«Sollte beim ZFI etwas geändert werden, dann jetzt» (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Regierungsrätin Rita Fuhrer zu den Problemen mit dem Fluglärmindex

Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer kann sich vorstellen, am Zürcher Fluglärmindex (ZFI) gewisse Korrekturen vorzunehmen.
  Im Gespräch mit der NZZ äussert sie sich zu möglichen Massnahmen und über ihre Krankheit, die sie für einige Wochen ausser Gefecht gesetzt hat.

Interview: ark.

Frau Fuhrer, abgesehen von der jüngsten Aufregung um das Kindermädchen von Herrn Hartmann sind Sie in letzter Zeit kaum in Erscheinung getreten. Ist das auf Ihre Lungenentzündung zurückzuführen, oder haben Sie politisch resigniert?
Rita Fuhrer: Das hat mit zwei Sachen zu tun. Zum einen habe ich das Präsidium des Schützenverbands abgegeben, das gab auch immer ziemlich viel Öffentlichkeit. Zum anderen habe ich in Zusammenhang mit meiner Krankheit die meisten öffentlichen Auftritte gestrichen. Die politische Arbeit mache ich seit längerem wieder, aber die erregt halt nicht immer so viel Aufsehen.

War Ihre Krankheit auch eine Art Burnout-Symptom nach 14 Jahren im Regierungsrat?
Ich habe mich das auch gefragt, nachdem ich zuvor nie ernsthaft krank gewesen war. Sicher werde auch ich älter, und wer in 14 Jahren Exekutive nie angeschlagen ist, der ist ein Übermensch. Aber was gegen ein Burnout als Ursache spricht, ist, dass ich sehr schnell den Drang hatte, wieder zurück in die Direktion zu kommen; das beruhigt.

Wollen Sie 2011 noch einmal zur Wahl antreten?
Das weiss ich noch nicht, wir werden in der SVP erst nach den Gemeindewahlen 2010 über die Regierungsratswahl reden. Natürlich bringen sich allfällige Nachfolger rechtzeitig in Position, das ist normal.

Arbeit am Flottenmix in der Nacht

Mit Ihrem wichtigsten Dossier, dem Flughafen, läuft es ja nicht gerade rund im Moment.
Schon bevor ich das Dossier übernommen habe, ist es nicht rund gelaufen. Mein Vorgänger hatte bereits ein gröberes Problem im Verhältnis mit Deutschland, beim SIL und mit der Festsetzung eines Betriebsreglements. Der Regierungsrat würde gerne Entscheide fällen, aber wir haben für die Umsetzung keine Instrumente. Ich will mein Licht aber nicht unter den Scheffel stellen. Das Verhältnis zu den Nachbarkantonen zum Beispiel hat sich stark verbessert.

Das Verhältnis zum Bund ist derweil aber eher schlechter geworden. Vom Zürcher Fluglärmindex (ZFI) will man dort ja nichts wissen.
Das ist nicht richtig. Mit dem Bazl haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Der neue Direktor Peter Müller hat übernommen und erklärt, dass der ZFI vom Bund durchaus anerkannt werde. Auch mit seinem Vorgänger Raymond Cron habe ich sehr gut zusammenarbeiten können.

Der ZFI hat sich zum Problemfall entwickelt, er war 2007 schon am Limit, und 2008 hat er den Richtwert von 47\'000 stark belästigten Personen wohl überschritten. Wissen Sie schon, ob das so ist?
Das sehen wir dann, ich weiss es effektiv noch nicht. Es reicht für die Regierung nicht, eine Milchbüchleinrechnung zu machen. Ich werde Ende Oktober öffentlich informieren, die Regierung muss es vorher wissen. Wir müssen gemeinsam mit Gemeinden, Bund und Flughafen Massnahmen definieren für den Fall der Überschreitung des Richtwerts.

Das Problem ist, dass diese Partner nichts wissen wollen vom ZFI.
Nein, das ist falsch, nur die Gemeinden wollen von raumplanerischen Massnahmen nichts wissen. Der Flughafen engagiert sich sehr, auch wenn man dort den ZFI nicht besonders toll findet. Unique versucht in Zusammenarbeit mit dem Bund unter anderem den Fluglärm zu reduzieren.

Auf welche Art wollen Sie diesen verhindern?
Die Anzahl Bewegungen ist ja gemäss den bisherigen ZFI-Berechnungen nicht entscheidend, darum ist auch eine Plafonierung nicht zielführend. Viel wichtiger ist der Flottenmix, da nimmt der Flughafen stark Einfluss, vor allem in den Nachtrandstunden. Zur Diskussion stehen auch höhere Lärmgebühren und Änderungen von Flugrouten im Betriebsreglement. Auch Skyguide ist involviert und klärt ab, bis in welche Höhe man Flugzeuge leiten muss, bevor sie frei die Flugrichtung wählen können.

Wie sieht es aus mit Raumplanungsmassnahmen?
Wenn die Gemeinden bis an die Pistenschwellen bauen wollen, dann kann dies der Regierungsrat nicht ändern. Nur der Kantonsrat könnte dies, und es wäre ein langes Verfahren. Deshalb kann Raumplanung kurz- bis mittelfristig keine Effekte auf den ZFI zeitigen. Ohne Vernunft der Gemeinden können wir deren Entwicklung nicht verändern. Ich verstehe aber auch, dass die Gemeinden wachsen und Neuzuzüger anziehen wollen. Die Frage ist, ob wir die spät zugezogenen Anwohner im ZFI mitrechnen sollen.

«Der Richtwert ist zu tief angesetzt»

Erwägen Sie einen solchen Schritt?
Das wird mir von verschiedener Seite vorgeschlagen. Und mit dem Bundesverwaltungsgerichts-Entscheid zu den Minderwertentschädigungen im Ostanflug, der auch die Begrenzung im Jahr 2000 sucht, hat dieses Anliegen mehr Gewicht erhalten. Wir werden aufzeigen müssen, wie gross die Zuwachsraten sind, die vom Fluglärm beziehungsweise vom Bevölkerungswachstum herrühren. Anschliessend wird man die politische Diskussion führen müssen. Ich werde das der Regierung transparent machen und sie dann entscheiden lassen.

Glauben Sie nicht, dass es nur zwei Jahre nach der Abstimmung zu früh ist für Reformen beim ZFI?
Wenn man beim ZFI etwas ändern will, wenn man also sagen muss, da ist eine Fehlüberlegung dahinter, dann sollte es die Regierung jetzt machen. Ich finde die Berechnungsart gut, aber wenn die Regierung aufzeigen will, dass es verschiedene Methoden gibt, wie man damit umgeht, dann sollte sie es jetzt tun.

Man könnte auch den Richtwert erhöhen, der steht ja nicht im Gesetz. Ist er zu tief angesetzt?
Ja, er ist mindestens um den Berechnungsfehler von ein paar tausend stark belästigten Personen, den man im letzten Herbst korrigieren musste, zu tief angesetzt. Die Regierung war der Meinung, dass man bis etwa 2013 kein Problem haben wird mit dem Richtwert. Das war eine Fehleinschätzung. Das Bevölkerungswachstum vor allem am Flughafen war viel stärker als erwartet.

Im Verhältnis zu Deutschland herrscht Stagnation. Bundesrat Moritz Leuenberger schlägt vor, die Westpiste zu verlängern, um im Gegenzug deutsche Konzessionen zu erhalten. Was halten Sie davon?
Aus fachlicher wie aus politischer Sicht ist ein Anflugsystem mit Pistenverlängerung geeignet für den Flughafen. Die Regierung kann sich mittelfristig eine Verlängerung vorstellen. Man müsste aber vor einer Abstimmung wissen, zu welchen Konzessionen Deutschland bereit wäre.

Gegen Armeeabzug aus Dübendorf

2010 stimmt das Zürchervolk über ein Pistenbauverbot ab. Macht Ihnen das Sorgen?
Selbst wenn das Verbot angenommen würde, könnte man der Bevölkerung später wieder eine Gesetzesvorlage unterbreiten, die eine Pistenverlängerung bringt. Aber der Leidensdruck müsste natürlich sehr gross sein. Der Prozess wäre jedoch sehr langwierig, und ob das wirtschaftlich für den Flughafen und den Standort Zürich nach seinem Abschluss innerhalb von etwa 15 Jahren noch spannend wäre, ist alles andere als sicher.

Es gibt Stimmen, die fordern, den SIL bis nach der Abstimmung zu sistieren. Was halten Sie davon?
Wir kämen nie zum Arbeiten am SIL, wenn wir immer alle Entscheide abwarten müssten. Deshalb soll man weiterarbeiten, die Leute wollen möglichst bald die Ergebnisse kennen.

Zum Schluss die Frage nach der Zukunft am Flugplatz Dübendorf. Erwarten Sie, dass die Armee über 2014 hinaus bleibt?
Ich fände es eigenartig, wenn die Armee auf alle Reserven, die sie noch hat, verzichten würde. Wenn sie in Dübendorf abzieht, ist das Gelände unwiederbringlich verloren, und auch wir im Kanton Zürich müssen uns fragen, ob wir nicht froh sein können, wenn die Armee noch minimale Präsenz bewahrt in Dübendorf und im Kanton. Wenn ich noch Militärdirektorin wäre, würde ich sagen, auf dieses Gelände kann die Armee nicht verzichten. Aber den Entscheid muss Bundesrat Maurer fällen, nicht ich. Die Regierung möchte einfach mal Klarheit.

NZZ, 13.06.2009

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