Mit GPS leiser und sparsamer in den Sinkflug (Die Welt)

Publiziert von VFSNinfo am
Die Theorie ist einfach: Im Landeanflug drosselt der Pilot die Turbinen und geht in den Leerlauf. In der Praxis hingegen behindern vor allem der rege Flugverkehr und Warteschleifen einen durchgängigen Sinkflug. Die Turbinen müssen immer wieder neu gestartet werden. Mit Hilfe von GPS-Daten soll sich das ändern.

VON WOLFGANG W. MERKEL

Eigentlich scheint es ganz selbstverständlich: Wenn ein Flugzeug seine Reiseflughöhe von rund 10.000 Meter verlässt und in den Landeanflug übergeht, drosselt der Pilot die Turbinen und geht in den Leerlauf. Auf diese Weise nähert er sich dem Flughafen im kerosinsparenden und lärmarmen Sinkflug. Vergleichbares erwartet man auch von vernünftigen Autofahrern, die sich roten Ampeln nähern.

Doch im Landeanflug war diese Logik bisher kaum umzusetzen, sagt Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) im hessischen Langen. Bisher mussten sich Piloten beim Anflug auf den Flughafen an wenigen Wegpunkten (Funkfeuern) orientieren. An ihnen richten sie ihre Richtungsmanöver aus. Dieses starre System und die meist hohe Zahl der Flugzeuge im Luftraum erfordern aber, dass die Piloten den Sinkflug immer wieder einmal unterbrechen und mit neuerlichem Schub für einige Zeit ihre Höhe halten müssen.

Erst jetzt wird an den ersten deutschen Flughäfen CDA praktiziert oder getestet. CDA steht für Continuous Descent Approach (etwa: kontinuierliches Sinken beim Anflug). Das Verfahren soll das Flugzeug nach Verlassen der Reiseflughöhe so lange wie möglich mit den Turbinen im Leerlauf zur Landebahn bringen. Das spart pro Anflug 50 bis 150 Kilogramm Kerosin und senkt die Emission des Abgases und Treibhausgases Kohlendioxid um 160 bis 470 Kilogramm.

Außerdem senkt es den Lärm für die Passagiere und vor allem für die Menschen am Boden in einem Korridor von 15 bis 55 Kilometer, sagt Axel Raab. Besonders wirksam ist CDA in der lärmrelevanten Höhe von 7000 bis 5000 Fuß (etwa 2100 bis 1500 Meter). An den Flughäfen Frankfurt und Köln/Bonn wird CDA bereits praktiziert, jetzt testet die Flugsicherung das Verfahren auch am Flughafen München.

Möglich geworden ist das Verfahren durch eine neue Anwendung der Satellitennavigation GPS und darauf aufbauende Software an Bord der Maschinen. Zwar gab es auch früher schon Versuche mit kontinuierlichen Sinkflügen, doch waren sie nicht standardisiert. Der wichtigste Punkt heute: Piloten und Fluglotsen bekommen statt der wenigen durch Funkfeuer festgelegten Wegpunkte nun viele virtuelle, die durch GPS-Ortsdaten definiert sind. So lässt sich der Anflug räumlich und zeitlich flexibler planen.

Je nach Richtung und zeitlicher Abfolge schweben die Maschinen in mehr oder weniger großen Schleifen, bevor sie auf die Landebahn „eindrehen". So können sie im kontinuierlichen Sinkflug bleiben. Ein Wiederhochfahren der Triebwerke, um für eine gewisse Zeit die aktuelle Reisehöhe zu halten, entfällt. Nur auf den letzten Kilometern des Endanflugs müssen die Turbinen noch einmal kräftig Schub produzieren, vor allem um im Bedarfsfall die Landung abbrechen und durchstarten zu können.

Die Flexibilität hat allerdings ihre Grenzen: Zu verkehrsreichen Zeiten, wenn die Staffelung des Flugverkehrs an ihre Grenzen gerät und die Anflüge der Jets in kurzen Abständen erfolgt, muss der kontinuierliche Sinkflug ausgesetzt werden. Warteschleifen in definierter Höhe sind dann unumgänglich – Sicherheit geht dann vor Umwelt- und Lärmschutz. Letztlich eignet sich CDA meist nur für die verkehrsärmeren Abend- und Nachtstunden – in denen Lärmminderung aber besonders wichtig ist.

Zwar existiert an vielen Flughäfen ohnehin ein Nachtflugverbot, „doch gerade in Frankfurt und München und für Frachtflüge nach Köln/Bonn gibt es viele Ausnahmeregeln", sagt DFS-Sprecher Axel Raab. Doch beispielsweise in Düsseldorf und Hamburg gilt ein striktes Nachtflugverbot, dort wäre CDA kaum anzuwenden.

Wer einmal das Gefühl von Leerlaufflug erleben will, hat dazu an den drei CDA-geeigneten deutschen Flughäfen also am ehesten in den späten Abendstunden Gelegenheit – wenn auch keine absolute Garantie. Doch auch zu anderen Zeiten ist der kontinuierliche Sinkflug bisweilen möglich.

Besonders spektakulär sei das Erlebnis aber nicht, sagt Axel Raab. Da die Turbinen nicht komplett ausgeschaltet werden dürfen und die Geräusche der umströmenden Luft nicht verschwinden, hat man im Turbinenleerlauf nicht das Gefühl, als rolle man in einem Auto mit ausgeschaltetem Motor dahin (was man nie tun sollte, denn ohne Motor funktionieren Servolenkung und Bremskraftverstärker nicht).

Beschwerden von Fluggästen, die sich im Turbinenleerlauf Sorgen um ihre Sicherheit machten, sind Axel Raab nicht bekannt. Vermutlich fühlten sich die Passagiere gerade im kontinuierlichen Sinkflug gut aufgehoben. Das gleichmäßige Sinken mit leisen Triebwerken vermittle eher ein Gefühl von Sicherheit als mehrfaches Hochfahren und Drosseln der Turbinen.

Welt Online, 11.03.2009