region entlastet werden kann", so Bollacher. Und dann? "Allzu viel Geduld sollten wir mit den Interessenvertretern des Schweizer Flughafens nicht mehr haben", sagte der Landrat und dachte laut über weitere Flugzeitbeschränkungen nach.

von Frank Krause

Stuttgarter Nachrichten, 25.11.2009


Kommentar VFSN: Wir können Flugabwehroffizier Frank Hämmerle nicht daran hindern von seinen besonderen Fähigkeiten als Flugabwehroffizier Gebrauch zu machen. Er sollte sich einfach bewusst sein, dass er zu 70% auf ein deutsches Flugzeug zielen würde in dem vor allem deutsche Umsteigepassagiere sitzen!



In diesen sechs Landkreisen helfen angeblich auch Ohrstöpsel nicht weiter:



FR Breisgau-Hochschwarzwald
KN Konstanz
LÖ Lörrach
VS Schwarzwald-Baar
TUT Tuttlingen
WT Waldshut




Die so schwer betroffenen Tourismusorte im Schwarzwald sind hier ersichtlich:




vergrösserte Grafik


siehe auch:
Landkreise verschärfen Ton im Fluglärmstreit (Südkurier)
Alle sind begeistert (Schwarzwälder-Bote)
Gemeinsame Lärmanalyse zum Flughafen Zürich: Ergebnisse liegen vor (BAZL)
Tourismus und Fluglärm im Schwarzwald (PDF, 2 MB)