Borer wirbt für eine Paketlösung (AvU)

Publiziert von VFSNinfo am
Fluglärmstreit  Aviatik-Experten und Politiker sehen technische und diplomatische Auswege

Mehr Politischer Druck und Aufklärungsarbeit in Berlin - so will Ex-Botschafter Thomas Borer das Fluglärmproblem lösen. In Zumikon forderte er gestern ein selbstbewussteres Auftreten der Schweiz.

Oliver Steimann

Seit Jahren stecken die Schweiz und Deutschland in Sachen Fluglärm in einer politischen Sackgasse. Dass dem nicht so sein müsste, legte gestern Abend ein hochkarätiges Podium in Zumikon dar. Im bis auf den letzten Platz besetzten Gemeindesaal wurden auf Einladung der Stiftung gegen Fluglärm politische und technische Möglichkeiten ausgelotet, um die erstarrten Fronten wieder in Bewegung zu bringen.

Einen forschen Ton schlug der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Kaufmann an: «Eine härtere Gangart gegenüber unserem nördlichen Nachbarn ist leider nötig.» Kaufmann warb für seine Idee, die geplante Beschaffung deutscher Kampfflugzeuge von einer Aufhebung der Anflugsperre über Süddeutschland abhängig zu machen. In einer Erhöhung der Grenzgängerbesteuerung oder der Transitgebühren für den Schwerverkehr sieht der SVP-Politiker weitere Druckmittel.

Schweiz soll Trümpfe ausspielen

Auch Thomas Borer, ehemaliger Botschafter in Berlin, legte der Schweiz nahe, in dieser Auseinandersetzung mehr Druck aufzusetzen. Er beschäftige sich seit bald zehn Jahren mit dem Dossier, «und ich habe dem Bundesrat von Anfang an eine harte Haltung empfohlen». Ansonsten drohe der ganzen Region längerfristig ein wirtschaftlicher Niedergang was auch nicht im deutschen Interesse liegen könne. «Ernsthafte Verhandlungen sind aber nach wie vor nicht zu beobachten», konstatierte Borer. Neben einigen süddeutschen Politikern, die das Geschäft völlig im Griff hätten, verstehe die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten das Dossier gar nicht. «Unsere Diplomatie hat es in den letzten Jahren versäumt, in Berlin wirksame Aufklärungsarbeit zu leisten.»

Borers Lösungsansatz: Ein politisches Gesamtpaket, «selbst wenn ein solches von Deutschland zunächst abgelehnt wird». Man habe wichtige Trümpfe in der Hand. Neben der Kampfjetbeschaffung und dem Transitverkehr nannte er als solchen auch das atomare Endlager im Raum Benken. An Anbetracht all dieser Punkte ist das Interesse an einer Gesamtlösung auch in Deutschland höher als das Interesse einiger Waldshuter, die in 200 (*) Metern Höhe überflogen werden.» Für Borer stehen auch eine grosszügige Entschädigung der betroffenen Anwohner und eine substanzielle Beteiligung Süddeutschlands am Flughafen zur Debatte. Potenzielle Verbündete auf deutscher Seite wie die Lufthansa würden aber erwarten, dass die Schweiz vorangehe. Er sei überzeugt, dass bei einem selbstbewussten Auftreten des Bundesrats innerhalb von zwei Jahren eine befriedigende Lösung des Problems gefunden werden könne.

Dass neben der Politik auch der technische Fortschritt einen Ausweg bieten könnte, legte Aviatikexperte Olaf Dlugi dar. Gemäss dem ehemaligen Leiter des EU Projektes «Sesar» werden Innovationen auf europäischer Ebene die hiesige Politik in Zugzwang bringen   die EU sei gewillt, satellitengestützte Anflugverfahren und den sogenannten Continuous Descent Approach (kontinuierliches Absinken) bis spätestens 2012 einzuführen. Dank des bilateralen Luftverkehrsabkommens sei die Schweiz verpflichtet, hier mitzuziehen.

Schweiz soll Pioniergeist beweisen

Für den Flughafen Zürich eröffnen sich damit ganz neue Möglichkeiten, denn diese Landeverfahren sind nicht nur bedeutend leiser - sie erlauben es auch, dichtbesiedelte Gebiete kleinräumig zu umfliegen. Laut Dlugi könnte die Schweiz hier Pioniergeist beweisen, indem sie diese Verfahren so rasch wie möglich einführt.

AvU, 17.06.2009, Seite 9


(*) Anmerkung VFSN: "Waldshuter, die in 200 Metern Höhe überflogen werden." Hier ist dem AvU offensichtlich ein Tippfehler unterlaufen. Waldshut wird in einer Höhe von 1\'500 bis 2\'500 Metern überflogen - und nur ein Viertel aller Nordanflüge führen über Waldshut. Der Lärm eines Überfluges in Waldshut ist vergleichbar mit einem Südanflüg im Raum Wetzikon/Hinwil...

Ausschnitt Situation Region Waldshut:

Ausschnitt Situation Region Wetzikon/Hinwil: