Teures Kerosin bringt Luftfahrt in die Klemme (AZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Brüssel. Die Flugpreise steigen, Passagiere bleiben aus, Zukunftspläne werden korrigiert: Die Zeit des ungebremsten Wachstums über den Wolken neigt sich allem Anschein nach unweigerlich dem Ende zu.

«Die Zahlen sprechen durch die Bank von einem Rückgang des Verkehrs», meldete der Verband europäischer Fluggesellschaften (Association of European Airlines - AEA) kürzlich. Besonders alarmierend sei, dass die Auslastung der Maschinen in allen angeflogenen Regionen gesunken sei.

Besonders gebeutelt sind südeuropäische Airlines wie Alitalia und Olympic Airlines, die seit Jahren Verluste einfliegen. Die italienische Gesellschaft beförderte im April gut ein Viertel weniger Passagiere als ein Jahr zuvor. Die Griechen verloren im Jahresvergleich 14,3 Prozent ihrer Fluggäste. Alitalia setze bei jedem Fluggast zu, klagten deren Manager zwar in der Vergangenheit.

Aber ohne Passagiere ist eben auch kein Flugbetrieb zu machen. Turbulenzen drohen aber auch Gesellschaften, die in neue Maschinen investierten. Die sogenannten Billigfluggesellschaften haben in der Vergangenheit auf einen ungebrochenen Reiseboom gesetzt. Doch diese Strategie stößt angesichts kräftiger Zuschläge an Grenzen.

Immer öfter müssen Spontan-Urlauber feststellen, dass scheinbar günstige Tickets eben nicht 9,99 Euro sondern eher 99 Euro kosten. Zusätzliche Kosten scheuen die Billigflieger da. Sehr kritisch sieht ihr Verband ELFAA (European Low Fares Airlines Association) deshalb die Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel, der den Schadstoffausstoß senken soll.

«Das Öl kostete 40 Euro pro Barrel, als das System für den Emissionshandel entworfen wurde», sagte easyJet-Chef Andy Harrison jüngst. Inzwischen kostet das Erdöl gut dreimal soviel. Und der Verband klagt: «Die Luftfahrt-Industrie kann einfach die Kosten des europäischen Emissionshandelssystems nicht auf die Ticketpreise aufschlagen, wie es die jüngsten Auswirkungen des steigenden Ölpreises auf die Fluggesellschaften gezeigt haben.»

Manchen traditionellen Airlines geht es kaum besser als den Billigfliegern. Neben der maroden Alitalia ist seit dieser Woche auch die österreichische Austrian Airlines offiziell auf Partnersuche. Die Deutsche Lufthansa, Air France-KLM und die russische Aeroflot sind als mögliche Interessenten im Gespräch.

Zusammenschlüsse und verstärkte Zusammenarbeit der Airlines dürften den Markt in den kommenden Jahren gründlich verändern. So sucht etwa die belgische SN Brussels Airlines den Anschluss an einen starken Partner. In Frage kommen die Netzwerke von Lufthansa, Air France-KLM oder der Fluggesellschaft British Airways, die Mitte Mai trotz hoher Treibstoffpreise einen Rekordgewinn verkündete.

Die Lage bietet den Großen also auch Chancen. Und sie ist in Europa auf jeden Fall besser als in den USA. Der logische Schritt, notleidende Airlines in den USA zu übernehmen, ist den Europäern indes verbaut.

Die USA erlauben europäischen Gesellschaften bisher nicht, mehr als 25 Prozent plus eine Aktie von US-Konkurrenten zu übernehmen. Zwar verhandelt die EU mit den USA über eine Änderung dieser Regel. Aber bis zu einem Ergebnis werden viele Flieger noch einige Federn lassen.

Lufthansa erhöht Treibstoffzuschläge

Die größte deutsche Fluggesellschaft Lufthansa will ihre Treibstoffzuschläge für Interkontinental- und Europaflüge wegen der gestiegenen Kerosinpreise erhöhen.

Bereits ab dem 16. Juni steige der Aufpreis für innerdeutsche und europäische Flüge um 3 Euro auf 24 Euro pro Flugstrecke, teilte die Airline gestern in Frankfurt am Main mit. Der Zuschlag für Langstreckenflüge erhöhe sich um 10 Euro auf 92 Euro pro Streckenabschnitt.

Noch am Montag hatte der Vizepräsident der Lufthansa für die Region Asien und Pazifik, Uwe Müller, erklärt, die Lufthansa werde ihre Zuschläge nicht erhöhen, die Treibstoffpreise aber weiter beobachten.

Aachener Zeitung, 11.06.2008


Die Luftfahrtbranche in Turbulenzen (FTD)

Die Folgen der Öl-Hausse (6)

von Matthias Lambrecht (Hamburg)

Die Luftfahrt hängt am Öl wie keine andere Branche. Trotz Kerosinzuschlags: Wenn der Preis weiter steigt, geht es den Airlines an die Substanz - es drohen neue Pleiten.

Am Mittwoch legte die Deutsche Lufthansa noch einmal nach: Für Flüge innerhalb Deutschlands und Europas wird der Treibstoffzuschlag ab Mitte Juni um 3 Euro auf 24 Euro erhöht. Der Aufpreis für die Langstrecke wird gar um 10 Euro auf 92 Euro angehoben.

Die nach oben schießenden Ölpreise setzen auch die solide aufgestellte deutsche Airline unter wachsenden Druck. Die letzte Anhebung des Zuschlags liegt gerade vier Wochen zurück. Anfang des Monats korrigierte die Lufthansa die Summe der erwarteten Treibstoffkosten für das laufende Jahr von knapp 5,3 Mrd. Euro auf 5,7 Mrd. Euro. Immerhin rechnet Konzernchef Wolfgang Mayrhuber dank vorausschauender Preisabsicherung durch Hedging bislang damit, dass er das Gewinnniveau halten kann.

Doch damit steht er inzwischen ziemlich alleine: Rund um den Globus sehen die Fluggesellschaften ihre Erträge dahinschmelzen, immer mehr Airlines fliegen in die Verlustzone. Der Branchenverband IATA fürchtet, dass sich die Verluste seiner Mitglieder 2008 auf 6,1 Mrd. $ addieren werden, wenn der Ölpreis bei 135 $ pro Barrel verharrt.

"Die Billigflieger kommen zuerst unter Druck", sagt Luftfahrtexperte Jürgen Ringbeck von der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton. Die Ausgaben für Treibstoff machten hier rund 30 Prozent der Kosten aus, außerdem reagiere die Kundschaft besonders sensibel auf Preiserhöhungen. "Angesichts der dünnen Margen in der Luftfahrtbranche ist der Gewinn da schnell aufgezehrt."

Doch die Krise hat längst die großen, etablierten Airlines erreicht - zuerst in den USA, inzwischen auch in Europa. In Deutschland musste Air Berlin die Wachstumspläne korrigieren. Besonders die neuen Verbindungen nach China machen Sorgen: "Wir stellen die komplette Langstrecken-Operation auf den Prüfstand", so Unternehmenschef Joachim Hunold. Am Mittwoch versuchte er aber zunächst noch einmal, die Erlöse nach oben zu bringen: Nach der Lufthansa kündigte auch Air Berlin eine Erhöhung der Zuschläge an.

Wenn sich höhere Aufschläge am Markt nicht mehr durchsetzen lassen, bleibt nur wenig Spielraum, um auf den binnen sechs Monaten um mehr als 40 Prozent gestiegenen Ölpreis zu reagieren. "Die Kosten sind in den vergangenen zehn Jahren bereits deutlich optimiert worden, weitere Kostensenkungen gehen schnell an die Substanz", sagt Ringbeck. "Bei weiter steigenden Treibstoffpreisen kommen alle Gesellschaften in Schwierigkeiten."

Seit 2001 sind die Aufwendungen jenseits der Ausgaben für Kerosin um 21 Prozent gesenkt worden, rechnet die IATA vor. Die Verluste lassen sich für viele Gesellschaften nur noch begrenzen, indem unrentable Verbindungen eingestellt, Flugzeuge stillgelegt und Personal entlassen wird. In den USA, wo zur Öl-Hausse eine Nachfrageschwäche kommt, ist dieser Prozess längst im vollen Gange. Steigt der Preis weiter, droht eine Pleitewelle - und es bieten sich Gelegenheiten für die starken Spieler: Die Lufthansa werde bei der Konsolidierung "eine sehr aktive Rolle" spielen, hat Konzernchef Mayrhuber bereits angekündigt.

12.06.2008, Financial Times Deutschland