Positive Bilanz der Opfiker Hausbesitzer (NZZ)

Publiziert von VFSNinfo am
Fluglärm-Pilotfälle mehrheitlich zugunsten der Kläger entschieden

Das Bundesgericht hat den Opfiker Klägern für Fluglärm-Minderwert-Entschädigungen mehrheitlich recht gegeben. Daraus lassen sich aber noch keine Schlüsse für andere Regionen ziehen.

ark. In den letzten gut drei Monaten hat das Bundesgericht über 16 von 18 sogenannten Pilotfällen entschieden. Dabei ging es um die Entschädigungsforderungen von Hauseigentümern in der Süd-Abflugschneise in Opfikon gegenüber dem Flughafen. Die Anwälte beider Parteien hatten sich darauf geeignet, verschieden gelagerte Fälle vorzuziehen, um so die weiteren rund 180 Klagen in Opfikon speditiver abwickeln zu können. Von den 18 Fällen sind mittlerweile 16 vom Lausanner Gericht beurteilt, das 17. Urteil steht noch aus, und der letzte Fall war nicht weitergezogen worden, weil bereits die Vorinstanz, die eidgenössische Schätzungskommission, eine Entschädigung beschlossen hatte, die beiden Parteien als gerechtfertigt erschien.

Flughafen wartet ab mit Analyse
Eine erste Bilanz zeigt, dass die Hauseigentümer in bisher 11 Fällen (inklusive des nicht weitergezogenen) Minderwert-Entschädigungen zugesprochen erhalten haben, während die Forderungen in 6 Fällen abgewiesen wurden. Die Flughafen Zürich AG wollte die Urteile noch nicht kommentieren, man werde noch den letzten Schiedsspruch abwarten, die Resultate analysieren und erst dann kommunizieren, erklärte Unique-Sprecherin Sonja Zöchling auf Anfrage. Man gehe aber weiterhin davon aus, dass die Gesamtkosten die im Geschäftsbericht kommunizierten maximal 1,2 Milliarden Franken nicht übersteigen werden.

Der Zürcher Anwalt Peter Ettler, der die meisten Opfiker Kläger vertritt, sprach dagegen bereits von einem Erfolg für die Kläger. Man könne nach den Verdikten des Bundesgerichts sagen, dass private Eigentümer von Ein- oder Mehrfamilienhäusern in Opfikon entschädigt werden müssen, sofern sie im vom Bundesgericht sehr schmal definierten Südanflug-Korridor liegen. Zu entschädigen sind ausserdem Liegenschaften ausserhalb des Korridors, sofern der Immissionsgrenzwert überschritten ist. Zudem muss die Schwere des Schadens am Haus 10 Prozent des Liegenschaftswerts übersteigen, und es muss vor Januar 1961 erworben oder erbaut worden sein. Das Bundesgericht ist der Meinung, dass ab diesem Datum der starke Anstieg des Fluglärms in Opfikon voraussehbar war. Wichtig sei ausserdem die Erkenntnis, dass der Flughafen den Minderwert von Mehrfamilienhäusern auch dann entschädigen müsse, wenn keine Auswirkungen auf die Höhe der Mietzinse sichtbar sind.

Ettler ist überzeugt, dass die Opfiker Eigentümer gestärkt aus den Pilot-Verfahren herauskommen. Es seien aber keinerlei Schlüsse für die Kläger aus den übrigen Flughafengemeinden möglich. Insgesamt sind beim Flughafen rund 14\'000 Entschädigungsklagen eingegangen, ein Grossteil davon aus den Anflugschneisen im Osten und im Süden, wo erst seit 2001 vermehrt beziehungsweise erst seit 2003 überhaupt angeflogen wird. Deshalb muss zunächst geklärt werden, ob Überflughöhen von 200 bis 400 Metern noch zur Entschädigung wegen «direkten Überflugs» berechtigen. Bezüglich der Lärmentschädigung ist noch offen, ob die 1961er-Regel gilt oder nicht. Erschwerend für die Kläger kommt hinzu, dass unter den Anflugschneisen im Süden und im ferneren Osten keine Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte vorliegen. Dies deshalb, weil die Anflüge nur während weniger Stunden täglich erfolgen.

Wann sind die Fälle verjährt?
Rund 80 von Ettler vertretene Kläger leben auch in den Gemeinden Rümlang, Oberglatt und Höri. Hier stellen sich Unique und der Kanton Zürich auf den Standpunkt, dass die Fälle seit 1992 – fünf Jahre nach Publikation der sogenannten Lärmzonenpläne – verjährt sind, konform zu entsprechenden Bundesgerichtsurteilen, die auf Klagen am Flughafen Genf zurückgehen. In Opfikon ist das Bundesgericht aber davon abgewichen (Verjährungsentscheid 130 II 394). Es hat dort festgehalten, dass die Schwere des Schadens erst 1996 objektiv erkennbar gewesen sei. Durch die sogenannte vierte Welle und die Verlegung der Swissair-Langstreckenmaschinen aus Genf nach Zürich verdoppelte sich die Zahl der Bewegungen über Opfikon damals auf einen Schlag. Die vermehrten Südstarts, so Ettler, hätten dann auch Rümlang und Oberglatt plötzlich stärker belastet, während Höri durch die gleichzeitige Zunahme des Nachtflugbetriebs deutlich mehr Lärm zu gewärtigen hatte. Der Anwalt ist deshalb zuversichtlich, dass seine Mandanten in den drei Gemeinden nicht chancenlos sind.


Längere Verjährungsfrist auf der Kippe
ark. Vor gut sechs Jahren, im März 2002, hat der damalige Zürcher Nationalrat Rolf Hegetschweiler eine parlamentarische Initiative eingereicht, die mit neuen Verfahrensgarantien für Fluglärm-Entschädigungen eine bessere Ausgangslage für betroffene Hauseigentümer erwirken soll. Namentlich fordert die Initiative eine von fünf auf zehn Jahre verlängerte Verjährungsfrist und ein Plangenehmigungsverfahren für Änderungen des Betriebsreglements von Flughäfen. Der Nationalrat hat den entsprechenden Änderungen im Luftfahrt- und Enteignungsgesetz im vergangenen Herbst bereits zugestimmt, obwohl sich Bundesrat, Flughafen Zürich und Zürcher Regierung gegen die Neuregelung wehren. In der vorberatenden Ständeratskommission ist die Vorlage nun auf Widerstand gestossen. Sie stört sich daran, dass das Plangenehmigungsverfahren für sämtliche Lärm-verursachenden Infrastrukturanlagen angewendet werden soll. Deshalb fordert sie vor der Behandlung von morgen Donnerstag die Umwandlung der Initiative in eine Motion. Initiant Rolf Hegetschweiler reist heute nach Bern, um die Ständeräte zum Eintreten auf die Vorlage zu bewegen. Dieser Weg sei sinnvoller als die Umwandlung in eine Motion. Er selber befürworte eine Beschränkung der umstrittenen Plangenehmigungs-Pflicht auf Flughäfen. Diese Änderung könnte man dann, so Hegetschweiler, bei der Beratung der Gesetzesänderungen noch einbauen.

NZZ, 11.06.2008
 

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