«Die Langstrecken sind problematisch» (ZSZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Luftverkehr  Technische Lösungen allein werden dem Klimawandel nicht gerecht

Der Einfluss des Luftverkehrs auf die globale Klimaerwärmung ist grösser, als viele wahrhaben wollen. Allein mit  technischen Mitteln werden die Airlines der Herausforderung nicht gerecht.

Oliver Steimann

Wenn von Luftverschmutzung und Klimawandel die Rede ist, stapelt die Luftverkehrsbranche gerne tief. Es wird bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, dass der Anteil am weltweiten Ausstoss von Kohlendioxid (CO2) nur 1,8 bis 2,3 Prozent betrage. Doch diese Sichtweise greife zu kurz, betont Ulrich Schumann, Direktor des Deutschen Zentrums für Luft  und Raumfahrt (DLR). Bei einem Auftritt an der Universität St. Gallen erklärte der renommierte Atmosphärenforscher diese Woche, dass man den Ausstoss (Emissionen) keinesfalls mit den Auswirkungen (Immissionen) gleichsetzen dürfe.

«Neben Schadstoffemissionen erzeugt die Luftfahrt unter anderem Kondensstreifen und eine Veränderung der Bewölkung», so Schumann. Studien des DLR hätten in diesem Bereich zu wichtigen Erkenntnissen geführt. «Gemäss neusten Forschungsergebnissen ist der Beitrag der Kondensstreifen zur globalen Klimaerwärmung grösser als jener des CO2-Ausstosses durch die Luftfahrt», so Schumann.


Wolken über dem Atlantik

Über die vergangenen vier Jahre hat das DLR die Bewölkung über dem Nordatlantik täglich analysiert. Die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen: Die prozentuale Bedeckung korrespondierte eindeutig mit der wellenartigen Zu- und Abnahme der Flugbewegungen. Im Tagesdurchschnitt sind bis zu zwei Prozent mehr Wolken am Himmel als ohne Flugverkehr- gemäss Schumann eine Differenz, die durchaus ins Gewicht fällt. Denn die so verursachte dünne Bewölkung in hohen Luftschichten wirkt nicht kühlend, da sie nur wenig Sonnenlicht reflektiert. Sie trägt jedoch dazu bei, die Wärmeabstrahlung der Erde in der Atmosphäre zu speichern.

Für Schumann ist deshalb klar, dass der Beitrag des Luftverkehrs zum Klimawandel nicht auf den CO2-Ausstoss reduziert werden kann. In Tat und Wahrheit sei er mindestens doppelt so hoch wie bisher angenommen.


«Alle Massnahmen ausschöpfen»

Entgegen immer wieder geäusserten Meinungen bringe es nur wenig, Kurzstreckenflüge auf andere Verkehrsträger zu verlagern. «Das eigentliche Problem sind die Mittel- und Langstreckenflüge, sowohl bezüglich der Treibhausgase als auch bezüglich der Kondensstreifen.» Zwar werde der Luftverkehr durch technische Verbesserungen ständig effizienter. Doch die weltweite Verkehrszunahme mache diese vermeintliche Verbesserung mehr als wett. «Alle wirtschaftlich vertretbaren Massnahmen sind deshalb auszuschöpfen», so Schumann.

Aus Sicht des Forschers sieht er vor allem zwei Möglichkeiten, den Luftverkehr ökologischer zu gestalten. Einerseits könnte die Bildung von Kondensstreifen durch Anpassung der Flughöhen an die jeweilige Wetterlage drastisch reduziert werden. Anderseits müsse der Verkehr flüssiger gestaltet werden, insbesondere an den Flughäfen.


Weiteres Wachstum kostet

Was sich simpel anhört, ist in der Praxis nur schwer umsetzbar. Für Christoph Füllemann, Umweltdelegierter der Swiss, ist daran auch die Politik mitschuldig. Die Airline habe Milliarden in effizientere Flugzeuge investiert. Doch die deutschen Anflugrestriktionen, die bei der Landung in Kloten zu weiten Umwegen zwingen, hätten die Treibstoffersparnis, zum grössten Teil wieder zunichte gemacht. Man bemühe sich aber, die Umweltbilanz durch technische und betriebliche Massnahmen weiter zu verbessern.

Trotzdem ist der CO2-Ausstoss der Swiss seit 2004 von 3,1 auf 3,6 Millionen Tonnen pro Jahr angewachsen. «Aus rein ökologischer Perspektive ist das natürlich schlecht», räumt Füllemann ein. Und er gibt unumwunden zu, das es stärkere ökonomische Anreize braucht, um der Situation gerecht zu werden. «Wenn in wenigen Jahren der Handel mit Emissionszertifikaten beginnt, wird uns weiteres Wachstum wohl nur noch durch teure Zukäufe möglich sein.»

Die von Branchenvertretern immer wieder verbreitete Hoffnung, allein durch technische Innovationen könne die Luftfahrt klimaverträglich gestaltet werden, ist für den Swiss-Vertreter trotz allem Optimismus nicht haltbar. Und auch für Schumann ist dieser Ansatz allein bei weitem nicht ausreichend.

ZSZ, 26.09.2008