Die Anflugverfahren der Zukunft (Zürcher Landzeitung)

Publiziert von VFSNinfo am
Fluglärm - Neue Technologien ermöglichen leisere, umweltfreundlichere Landungen

Viel leiser, ökonomischer und umweltfreundlicher sollen gemäss Luftverkehrsexperten die Anflüge der Zukunft sein. Möglich macht dies eine präzisere Anflugplanung, kombiniert mit Satellitennavigation.

Oliver Steimann

«Continuos Descent» oder «Green Approach» sind Fachausdrücke, die bislang nur einem engen Kreis von Aviatikern geläufig waren. Das dürfte sich in den kommenden Jahren ändern. Glaubt man Luftfahrtexperten wie dem schwedischen Ingenieur Lars Lindberg, steht die kommerzielle Fliegerei unmittelbar vor einer technischen Revolution. Der CEO der auf Anflugverfahren spezialisierten Firma Avtech propagiert die rasche Ablösung längst überholter Standards durch die Orientierung am technisch Machbaren.

Das Wichtigste der neuen Verfahren ist die so genannte RNP (Required Navigation Performace, siehe Kasten). Sie stützt sich auf Satellitennavigation und ermöglicht es, im Anflug einem programmierten Weg bis zur Pistenschwelle zu folgen. Dichtbesiedelte Gebiete könnten auf diese Weise gezielt umflogen werden, was die Lärmbelastung für die Anwohner deutlich reduziert. Der Systemwechsel erfordert allerdings ein Umdenken auf allen Ebenen.

Keine Funkfeuer, kein Leitstrahl

Beim herkömmlichen, auch in Zürich praktizierten Anflug dirigiert die Flugsicherung die Piloten über einzelne Wegmarken (Funkfeuer) zum Endanflug. Schliesslich biegt das Flugzeug auf den Leitstrahl des Instrumentenlandesystems (ILS) ein und folgt diesem in gerader Linie bis zum Aufsetzpunkt.

Mit RNP folgt das Flugzeug keinem Signal einer Bodenstation, sondern dem im Bordcomputer gespeicherten Weg zur Piste. Dieser verarbeitet konstant die aktuellsten Daten zu Position, Flughöhe und Wetter. Bereits Ende der 1990er-Jahre experimentierte Alaska Airlines mit ersten RNP-Anflügen. Auf etlichen abgelegenen Flugplätzen im amerikanischen Norden erwies sich dies als beste Möglichkeit, zu einem standardisierten Anflugverfahren zu kommen.

Heute hat die amerikanische Luftfahrtbehörde (FAA) bereits 130 verschiedene RNP-Anflugverfahren auf 45 verschiedenen Flugplätzen autorisiert. Mit den kürzeren Flugwegen lässt sich Treibstoff sparen und der CO2-Ausstoss verringern.

Ohne Schub im Endanflug

Noch sparsamer wird das neue Verfahren, wenn man es mit dem so genannten CDA (Continuos Descent Approach, siehe Kasten) kombiniert: Die Triebwerke im Leerlauf, segelt das Flugzeug auf dem programmierten Weg leise bis zum Aufsetzpunkt. Beim herkömmlichen Absinken wird die Flughöhe hingegen nach Anweisung der Lotsen schrittweise reduziert. Dazwischen muss der Pilot immer wieder Schub geben, um die verlangte Höhe über mehrere Kilometer halten zu können. Der dabei verursachte Lärm liesse sich vermeiden.

Wegen seiner Umweltfreundlichkeit wird der CDA auch «Green Approach» (Grüner Anflug) genannt. «Von beiden Verfahren könnte der Zürcher Flughafen in optimaler Weise profitieren», erklärte Lindberg kürzlich bei einem Auftritt in Zumikon. Entsprechende Projekte seien auf anderen Flughäfen, beispielsweise in Stockholm-Arlanda oder im australischen Brisbane, schon weit vorangeschritten.

Bazl: «Grosses Potential»

Nach anfänglicher Zurückhaltung hat man mittlerweile auch beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), der Flughafenbetreiberin Unique, der Flugsicherung Skyguide und der Swiss erkannt, dass CDA und RNP die Verfahren der Zukunft sein werden. «Wir sehen darin ein grosses Potential», bestätigt Bazl-Sprecher Anton Kohler. Die vier Partner hätten eine Projektorganisation gebildet, welche die Einführung dieser Technologien plane und mit den Bemühungen auf europäischer Ebene koordiniere. «Es bestehen mehrere Projekte auf verschiedenen Flughäfen wie Zürich, Lugano, Sion und Samedan», verrät Kohler, ohne Details zu nennen. Konkretere Aussagen seien erst in einigen Monaten möglich.

Auf europäischer Ebene ist vorgesehen, die neuen Verfahren im Zeitraum 2015 bis 2020 zu zertifizieren und einzuführen. Einzelne Projekte möchten die EU-Verkehrsminister aber bereits früher – die Rede ist von 2012 – umsetzen. Ob die Schweiz hier mitzieht, lässt Bazl-Sprecher Kohler offen. Er betont aber das starke Interesse des Bundesamtes an den neuen Verfahren, denn aufgrund der Schweizer Topografie stosse man mit den konventionellen Techniken an Grenzen.


Stichwort: CDA

Das kontinuierliche Sinkflugverfahren (CDA – Continuos Descent Approach) benötigt einen ständigen Datenaustausch zwischen Bordcomputer und Flugsicherung – dazu sind heute noch nicht alle Flugzeuge in der Lage. Mit den Triebwerken im Leerlauf gleitet der Jet zur Piste, den Zeitpunkt des Aufsetzens rechnet der Computer sekundengenau voraus. Nur beim Ausfahren der Landeklappen und des Fahrwerks muss der Pilot kurz Schub geben. (ost)


Stichwort: RNP

Beim satellitengestützten Anflugverfahren mit vorprogrammiertem Flugweg (RNP – Required Navigation Performance) kombiniert der Bordcomputer das Positionssystem (GPS) mit der Höhenmessung und weiteren Daten, beispielsweise der Windstärke. Das Flugzeug wird automatisch so gesteuert, dass es der Idealroute so genau wie möglich folgt. Ein Monitoring- System prüft fortlaufend, ob die Vorgaben eingehalten werden und alarmiert notfalls die Crew. (ost)

Zürcher Landzeitung, 20.07.2009

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