Maurer bringt Flugzeugbeschaffung als Druckmittel ins Spiel (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Beziehungen zu Deutschland laut dem Verteidigungsminister stark angeschlagen

Die politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland sind nach den Worten von Bundesrat Ueli Maurer in einem bedenklichen Zustand. Wegen des Steuerkonflikts und des Fluglärmstreits drohte er vor dem OECD-Ministertreffen in Berlin auch offen mit einem Kampfflugzeug-Entscheid gegen den Eurofighter.

(ap) Maurer stellte seine Ausführungen vor der Handelskammer Deutschland-Schweiz unter das Motto «Indianer und Kavallerie oder Gedanken zu den Wahrnehmungsmöglichkeiten einer Beziehung». Er nahm dabei kein Blatt vor den Mund und wandte sich gegen den Druck Deutschlands auf die Holdingbesteuerung und auf das Bankgeheimnis. Er prangerte zudem die einseitige Verfügung Berlins im Fall der Nordanflüge auf den Flughafen Zürich an.

Beziehungen sehr gespannt
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern mögen zwar nach wie vor gut sein. «Aber ich möchte Sie davor warnen, den bedenklichen politischen Zustand der zwischenstaatlichen Beziehungen zu ignorieren», mahnte Maurer die Unternehmer. Denn die Politik beginne sich auf die wirtschaftliche Partnerschaft auszuwirken. Und das bekämen alle zu spüren.

Im Fluglärmstreit herrsche in der Schweizer Bevölkerung der Eindruck, dass man in Berlin die Angelegenheit nicht wirklich ernst nehme. «Das schlägt durch auf andere Bereiche der Politik und auf die Nachbarschaft grundsätzlich», sagte Maurer und fügte hinzu: «Auch auf die Vergabe von Staatsaufträgen an ausländische Unternehmen.»

Warnung bei Flugzeugbeschaffung
Aus wehrpolitischen Überlegungen möchte er die Frage der Kampfflugzeugbeschaffung – es geht um den Ersatz der Tiger-Flotte – isoliert betrachten. Denn ausschlaggebend seien in erster Linie die Qualität des Produkts sowie der Preis. «Und trotzdem», sagte der Verteidigungsminister, «eine milliardenschwere Beschaffung ist in der Schweiz keine rein analytische Frage; gegen den Volkswillen ist sie nicht zu entscheiden. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Kauf des Eurofighters in der gegenwärtigen Situation vertreten werden könnte.»

Die Kritik am Bankgeheimnis und an den Steuerprivilegien für mobile Kapitalgesellschaften beantwortete Maurer mit dem Bild der Schweiz als Oase der Freiheit und des Friedens. Freiheit wecke aber Neid und Missgunst, und der Druck auf die Schweiz habe Tradition.

Reaktion des Volks nicht unterschätzen
Im Zusammenhang mit dem Druck auf das Bankgeheimnis mahnte Maurer, die Reaktion des Schweizer Volks nicht zu unterschätzen. Dies gelte auch für ein Doppelbesteuerungsabkommen, das allenfalls dem Stimmbürger vorzulegen sei. «Ich habe in der Bevölkerung sehr harte Worte gehört, die ich nicht mehr in der heutigen Realität, sondern nur noch in den Geschichtsbüchern vermutet hatte.» Dass Macht vor Recht gesetzt werden solle, beunruhige in der Schweiz.

Zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Geldwäscherei biete die Schweiz selbstverständlich Hand, Vorschriften machen lasse sie sich aber nicht. Maurer zweifelte zudem, ob Deutschland dieselbe Bereitschaft zu einer Entspannung der politischen Beziehungen zeige wie die Schweiz.

Während die Schweiz bezüglich Bankgeheimnis schon nach wenigen Wochen Gesprächsbereitschaft gegenüber Deutschland zeige, liege der Fluglärmstreit mittlerweile schon neun Jahre auf dem Tisch. Es wäre nur ein Akt der Fairness, auch in dieser Frage Bereitschaft für eine Lösung zu zeigen.

NZZ, 22.06.2009